Hasta la Vista, Baby!
Vierzig Spielstunden später kommt es zu einer erneuten Begegnung der schuppigen Art. Allerdings haben wir jetzt ein verzaubertes Katana-Schwert und einen Zauberspruch in Petto, der jeden Drachen auf den Boden zwingt. Wir feuern den Zauberspruch ab, König Flatterflügel geht zu Boden, und es wird Zeit, die Rechnung zu begleichen. Nach mehreren harten Treffern springen wir dem Drachen auf den Kopf und geben ihm mit unserem Schwert »Drachenfluch« in einer kurzen Zwischensequenz den Rest. Das sieht nicht unbedingt schön aus, ist aber sehr befriedigend.
Interessierte Spieler haben in der jüngeren Vergangenheit sicherlich von der vielgepriesenen spielerischen Freiheit in Deus Ex: Human Revolutiongehört, gab es dort doch fast immer drei Möglichkeiten, ein Problem zu lösen: entweder durch Gewalt, Gespräch oder Geschleiche. Beide Spiele gehören zwar nicht demselben Genre an, dennoch haben sich beide Titel auf die Fahnen geschrieben, dem Spieler bisher nie gekannte Freiheit durch Möglichkeiten zu eröffnen und ihm Aufgaben zu stellen, die sich auf unterschiedlichsten Wegen lösen lassen. Lässt man die Unterschiede in der Art, wie die Geschichten erzählt werden, Setting und Spielmechanik außer acht und bricht das Ganze auf eine einfache konkrete Situation, wie eine von zwei Gegnern bewachte Tür, herunter, dann wird sehr schnell deutlich, wie viel spielerische Freiheit in Skyrim steckt.
Das Zusammenspiel von Charakterentwicklung, Fähigkeiten und Bewaffnung eröffnet experimentierfreudigen Spielern fast ungeahnte Möglichkeiten, die mit Nahkampf, Fernkampf, Umwelt, Totenerweckung, Schutzgeistern, Unsichtbarkeit, Wetterbeinflussung, Zaubertränken, Giften, Beschwörungen, magischen Waffen und Verbündeten weit über das hinausgehen, was andere Titel in dieser Hinsicht zu bieten haben. Natürlich kann man die Wachen mit Pfeil und Bogen ausschalten. Aber warum nicht den Feuertopf über ihnen von der Decke holen und den Armwedeltanz ansehen? Ein paar Skelette aus dem Boden holen oder einen Elementar-Schutzgeist beschwören? Oder doch lieber den Höhlentroll, an dem man vorbeigeschlichen ist, her locken und auf die Wachen hetzen?
Man könnte sich auch anschleichen und einen magischen Schrei ausstoßen, der beide von der Brüstung fegt oder in Brand setzt. Ein feiner Manipulationszauber, der die Schergen aufeinander losgehen lässt, wäre auch nicht schlecht. Einfach unsichtbar machen und vorbeiwabern ginge allerdings auch. Und das sind noch längst nicht alle Möglichkeiten, dieses Problem zu bewältigen. Im Gegensatz zu anderen Spielen wird man in Himmelsrand jedoch kaum an die Hand genommen. Das Spiel blendet weder Lösungsvorschläge ein, noch ist es (bis auf wenige Ausnahmen) so konzipiert, dass nur ein einziger Weg zum Ziel führt. Genau wie alle anderen Bethesda-Rollenspiele möchte auch Skyrim, dass der Spieler die Welt ausprobiert, auf eigene Faust erforscht und sein eigenes Abenteuer erlebt. Um es klipp und klar zu sagen: Wer diese Lust am Entdecken nicht mitbringt, sondern lieber am Nasenring durch eine Story gezogen werden will, sollte Skyrim im Regal lassen.
Von der Unmöglichkeit, geradeaus zu gehen.
Der Hauptquest von Skyrim führt euch von den ersten Schritten des Drachenblutes bis in die entferntesten Winkel von Himmelsrand. Ihr seid dabei die meiste Zeit zu Fuß oder auf einem Pferd unterwegs. Eine Schnellreisefunktion existiert natürlich auch, funktioniert jedoch nur bei Orten, die ihr bereits entdeckt habt. Die Aufgaben sind abwechslungsreich, aber nicht unbedingt spektakulär. Mal durchforstet der Spieler Höhlen, um uralte Artefakte zu bergen, an anderer Stelle wird zwecks Informationsbeschaffung in bester Stealth-Manier durch die Botschaft der Elfen geschlichen.
