Eigentlich freut sich niemand über den Weltuntergang. Für Shadow of the Tomb Raider kommt die Apokalypse aber gerade recht.
Die erzürnten Maya-Götter und alles, was sie mit sich bringen, wirken sich nämlich äußerst positiv auf die Grundpfeiler der Tomb Raider-Mechanik aus: die Rätsel, die Kämpfe und natürlich Lara selbst.
Testbedingungen
Für unseren Test haben wir von Square Enix eine Xbox One-Version erhalten, die wir auf der Xbox One X gespielt haben. Eine PS4-Version lag uns zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tests noch nicht vor. Sobald wir eine PS4-Version haben, werden wir sie prüfen und auf eventuelle Unterschiede in einem Kasten in diesem Artikel eingehen.
Finger weg sonst Finger ab
Wie bereits ganz zu Beginn klar wird, hat Lara aus Versehen die Apokalypse ausgelöst, weil sie den wichtigsten Leitsatz für alte Artefakte ignorierte: Wenn du nicht weißt, was das mysteriöse Ding im fallengespickten Tempel tut, solltest du besser die Finger davon lassen.
Lara schnappt sich jedoch wider besseren Wissens ein altes Zeremonienmesser, das theoretisch die Welt verändern könnte.
Aber nur in Verbindung mit der passenden Schatulle. Ohne die verschwindet die Sonne vom Himmel und die Welt geht unter.
Dass es sich dabei nicht nur um reine Mythen handelt, merken wir spätestens daran, dass sogar die Söldner der Trinity-Gruppe beim Anblick des Messers Angst bekommen.
Und an der auf Laras Eskapaden folgenden Flutwelle, die ein ganzes Dorf dem Erdboden gleich macht.
Die schiere Gewalt dieser Erfahrung zwingt Lara zum Umdenken. Bis jetzt suchte sie vor allem den Mörder ihres Vaters, den sie in der Trinity-Gruppe vermutet. Die Rettung von geheimen Zivilisationen und Artefakten war eher ein Nebeneffekt.
Mit dem Ende der Welt vor der Tür kann es aber nicht mehr nur um ihren eigenen Rachefeldzug gehen - jetzt stehen die Menschen im Vordergrund. Trinity eins auszuwischen ist da eher ein Bonus.
Von Bambi zu Rambo
Auch Lara selbst wird sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst. Während sie im ersten Teil nur ein paar Sekunden über einem Reh geweint hat, um sich danach wie Rambo durch den Wald auf Yamatai zu ballern ohne einen Gedanken an die Menschenleben zu verschwenden, bekommt ihre knallharte Heldinnenfassade im dritten Teil nach und nach Risse.
Zu Anfang wühlt sie sich zwar noch erschreckend unbeeindruckt durch verwesende Leichen, sodass wir nicht wissen ob wir noch Tomb Raider spielen oder irgendwie in The Evil Within gerutscht sind.
Später jedoch merken wir ihr in den Cutscenes, den Monologen am Lagerfeuer und auch in Dialogen mit anderen Charakteren ihre Selbstzweifel und vor allem auch die Erschöpfung an.
Es hängen einfach zu viele Menschenleben vom Erfolg ihrer Mission ab. Die Umstände zwingen Lara, im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen zu gehen, um die Schatulle zu finden. Und das geht nicht spurlos an ihr vorbei.
Anders als im ersten Teil führt das aber nicht zu Tränen und Selbstmitleid, sondern macht sie charakterlich stärker und sorgt dafür, dass wir Lara ihre Handlungen wirklich abkaufen.
Anscheinend musste "nur" die Welt untergehen, damit die junge Archäologin in Sachen Charakterentwicklung einen Schritt nach vorne macht.
The Lara Within
Dass die Apokalypse kein Sonntagsspaziergang ist, spiegelt sich auch in der Atmosphäre wieder.
Die Menschen stehen nach der Flutkatastrophe vor den Ruinen ihrer Häuser und Existenzen, Trinity lässt sich durch einen kleinen Weltuntergang nicht von seiner Artefaktejagd abhalten, und dann ist da ja auch noch das antike Volk, wegen dessen Relikten der ganze Schlamassel erst begonnen hat: die Maya.
Neben sagenumwobenen Städten aus Gold ist der mittelamerikanische Volksstamm am bekanntesten für die große Anzahl an Menschenopfern, die ihm zugeschrieben wird.
In vielen Gräbern findet Lara deswegen nicht nur Schätze und alte Notizen, sondern auch mehr oder weniger vollständige Körper und Wände voll Jahrhunderte altem, getrocknetem Blut. Die Panoramen in den Gräbern rangieren deswegen von beeindruckend bis beängstigend.
Zahllose Opfer jeden Tag?
Der Kult der alten Maya
Wie in den Vorgängern tritt Lara zudem noch auf Gegner, die nicht ganz von dieser Welt scheinen. Die übernatürlichen Elemente sind dieses Mal besonders fies und was hier aufgeboten wird, grenzt teilweise schon an harten Horror.
