Für Naughty Dog ist Crunch ein Problem, das sich nicht verbieten lässt

Naughty Dog hält weiterhin an seiner Crunch-Kultur fest, will aber zugleich Lösungen innerhalb des Teams schaffen, die für bessere Arbeitsbedingungen sorgen.

The Last of Us 2 ist bei Naughty Dog unter Crunch-Bedingungen entstanden. The Last of Us 2 ist bei Naughty Dog unter Crunch-Bedingungen entstanden.

Crunch ist in der Videospielbranche schon lange kein unbekannter Begriff mehr. Letztlich bedeutet es für Entwickler*innen massive Überstunden über mehrere Wochen oder gar Monate hinweg, oft kurz vor Release eines Spiels. Um etwa Read Dead Redemption 2 pünktlich auf den Markt zu bringen, mussten einige Rockstar-Mitarbeiter*innen bis zu 100 Stunden die Woche arbeiten. Bei CD Projekt Red derweil wurde in den letzten Monaten vor Release von Cyberpunk 2077 Crunch gar verordnet - was entgegen einer früheren Aussage von CEO Marcin Iwinski steht, dass man Crunch nicht verpflichtend machen wolle.

Auch Naughty Dog, das Studio hinter der Uncharted- und The Last of Us-Reihe, ist für Crunch wohl bekannt. Das Studio gibt zwar selbst an, an der Problematik arbeiten zu wollen, spricht sich aber zugleich dagegen aus, Crunch zu verbieten.

Hilfe von außen sollte Besserung bringen

Nachdem 2020 durch einen Kotaku-Bericht klar wurde, wie hart die Crunch-Bedingungen bei Naughty Dog sind, sah es so aus, als könnte sich beim Studio etwas bessern. In einem Podcast sprach Neil Druckmann mit Synchronsprecher Troy Baker darüber, dass er in der Vergangenheit dabei versagt habe, die richtige Work-Life-Balance für sein Team zu gewährleisten.

Zwar habe er demnach versucht, Mitarbeiter*innen davon abzuhalten, noch mehr Stunden in bestimmte Bereiche (wie etwa die Accessibility-Features) zu stecken, die sich jedoch dagegen gewehrt hätten. Am Ende gab er an, dass die Mitarbeiter*innen damit recht gehabt hätten, betonte aber auch, dass sich das Studio Hilfe von außen holen wolle, um die Crunch-Situation zu verbessern:

"Es geht darum, die richtige Balance zu finden: Wie erlauben wir Leuten, ihre Leidenschaft auszuleben, das, was ihnen so viel Bestimmung gibt, während wir gleichzeitig Leitplanken schaffen, um sie manchmal auch vor sich selbst zu beschützen. [...] Und darin habe ich bei diesem Projekt versagt."

Naughty Dog hält dennoch an Crunch fest

Was aus diesem Vorhaben geworden ist, lässt sich nun aus einem Interview der Naughty Dog Co-Presidents Evan Wells und Neil Druckmann mit dem Magazin Game Informer erahnen. Darin geben sie an, dass Crunch zu verbieten auf Widerstand der Mitarbeiter*innen stoßen würde:

"Wenn wir eine Einschränkung hätten. bei der die Server runterfahren, sobald die Uhr 40 Stunden anzeigt und du nicht mehr arbeiten kannst, das würde Leute endlos frustrieren. Es gibt Leute, die das zusätzliche Polishing aus eigenem Antrieb einbringen wollen, und die würden sich beeinträchtigt fühlen."

Demnach ist es wohl der Wille einiger Mitarbeiter*innen selbst, Crunch als Teil der Firmenkultur zu behalten. Zwar deckt sich das mit dem Bericht von Kotaku, jedoch ignoriert diese Aussage zugleich den Druck, der auf den Angestellten lastet. Crunch bedeutet nicht nur den Zwang, mehr zu arbeiten, oft sorgt der durch die Firmenkultur entstehende Druck auch dafür, dass sich Mitarbeiter*innen verpflichtet fühlen, mehr zu arbeiten als sie wollen oder können.

"Leute kommen zu Naughty Dog, um Exzellenz zu erreichen und wir erlegen uns selbst den Druck auf, den Spielen gerecht zu werden, die Leute von uns erwarten.", erklärt Neil Druckmann an anderer Stelle.

The Last of Us Part 2 ist typisch für Naughty Dog mit viel Liebe zum Detail geschaffen, allerdings hat das auch seinen Preis. The Last of Us Part 2 ist typisch für Naughty Dog mit viel Liebe zum Detail geschaffen, allerdings hat das auch seinen Preis.

Statt also nach einer Lösung zu suchen, um Crunch zu vermeiden, wolle man an Quality of Life-Verbesserungen arbeiten, um Burnout zu vermeiden. Innerhalb des Studios wurden Arbeitsgruppen gegründet, um darüber zu diskutieren, welche Bereiche des Studios verbessert werden könnten und das Management wolle einen Blick auf das Wohlergehen der Mitarbeiter*innen haben. Eine umfassende Lösung könne es laut Neil Druckman nicht geben:

"Wir glauben, dass es keine umfassende Lösung gibt, die zu allen passt. Jeder hat eine einzigartige Situation, auf die wir eingehen müssen. [...] Wenn du versuchst eine silberne Kugel zu haben, also eine Lösung, lässt du immer jemanden zurück. Darum glauben wir, dass wir mehrere Lösungen brauchen."

