Hexer-Handwerk
Etwas ausgepolstert wird das magere Charaktersystem durch die reichhaltige Ausrüstungsbeute. Alle naselang finden wir bessere Stahl- und Silberschwerter, Armbrüste, Rüstungen, Handschuhe, Hosen und Stiefel; Schatzsuche-Nebenquests werfen zudem besonders mächtige »Relikte« und Rüstungssets ab. Selbst Geralts Pferd lässt such aufrüsten, etwa mit einem Sattel, der seine Galopp-Ausdauer erhöht. Übrigens: Waffen und Kleider nutzen sich ab und wollen regelmäßig repariert werden, zerfallen aber unserem Empfinden nach zu schnell. Das kann nerven.
Außerdem erbeuten wir Handwerks-Blaupausen für Klingen und Klamotten, die wir von Schmieden herstellen lassen können - die entsprechenden Zutaten vorausgesetzt. Die klauben wir entweder auch aus Schatztruhen, oder wir basteln sie selbst, indem wir eingesammelten Plunder zerlegen lassen. Aus einem silbernen Kerzenhalter wird so ein Brocken Silbererz, mehrere davon können wir zu einem Silberbarren umschmelzen, der für Schwerter gebraucht wird.
So gibt's allerlei mögliche Kombinationen, aus einer zerlegten Puppe etwa gewinnen wir Garn, das sich zu Leinen spinnen lässt; aus normalem Leder und erbeuteten Chitinpanzern können wir Draconidenleder herstellen. Beides brauchen wir für Rüstungen. Das Zerlegen und Kombinieren findet allerdings in der Art Menüs statt, für die das Wort »fummelig« erfunden wurde. Während sich das eigentliche Spiel und die Kämpfe mit dem Gamepad hervorragend steuern, sind nämlich vor allem die Handwerksbildschirme überaus krampfig, für jede Aktion brauchen wir ein Menü zu viel, zumal wir nie auf einen Blick sehen, was sich denn nun genau zu welchen Zutaten zerlegen und was wir wiederum daraus herstellen können. Also scrollen und blättern wir ständig hin und her - das ginge übersichtlicher.
Dennoch motiviert das Crafting natürlich, wir freuen uns immer, wenn wir ein besonders schönes Schwert oder eine besonders dicke Rüstung schmieden können. Noch dazu darf der Hexer Tränke brauen, Schwertöle (erhöhen den Schaden gegen bestimmte Gegnertypen) herstellen und Bomben basteln. Während wir Sprengkörper und Öle vor allem für Feinde in der Hinterhand behalten, die dagegen empfindlich sind, setzen wir Elixiere regelmäßig ein, etwa um unsere Lebensregeneration oder unseren Angriffsschaden kurzfristig zu erhöhen.
Das geht zudem einfacher als früher, statt nur beim Meditieren vor dem Kampf dürfen wir die Wässerchen nun auch jederzeit mitten im Getümmel schlucken. Dabei füllt sich allmählich ein Vergiftungsbalken, wenn er voll ist, ist auch Geralt voll und kann eine Weile lang keine weiteren Tränke mehr zu sich nehmen. Für einmal gebraute Balsame müssen wir zudem nie wieder Zutaten sammeln, unsere Vorräte werden automatisch aufgefüllt, wenn wir meditieren.
Dieses Nachtanken kostet pro Trankportion lediglich ein Fläschchen Alkohollösung, das wir erbeuten oder bei Händlern kaufen können. Die Anzahl an Tränken, die in unseren Vorrat passen, können wir steigern, indem wir uns auf Alchemie spezialisieren. Wirklich notwendig erschien uns das im Test aber nie. Wenn uns die Heiltränke ausgingen, spachtelten wir einfach Lebensmittel. Die stellen nämlich ebenfalls Gesundheit wieder her.
Der Engel im Detail
Was also bleibt unterm Strich von The Witcher 3? Vor allem Erinnerungen. An schöne Geschichten, eine einladende Welt, Ritte in den Sonnenuntergang, Bootsfahrten über die stürmische Skellige-See. Und natürlich an unsere Entscheidungen, an deren Folgen wir teils schwer zu schlucken hatten. Vor allem aber bleibt die Erinnerung an eine fast schon absurde Liebe zum Detail.
Denn CD Projekt hat nicht nur die Spielwelt mit allerlei stimmungsvollem Kleinkram ausstaffiert, sondern beispielsweise auch die Dialoge um nicht zwingend notendige, aber einfach schöne Zeilen bereichert. Ob wir nun mit Geralts Zwergenfreund Zoltan witzeln, Gehässigkeiten mit einem alten Rivalen austauschen oder uns die Geschichte der Elfen erklären lassen - so verleiht man Charakteren Glaubwürdigkeit. Und so verleiht man einem Universum Tiefe, genau wie durch die vielen Bücher, die in der Spielwelt herumliegen und uns mehr über die Hintergründe und Geralts eigene Vorgeschichte verraten.
Liebe zum Detail bedeutet eben Liebe zum Überflüssigen. Nichts davon wäre notwendig. Es wäre auch nicht notwendig, dass Geralts Pferd Plötze automatisch zur Futterstellen und Apfelkisten trottet, sobald wir in einem Dorf abgestiegen sind. Es wäre nicht nötig, dass Geralt beim Satz ins Wasser automatisch eine Kopfsprung-Haltung einnimmt. Es wäre nicht nötig, dass ein Wikinger, den wir in einer optionalen Nebenquest befreien, tote Kameraden kommentiert, an denen wir vorbeikommen.
Es gäbe unzählige weitere Beispiele für solche Details, machen wir's kurz: Selbst wenn The Witcher 3 nicht immer ganz rund läuft, selbst wenn es Bugs und seine Macken hat, spürt man überdeutlich, dass hier Liebe drinsteckt. Das ist (leider) keine Selbstverständlichkeit und für uns eine der großen Stärken des Spiels. Abgesehen von den schematischen Nebenbeschäftigungen wie Barschlägereien wirkt hier nichts generisch, nichts lieblos, nichts hingerotzt. Ein größeres Lob fällt uns nicht mehr ein. Und das war nicht mal ein Spoiler.
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