Ein kurzer Bildungsurlaub in der Magier-Akademie steht ebenso auf dem Programm, wie Verhandlungen über einen Waffenstillstand und zahllose Kämpfe gegen Banditen, Zombies, Nekromanten, Magier, glitschige Kobolde, Dyraden, Sumpfhexen, Elfen, Oger, Säbelzahntiger, Riesenspinnen, Geister, Soldaten, Trolle, Bären, Zwerge, Metallwesen ... und natürlich Drachen. Allerdings würde es uns sehr wundern, wenn es jemand fertig brächte, den Hauptquest stur abzuarbeiten, ohne den anderen Verlockungen der riesigen Spielwelt zu erliegen -- und sei es nur, um genug Geld zu verdienen, sich in einer der Städte ein Häuschen zu kaufen. In der oberen Bildschirmmitte befindet sich ein Kompass, der entdeckte und unentdeckte Orte in der näheren Umgebung anhand von Symbolen wie Burgen, Türmen, Hütten usw. anzeigt.
Da man es in den ersten zwanzig bis dreißig Spielstunden ständig mit neuen Symbolen zu tun bekommt, ist die Versuchung, vom Weg abzukommen und zu schauen, was sich hinter dem Anker, den Stoßzähnen oder dem Drachensymbol verbirgt, alles andere als klein. Während man noch darüber sinniert, ist man tatsächlich schon vom Weg abgekommen und spielt Skyrim ohne es zu merken so, wie es gespielt werden will. Man versinkt in der Welt, und die eigene Neugier treibt einen von Ruine zu Ruine, durch dunkle Höhlen und verfallene Tempel. Im positiven Sinne erschwerend kommt hinzu, dass hinter fast jeder Ecke ein potentieller Questgeber wartet, und sich selbst einfache Gespräche mit Händlern oder Bettlern ruckzuck in einen Auftrag verwandeln. Welcher Abenteurer könnte schon widerstehen, wenn er in einer Festung das Gerücht aufschnappt, dass sich unter dem Gemäuer eine uralte Zwergenstadt befinden soll?
Die Nebenaufgaben sind gut gestaltet, abwechslungsreich und oftmals durchaus humorvoll. Ein Beispiel: Nach einem langen Tag besuchen wir eine Taverne und werden von einem Unbekannten zum Wetttrinken aufgefordert. Natürlich nehmen wir an -- und das Schicksal damit seinen Lauf. Nach dem zweiten Becher kippt Dovakiin aus den Latschen, der Bildschirm wird dunkel. Wir finden uns kurze Zeit später in einer völlig unbekannten Stadt wieder und werden von den Bürgern beschimpft, weil wir irgendetwas mit einer Ziege angestellt haben sollen. Als eine erboste Schmuckhändlerin uns dann noch etwas von einem Ehering und einer angesetzten Hochzeitsfeier erzählt, wird eine Kette von Merkwürdigkeiten in Gang gesetzt, die den Spieler in bester »Hangover«-Manier für einige Stunden beschäftigt. Natürlich warten die Magier- und Diebesgilden ebenso auf neue Mitglieder wie der Meuchelmörder-Club der schwarzen Hand oder die bierseligen Raufbolde der Gefährten.
Wer mag, schlägt sich im Krieg Kaiserreich gegen Sturmmäntel auf eine Seite und erobert Ortschaften und Festungen. Diese Nebenhandlungen sind nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern eigene Abenteuer, in denen ihr das Gesicht von Skyrim für immer verändert. Von den unzähligen Gerüchten und Legenden, denen man nachspüren kann, gar nicht erst zu reden. Wer es eher ruhiger mag, kann seine Zeit auch mit dem Herstellen von Gegenständen, Kochen, Schmieden, Schmelzen oder Jagen verbringen. Das so genannte »Crafting« ist sehr simpel gestaltet, bietet aber, wie alles in Skyrim, jede Menge Möglichkeiten.
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