Zwischen Hirte und Häscher
Dabei dienen die abwechslungsreichen Gespräche mit den verschiedenen Figuren nicht nur dazu, die Spielwelt glaubhafter und lebendiger zu machen, sondern erfüllen auch einen tatsächlichen Gameplay-Zweck.
Abgesehen von den Nebenquests, die ihr von manchen Charakteren erhaltet, könnt ihr mittels im Spiel verteilter Schriftstücke oder Gespräche mit anderen Figuren Hinweise zu den Personen erhalten, die ihr trefft. Die Freischaltung dieser Hinweise verbessert wiederum die Blutqualität … oder anders ausgedrückt, die Menge an Erfahrungspunkten, die ihr erhaltet, wenn ihr den entsprechenden Bürger aussaugt.
Auch wenn das ein probates Mittel zu sein scheint, um allzu schwierige Kämpfe zu bestehen und neue Skills freizuschalten, müsst ihr doch genau abwägen, welchen Figuren ihr eure Zähne in den Hals schlagt.
Schickt ihr nämlich zu viele Unschuldige über den Jordan, verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Bezirks. Die Folge: Waren werden teurer, die um die sicheren Zonen streunenden Gegner werden zahlreicher und mächtiger, und Nebencharaktere werden zu Monstern oder verschwinden ganz von der Bildfläche - was euch wiederum der Möglichkeiten zum Erfahrungspunktegewinn oder der Quest-Erfüllung beraubt.
Dabei liegt es ganz an euch, wie gesund ihr euer eigenes kleines Soziotop halten wollt. Denn schließlich seid ihr immer noch renommierter Arzt und könnt erkrankten Bürgern mit selbstgebrauten Mittelchen zur Genesung verhelfen, was wiederum die Gesundheitsstufe im jeweiligen Bezirk steigert.
Eine Welt aus Blut und Schmutz
Bei all den komplexen Verwebungen zwischen Kampfsequenzen, Arztvisiten und Verschwörungstheorien ist es ein Leichtes, das Design der Welt unbeachtet vorbeihuschen zu lassen. Dabei bietet das von Dontnod geschaffene London überall etwas zu entdecken.
Zerrissene Plakate an den Wänden rufen zum Kriegsdienst auf, brennende Mülltonnen erhellen düstere, enge Gassen, Ratten wuseln umher, und dazu ertönt ein orchestraler Streichersoundtrack, dem die Verzweiflung aus jeder Pore tropft: Die Spielwelt ist ebenso stimmig und atmosphärisch wie melancholisch. Natürlich trägt der Fakt, dass ihr nur nachts durch die Straßen schleicht, enorm zur bedrückenden Stimmung bei, aber es sind die Details, die das East End so lebendig machen.
Schade nur, dass die großartig gestaltete Welt mit gelegentlich stark verwaschenen Texturen und Charakteren zu kämpfen hat, deren Mimik eher der eines tatsächlich Toten als einer lebenden Person gleicht. Die technischen Makel allein reichen allerdings nicht aus, um das Spielerlebnis zu trüben.
Zu spannend und voller unerwarteter Wendungen ist die packende Geschichte, zu komplex das zwischenmenschliche Ökosystem und zu beeindruckend die Welt, die Dontnod mit seinem dritten Spiel erschaffen hat. Vampyr ist der Beweis dafür, dass das Anzapfen einer neuen Ader manchmal eben doch lohnender ist, als Altbewährtes bis zum letzten Tropfen auszusaugen.
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