Auf die Frage, was das Studio von einer Gewerkschaft für die Mitarbeiter*innen hält, erklärten sie, dass sie dies nicht für eine Lösung für Crunch halten. Lieber wollten sie sicherstellen, dass sie eine Umgebung schaffen, in der jeder so hard oder so wenig wie er will arbeiten könne. Einschränkungen (wie ein Verbot von Überstunden) würden dem wohl nur im Weg stehen. Warum ausgerechnet eine Gewerkschaft, die sich auf die Rechte der Mitarbeiter*innen fokussiert, dem nicht zuträglich sein sollte, erklären sie nicht.

Eine Historie des Crunches

Dabei zeigt der oben erwähnte Kotaku-Bericht auf, wie nötig Änderungen innerhalb des Studios sind und wie stressig die Arbeitsbedingungen im Entwicklerteam während The Last of Us 2 waren. Natürlich sind die (anonymen) Stimmen der Entwickler*innen nicht durchweg negativ. Manche wünschen sich einfach, das bestmögliche Spiel zu schaffen und sind bereit, dafür Überstunden zu schieben.

Es gibt jedoch auch Berichte von Entwickler*innen, die unter Burnout und dem sozialen Druck leiden - denn obwohl es keinen Überstundenzwang bei Naughty Dog gibt, bedeutet pünktlich Feierabend zu machen für viele Entwickler*innen, den Kolleg*innen mehr Arbeit zu machen. Selbst das Studio zu verlassen sei demnach mit diesem Druck verbunden - schließlich müssten dadurch neue Mitarbeiter eingestellt und eingearbeitet werden, was dazu führen würde, dass alteingesessene Mitarbeiter*innen bis dahin unter Mehraufwand leiden würden.

Dieser Druck führte sogar soweit, dass einige Mitarbeiter*innen darauf hofften, dass The Last of Us 2 scheitern würde, um dem Studio zu zeigen, dass diese Arbeitsweise nicht haltbar ist.

Auch andere beliebte Spiele wie Dragon Age: Inquisition sind mit Crunch entstanden. Auch andere beliebte Spiele wie Dragon Age: Inquisition sind mit Crunch entstanden.

Auch dieser Gedanke ist leider kein neuer in der Branche. Schon 2014 gab es wohl ganz ähnliche Worte von BioWare-Entwickler*innen während der Produktion von Dragon Age: Inquisition: "[Dragon Age: Inquisition] hätte floppen müssen, damit Leute merken, dass das nicht die richtige Art ist, Spiele zu machen.", erklärte ein ehemaliger Entwickler. Wie wenig sich seither bei dem Studio getan hatte, zeigt sich daran, dass dieses Zitat aus einem Kotaku-Bericht von 2019 über die negativen Arbeitsbedingungen zu Anthem stammt.

Carrie Patel, Game Designer bei Obsidian Entertainment hat zudem auf Twitter erklärt, dass selbst, wenn nur gewisse Leute freiwillig crunchen, diese Arbeit Auswirkungen auf Teile des (oder auch das gesamte) Team haben kann. Da Game-Design nicht im Vakuum entsteht, bedeutet jede Änderung auch Mehrarbeit für andere Abteilungen.

Studios zeigen, dass es anders geht

Die Ansicht, dass Crunch für die Entwicklung von Spielen einfach nötig ist, herrscht nicht nur bei Naughty Dog immer noch vor. Doch es geht auch anders, wie einige Studios bereits beweisen. Insomniacs Ratchet and Clank: Rift Apart etwa ist laut Aussagen von zwei Entwickler*innen entstanden, ohne dass sie crunchen mussten. Auch Studios wie Supergiant Games, die sich etwa für den Überraschungshit Hades verantwortlich zeichnen (via Kotaku), oder Obsidian Entertainment, die The Outer Worlds ohne Crunch geschaffen haben (via PCGamesN) zeigen, dass es selbst bei großen Produktionen anders gehen kann.

Obwohl Naughty Dog den Eindruck macht, als wolle man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wirft das geplante Vorgehen doch die Frage auf, ob das Management wirklich verstanden hat, welchen Anteil der Druck innerhalb des Studios am Crunch hat. Grundsätzlich ist eine individuell zugeschnittene Lösung für die verschiedenen Mitarbeiter*innen keine schlechte Idee, da sie die Möglichkeit offen lässt, auf einzelne Lebenssituationen einzugehen. Wie genau diese Lösungen dann aussehen, bleibt natürlich abzuwarten.

Zugleich legt Naughty Dog auch heute noch einen zu starken Fokus darauf, wie viele Mitarbeiter*innen Überstunden von selbst aus schieben wollen - und vernachlässigt dabei scheinbar zu sehr, was das für Auswirkungen auf jene Mitarbeiter*innen hat, die das vielleicht nicht wollen.

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