Während die untoten Soldaten auf Yamatai oder in Sibirien eher gefährlich als gruselig wirkten, bekommen wir es in Shadow of the Tomb Raider mit weitaus unmenschlicheren und dadurch erschreckenderen Gegnern zu tun.
Der Story-Abschnitt, in dem wir die ersten Hinweise auf das Grauen bekommen und am Ende damit konfrontiert werden, kann problemlos mit jedem Horrorfilm mithalten.
Hier sorgt vor allem die Soundkulisse für zusätzlichen Grusel, wenn in den dunklen Höhlensystemen auf einmal aus jeder Ecke Geräusche zu dringen scheinen - auf der Xbox One dank Dolby-Atmos-Codierung sogar von der Decke.
Rätseln unter dem Meeresspiegel
Teile der Horrorelemente wandern auch ins Gameplay. Der letzte Teil der Reboot-Trilogie ist ohne Frage auch der düsterste.
Das bedeutet aber nicht, dass es sich hier um ein verkapptes Resident Evil in Südamerika handelt.
Shadow of the Tomb Raider setzt trotz aller Horroreinschläge weiterhin auf die Stärken der Serie: Puzzlen, Kämpfen und Entdecken.
Auch wenn die Rätsel jetzt erheblich mehr Verwesung enthalten, funktionieren sie im Grunde genau wie in den Vorgängern. Serientypisch sind dabei Pfeil und Bogen, jede Menge Hebel sowie eine große Portion Klettergeschick involviert.
Es geht hauptsächlich um Geschicklichkeit, Mechanik, Timing und natürlich Knobelvermögen.
Zum Beispiel müssen wir in einem Rätsel das Wasser aus einem überschwemmten Tempel abfließen lassen, mit dem aus den Fluten auftauchenden Mühlrad ein Tor öffnen und dann über Plattformen zum Eingang der Grabkammer hüpfen, ohne von den im Wasser lauernden Piranhas gefressen zu werden.
Wasser spielt generell eine sehr wichtige Rolle in Shadow of the Tomb Raider. Viele der Tempel und die meisten Geheimgänge wurden geflutet, was wiederum ganz neue Herausforderungen und Gefahren birgt.
Die oben erwähnten Piranhas machen Teile des Tauchgangs zum Stealth-Level, weil wir uns vor den fiesen Fleischfressern in Algenbüscheln verstecken müssen.
Mit klug gesetzten Lichteffekten umgeht Shadow of the Tomb Raider übrigens das größte Problem, das Unterwasserlevels oft haben: die Orientierungslosigkeit. Licht und Architektur werden so clever eingesetzt, dass der Weg immer klar erkennbar ist.
Normalerweise lösen Unterwasserlevel bei vielen Spielern einen Fluchtreflex aus. In Shadow of the Tomb Raider freuen wir uns hingegen, wenn Lara ihren nächsten Tauchgang vor sich hat.
Mind the Gap
Über Wasser ist gerade für die Timing- und Geschicklichkeitspassagen eine präzise Steuerung unheimlich wichtig.
Ein Schritt in die falsche Richtung genügt, und wir stürzen in den Tod. Wer schludrig steuert, weiß oft nicht, ob er gerade mit des Rätsels Lösung auf dem Holzweg ist oder einfach nicht genau darauf achtet, wo er hinläuft.
Die Schwierigkeit ist angenehm fordernd, kann aber bedeutend schwerer werden, wenn räumliches Vorstellungsvermögen nicht unsere Stärke ist.
In Momenten der Ratlosigkeit erweist sich Lara jedoch als gnädig und gibt uns auf dem normalen Schwierigkeitsgrad Hinweise.
Sind die Rätsel zu schwer, können wir sie dank des neuen Schwierigkeitsgradsystems auf "einfach" stellen. Dann wird in der Fokus-Sicht nicht nur angezeigt, was wir im Grab bewegen können sondern auch, was als nächstes bewegt werden muss.
Wie schwer ist schwer?
Schwierigkeitsgrad in Shadow of the Tomb Raider
Neben den Rätseln lassen sich auch der Anspruch der Kämpfe und des Geländes unabhängig voneinander hoch- oder herunterschrauben.
So können Rätselfreunde sich auf die "Grab"-Aspekte konzentrieren, während Actionfans die Puzzles schnell hinter sich bringen und sich auf den "Räuber"-Part konzentrieren können.
Ihr versteht? "Grab" und "Räuber" … hahaha! Okay, es war zumindest einen Versuch wert.
In den Kämpfen würden wir die einfache Schwierigkeitsstufe aber wirklich nur denen empfehlen, die mit Stealth oder Schießereien nichts am Hut haben. Ihr verpasst sonst einen der Grundpfeiler des Spiels.
Zwar gibt es in Shadow of the Tomb Raider erheblich weniger Feindkontakt als noch im ersten oder zweiten Teil, weil die Gräber mehr in den Vordergrund rücken, doch die Momente, in denen Lara auf Widersacher trifft, haben es in sich.
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