Activision Blizzard: Spieleboykott trifft oft die Falschen - nämlich die Opfer

Manche Fans rufen gegen missbräuchliche Entwicklerstudios und Publisher zu Spieleboykott auf. Doch das kann den Mitarbeitenden mehr als den Unternehmen schaden.

Activision Blizzard wurde zuletzt wegen sexueller Diskriminierung verklagt. Activision Blizzard wurde zuletzt wegen sexueller Diskriminierung verklagt.

Schlechte Arbeitszustände in der Videospielbranche sind leider keine Seltenheit, von übermäßigem Crunch bei Studios wie Rockstar Games oder Naughty Dog bis hin zu Klagen gegen Ubisoft und Activision Blizzard wegen Belästigung, Diskriminierung und mehr.

Für manche Fans stellt sich hier natürlich die Frage, wie sie selbst darauf reagieren sollen und welchen Einfluss sie als Konsumenten auf die Entwicklungsstudios und Publisher nehmen können. Für einige ist die logische Konsequenz der Boykott dieser Unternehmen. Nicht zuletzt trendete in den letzten Monaten #HoldUbisoftAccountable und #BoycottBlizzard auf Twitter, Fans riefen einander dazu auf, die Spiele der besagten Unternehmen nicht mehr zu spielen oder zu kaufen. Damit sollte ein Zeichen des Protestes gegen bestehende Zustände gesetzt werden. Der Gedanke dahinter oft: Profit sei das einzige, worauf große Publisher und Entwicklungsstudios hören.

Allerdings hat das nicht nur den gewünschten Effekt, den Unternehmen finanziell zu schaden (und ist dabei oft weniger effektiv als gehofft) - auch die Mitarbeitenden selbst sind davon häufig betroffen. Und das meist noch viel härter.

"Es schadet den Leuten, die dort arbeiten"

Im Juli 2021 wurde Activision Blizzard von der staatlichen US-Behörde DFEH wegen sexueller Diskiminierung gegen Mitarbeiterinnen verklagt. Konkret ging es dabei um Vorwürfe von sexueller Belästigung, ungleiche Bezahlung und Vergeltungsmaßnahmen gegen jene Frauen, die sich wehren würden.

Inzwischen sieht sich der Publisher zusätzlich sogar einer Klage der eigenen Angestellten gegenüber, die Activision Blizzard Gewerkschaftszerschlagung und Einschüchterung vorwerfen.

Seither hat der Blizzard-Chef J. Allen Brack das Unternehmen verlassen, Luis Barriga (Diablo 4-Director), Jesse McCree (Diablo 4-Lead Designer) und Jonathan LeCraft (World of Warcraft-Designer) folgten. Der Hashtag #BoycottBlizzard landete durch missmutige Fans wieder in den Trends bei Twitter und sollte andere dazu motivieren, Spiele wie Overwatch und World of Warcraft nicht mehr zu spielen.

Fans riefen dazu auf, Spiele wie Overwatch zu boykottieren. Fans riefen dazu auf, Spiele wie Overwatch zu boykottieren.

Als Antwort auf den Protest erklärte Tami Sigmund, Senior Producer bei Blizzard, in einem Twitter-Thread, dass sie verstehen könne, warum Leute ein Unternehmen nicht unterstützen wollen, dass mit ihren Moralvorstellungen nicht übereinstimme. Gleichzeitig machte sie darauf aufmerksam, dass Mitarbeitende direkt davon betroffen seien, wenn Leute kein Geld mehr für Spiele ausgeben:

Wenn Leute kein Geld für unserer Spiele ausgeben, ist mein Profitanteil und die Höhe meines Bonus betroffen. Diese Klage könnte bedeuten, dass im März, wenn mein Mutterschaftsurlaub endet und mein Kind zur Kinderbetreuung muss, ich den Bonus nicht bekomme, den ich brauche, um die Kinderbetreuung zu bezahlen.

Mit dieser Aussage scheint Sigmund nicht allein zu stehen. Das Magazin Axios hat mit weiteren Mitarbeitenden von Activision Blizzard gesprochen, die nicht namentlich genannt werden wollen. Mehrere von ihnen bekräftigen, dass Boykotts den Mitarbeitenden mehr schaden würden als dem Unternehmen. Nicht nur seien Boykotts demnach ineffektiv, da schlicht zu wenige Leute teilnehmen würden, um Unternehmen und Investoren zu beunruhigen - Am meisten seien demnach auch Positionen bei Entwicklerteams von ausfallenden Gewinnen gefährdet, wie eine Person erklärt:

Es schadet den Leuten, die dort arbeiten, die ihr Leben in das Spiel stecken und die entschlossen sind, AB Studios [Anm. d. Red.: Activision Blizzard] und alle Spielestudios zu besseren Orten zu machen. Wir können die Probleme nicht lösen, wenn wir entlassen werden und wir können Frauen nicht unterstützen, wenn wir all die Arbeit, die sie geschaffen haben und schaffen, boykottieren.

#BoycottBlizzard trendet nicht zum ersten Mal

Dabei ist Spieleboykott natürlich keine Neuheit und auch #BoycottBlizzard trendet nicht zum ersten mal auf Twitter und Co.

Bereits im Oktober 2019 kam es zu einem Vorfall, der negative Reaktionen in der Community ausgelöst hatte. Kurz zur Erinnerung: Der E-Sportler Chung "Blitzchung" Ng Wai hatte sich nach einem Sieg während eines Hearthstone-Turniers mit den chinesischen Worten "Befreit Hongkong, die Revolution unserer Zeit" für die Proteste in Hongkong ausgesprochen. Blizzard verhängte daraufhin eine Sperre von einem Jahr, die Blitzchung die Teilnahme an Hearthstone-Turnieren verbot und verwehrte ihm das bisher verdiente Preisgeld von knapp 14.500 Euro.

Blizzard erntete für dieses Vorgehen eine Menge Kritik, sowohl von eigenen Mitarbeitenden, als auch von Fans, die zum Boykott von Titeln wie World of Warcraft und Overwatch aufriefen, wie unsere Schwesternseite Gamestar berichtete. Die starke Reaktion schien eine Wirkung zu zeigen: Blitzchungs Sperre wurde auf sechs Monate reduziert und er bekam sein Preisgeld doch noch.

In den ersten Trailern zu Call of Duty Vanguard fehlte auffällig das Activision-Logo, inzwischen ist es wieder in Marketingmaterial zu finden. In den ersten Trailern zu Call of Duty Vanguard fehlte auffällig das Activision-Logo, inzwischen ist es wieder in Marketingmaterial zu finden.

Ob und inwieweit der Boykott Teil daran hatte (neben der negativen Medienaufmerksamkeit), lässt sich natürlich nur spekulieren. Was bleibt, ist die Frage, wie für Fans ethischer Konsum von Videospielen aussieht und wie sie die betroffenen Entwicklerteams ihrer liebsten Spiele unterstützen können, ohne dabei den falschen Leuten zu schaden.

Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht. Zumindest im Falle von Activision Blizzard haben die Mitarbeitenden selbst den Hashtag #ActiBlizWalkout als Zeichen ihres Protestes gewählt, anders als das von Fans genutzte #BoycottBlizzard. Es ist also zumindest naheliegend, die von den Betroffenen selbst gewählten Initiativen zu unterstützen, denn schließlich soll der Protest letztlich ihnen zugute kommen.

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