Monsterzähmer*innen, die magische Kreaturen im Kampf antreten lassen und in ihrer Freizeit neue Monster aus Eiern ausbrüten: Pokémon stand unverkennbar Pate für Monster Sanctuary. Doch um Plagiatsvorwürfe direkt zu entkräften, vermischt das deutsche Indie-Studio Moi Rai Games die Formel der japanischen Weltmarke mit dem Metroidvania-Genre - im Look eines 16-Bit-Sidescrollers. Das Ergebnis ist ein unverbrauchter Genre-Mix, der Retro-Fans für einige Tage gut unterhalten wird.
Zu Beginn eurer Reise als aufstrebender Monsterjäger bzw. Monsterjägerin steht die Wahl eures legendären und einzigartigen Begleiters. Egal ob ihr euch für Wolf, Adler, Kröte oder Löwe entscheidet: die anderen drei magischen Kreaturen werden euch im Laufe des Abenteuers weiterhin begegnen, denn sie sind die Maskottchen eurer Konkurrenz. Wie im Vorbild Pokémon konkurriert ihr in Monster Sanctuary mit arroganten Besserwissern und Besserwisserinnen, aber findet auch Verbündete.
Viel Story solltet ihr in der rund 30 Stunden andauernden Kampagne allerdings nicht erwarten. Hin und wieder trefft ihr auf NPCs, die euch ein wenig über die Hintergrundgeschichte der Welt berichten, ansonsten ist die Rahmenhandlung eher Beiwerk und nicht der Motor dieses Spiels.
Vielschichtiges Kampfsystem
Im Mittelpunkt steht das Kämpfen. Das überzeugt durch seine taktische Tiefe und die vielen Monster, die ihr fangen und zähmen könnt. Jede der insgesamt 101 unterschiedlichen Kreaturen verfügt über vier facettenreiche Fähigkeitsbäume. Steigt ein Monster durch gesammelte Kampferfahrung im Rang, könnt ihr neue aktive und passive Talente auswählen.
Wenn der Maximalrang von 40 erreicht ist, habt ihr aus einem einfachen Schleimblob eine giftspuckende Kampfmaschine gemacht oder alternativ eine auf Heilung fokussierte Defensiveinheit gezüchtet. Euer aktives Team besteht aus sechs Kreaturen, von denen ihr drei zu Beginn eines Gefechts auswählt. Nach einem gewonnenen Kampf erhalten alle sechs aktiven Teammitglieder die gewonnenen Erfahrungspunkte, auch wenn sie nur zugeschaut haben.
An neue Rekruten kommt ihr durch das Ausbrüten von Eiern. Diese erhaltet ihr nach dem Zufallsprinzip durch das Besiegen von Feinden. Mit etwas Glück bleibt nach einer Schlacht ein Ei der soeben besiegten Monstergattung liegen, und ihr könnt es in eurem Inventar schlüpfen lassen. Daraufhin steht euch umgehend ein frisches Seepferdchen oder ein dämonisches Auge treu und ergeben zur Seite.
Besondere Vorkehrungen bei der Aufzucht oder erzieherische Maßnahmen müsst ihr keine treffen. Ei finden, schlüpfen lassen: fertig ist der Krieger oder die Kriegerin. Zwar könnt ihr Monster optional füttern, das wirkt sich lediglich auf die Anzahl an Lebenspunkte oder die Angriffs- und Verteidigungswerte aus. Überflüssige Eier und Monster spendet ihr der heimischen Universität, die euch mit Geld und Gegenständen für die Funde belohnt.
Rundenkämpfe fast wie früher
Auf eurem Weg durch die Dungeons trefft ihr auf jede Menge Feinde. Bei einer Berührung wechselt die Ansicht in einen separaten Kampfmodus, der an die ersten Final-Fantasy-Spiele erinnert. Pro Angreifer könnt ihr entscheiden, welchen Angriff, Zauberspruch oder auch Gegenstand ihr einsetzen wollt. Elementarangriffe bewirken besonders viel Schaden, wenn ihr auf die Schwächen der gegnerischen Kreaturen achtet.
