Seite 3: Dishonored: Die Maske des Zorns im Test - Viel Freiheit, wenig Story

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Die Heimlich-Methode

Zum Drang, die Schauplätze trotzdem komplett zu erkunden, gesellt sich derjenige, das auch komplett heimlich zu machen. Wer gerne schleicht, sieht sich rasch versucht, den Level als »Geist« zu absolvieren, also ohne jemals entdeckt zu werden.

Mal kurz hinter einen Gegner teleportieren und ihn ausschalten? Ist cool, macht das Spiel aber sehr einfach. Mal kurz hinter einen Gegner teleportieren und ihn ausschalten? Ist cool, macht das Spiel aber sehr einfach.

Dann läuft Dishonored zu wahrer Stärke auf: Wir grübeln über den besten Weg, an dieser Wache oder jenem Geschützturm vorbeizukommen, lugen um Ecken herum und durch Schlüssellöcher hindurch, schleichen und tricksen wie weiland Garrett aus Thief. Und freuen uns, wenn wir den clever gebauten Levels mal wieder einen der vielen alternativen Wege zum Ziel entrissen haben – so muss das sein.

Das wäre auch genauso heraufordernd wie in Thief, wenn Dishonored nicht einen Tick zu einfach und einige Fähigkeiten nicht einen Tick zu übermächtig wären. Das »Teleportieren« beispielsweise entwickelt sich rasend schnell zur unschlagbaren Allzweckwaffe. Mit dieser Fähigkeit können wir uns nämlich in Sekundenbruchteilen an einen nahegelegenen Ort beamen – zum Beispiel genau hinter eine Wache, die wir anschließend unbemerkt aus dem Verkehr ziehen.

Kombinieren wir das Beamen nun mit dem »Tote Gegner werden zu Asche«-Skill, dann fühlt sich das Ergebnis nach dem ersten »Ui, wie cool ist das denn bitte?!«-Moment beinahe wie Cheaten an, weil wir uns auf diese Weise durch ganze Level und Gegnerhorden blinzeln können, ohne jemals entdeckt zu werden. Wir raten daher, auf dem höchsten der vier Schwierigkeitsgrade einzusteigen. Dann ist der Teleport zwar ebenfalls übermächtig, doch Corvo verträgt deutlich weniger, und die aufmerksameren Wachen entdecken ihn schneller.

So müssen wir vorsichtiger vorgehen, Kämpfe meiden und gelegentlich auch einfach mal warten, bis eine Patrouille vorbeigestapft ist. Dadurch versprüht Dishonored auch wesentlich mehr Faszination und Spannung als bei einem reinen Action-Durchlauf.

Pinkel-Wache wird ... So was gehört sich ja mal überhaupt nicht! Erleichtert sich dieser Flegel einfach am Straßenrand. Aber wo er schon mal abgelenkt ist, könnten wir ihn eigentlich auch …

... angezündet! Die Brandpfeile der Handarmbrust sind eine ziemlich fiese Sache; und eigentlich auch ziemlich unnötig, weil das Geschrei der armen Wache bloß seine Kumpel auf den Plan ruft.

... erschossen! Effektiv, aber heimlich geht anders: Die Pistole ist auf kurze Distanz zwar ausgesprochen tödlich, macht allerdings auch einen Riesenlärm.

... eingeschläfert Die Handarmbrust kann nicht nur Brandpfeile verschießen, sondern auch Schlafbolzen. Das ist leise, sauber und lässt uns bloß mit einer Frage zurück: wohin jetzt mit der Schnarchnase?

... geschwitzt! Wenn Schlafbolzen gerade knapp sind (oder wir keinen benutzen wollen), dann können wir die Wache auch einfach in den Schwitzkasten nehmen. Erhöht allerdings die Chance, gesehen zu werden.

KI-Urlaub in Absurdistan

Die mangelnde Herausforderung fußt auch darin, dass die eigentlich aggressive KI gerne mal einen Urlaub in Absurdistan bucht. Selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad reagieren die computergesteuerten Gegner oft nur dann, wenn sie uns auch sehen können. Schießen wir von einem sonnigen Plätzchen auf sie, dann schießen sie also zurück, werfen Granaten und so weiter.

Schießen wir wiederum von einem schattigen Plätzchen auf sie, und liegt dieses Plätzchen womöglich noch auf einer erhöhten Position, dann sind die armen Kerle gerne mal überfordert und stehen wie begossene Pudel in der Landschaft rum, anstatt in Deckung zu gehen oder wenigstens mal zu schauen, wer da eigentlich gerade ihre Kameraden umlegt.

Verdammt! Jetzt hat doch glatt noch eine Wache Selbstmord begangen. Verdammt! Jetzt hat doch glatt noch eine Wache Selbstmord begangen.

Vergesslich ist die Bande übrigens auch, wie wir an den »Lichtwänden« feststellen. Dabei handelt es sich um Barrieren, die uns in handliche atomare Bauteile zerlegen, wenn wir durch laufen. Allerdings lassen sich die Dinger mit einem entsprechenden Werkzeug so umstellen, dass sie stattdessen hindurchlaufende Wachen in ihre atomaren Bauteile zerlegen.

Anschließend entspinnt sich folgender Ablauf: Wir rennen durch die gerade umprogrammierte Lichtwand, locken alle Wachen auf der anderen Seite an und rennen wieder zurück. Die Wachen wiederum denken jetzt nicht, hoppla, wenn der da unbeschadet durchlaufen kann, dann ist was faul im Staate Dunwall – nein, die erste Wache läuft erbost in den sicheren Tod, woraufhin ihre Kumpels auf dem Absatz kehrt machen, nach drei Schritten wieder vergessen, warum eigentlich, und so nacheinander einen beeindruckenden Massenselbstmord zelebrieren.

Gut - aber eben nicht epochal

Auch das ist sinnbildlich für Dishonored: Jene beinahe instinktive Gewissheit, dass es nur an knapp an einem großartigen Erlebnis vorbeischrammt, dass alle Geschütze in Position sind und trotzdem nicht die volle Breitseite treffen, dass jenes Fünkchen Magie, jenes spezielle Etwas fehlt, um ein gutes, ja sehr gutes Spiel in ein besonderes, epochales zu verwandeln.

Dishonored möchte mehr sein als die Summe seiner Einzelteile, möchte in einer Liga spielen mit Thief und Bioshock und Deus Ex. Das tut es nicht – nicht ganz jedenfalls. Deshalb ist es kein schlechtes Spiel, im Gegenteil. Aber es ist eben auch nicht das Spiel, das es hätte sein können – und das wir uns erhofft haben.

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