Außerdem könnt ihr die Reihenfolge der Attacken wählen, was besonders für das Kombo-System strategisch von Bedeutung ist. Jeder Treffer erhöht den Kombo-Zähler für Folgeangriffe in der aktiven Runde um fünf Prozent. Es kann sich also durchaus lohnen, genau hinzuschauen. Ein Eishagel macht zwar ordentlich Schaden, aber erhöht den Schadenszähler nur um zehn Prozent, während die Krallenangriffe des Wolfs fünfmal zuschlagen und somit den folgenden Feuerball um bis zu 25 Prozent tödlicher machen können.
Hier wird deutlich: Besonders Menschen, die großen Spaß am Optimieren und Maximieren von Fähigkeiten, Items und Ausrüstung haben, werden mit Monster Sanctuary glücklich werden. Für manch andere mag diese Fülle an Möglichkeiten eher abschreckend wirken. Verliert ihr aber mal eine Schlacht, gehen nur ein paar Goldmünzen verloren. Angst um eure gefallenen Monster müsst ihr nicht haben. Diese wachen nach ihrer Niederlage wieder auf, und alle Wunden sind wie von Geisterhand geheilt.
Champions und Duelle als besondere Herausforderung
Primäres Ziel des Spiels ist die Suche nach den sagenumwobenen Champions, sie zu finden ist jedes Mal ein Highlight. Diese besonderen Bosskämpfe fordern euch deutlich mehr heraus, und ihr müsst eure Truppe entsprechend gut auf die jeweiligen Schwächen des Gegners einstellen und trainieren. Eine zweite Besonderheit sind Kämpfe gegen die Konkurrenz, bei denen ihr alle sechs Teammonster in den Kampf schickt, allerdings auch hier leider nur drei davon parallel. Gewonnen habt ihr erst, wenn alle sechs Kreaturen des Gegners besiegt sind. Diese Duelle lassen sich im Multiplayer-Modus auch online bestreiten.
Auf eurer Suche nach neuen Monstern und Champions erkundet ihr die abwechslungsreiche Welt als klassischer 2D-Sidescroller. Ihr springt von Plattform zu Plattform, weicht Stachelfallen aus und öffnet Schlösser mit vorher gefundenen Schlüsseln. Anders als in ähnlichen Genrevertretern lernt ihr als Jäger selbst keine neuen Fähigkeiten, doch dazu habt ihr ja eure Monster! Ihr könnt jeweils ein Lieblingsmonster als aktiven Begleiter auswählen. Dieses rennt, fliegt, krabbelt oder schleimt sich brav hinter euch her und unterstützt euch per Tastendruck mit seiner Spezialfähigkeit.
So packt euch der Adler beispielsweise an den Schultern und trägt euch über Abgründe, Raubtiere wie Bären bringen mit ihren Krallen Wände zum Einstürzen und legen damit geheime Räume frei. Mit magischen Attacken wie dem Blitzeinschlag des Knisterritters aktiviert ihr Elementarschalter, die euch den Weg zu Truhen mit Bonusschätzen öffnen.
Viele der Kreatureigenschaften doppeln sich, aber es kann durchaus passieren, dass ihr anfangs noch nicht das passende Ei gefunden habt und euch eine Monstereigenschaft fehlt. Dann müsst ihr zu einem späteren Zeitpunkt an diese Stelle zurückkehren, was dank der Schnellreiseportale kein größeres Problem darstellt. Allerdings müsst ihr ein gutes Gedächtnis haben, denn eine Notizfunktion auf der Übersichtskarte haben wir hier schmerzlich vermisst.
Enttäuschendes Metroidvania-Gameplay
Im Gegensatz zum gelungenen Kampfsystem hat uns das Erkundungs- und Platforming-Gameplay enttäuscht zurückgelassen. In der Welt finden wir nur vereinzelt Knobeleinlagen, die sich meist darauf beschränken, ein paar Schalter in der richtigen Reihenfolge zu betätigen.
Sonstige Hindernisse lassen sich meist durch die Wahl der richtigen Kreatur überwinden. Das ist wenig befriedigend und auch die Belohnungen, die in den versteckten Truhen warten, sind unspektakulär und daher wenig motivierend.
Trotzdem: Monster Sanctuary ist ein unterhaltsames Rundentaktikspiel, das allerdings nicht ganz das Versprechen hält, auch Metroidvania-Fans gleichermaßen abzuholen. Wem Pokémon immer zu seicht war und wer Lust hat, sich in den Fähigkeitsbäumen der abwechslungsreichen Monster zu verlieren, kann sehr viel Spaß mit diesem Umfangmonster haben.
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