Tolle Welt? Jein!
Aber die Welt! Die ist doch bestimmt toll? Ja! Und nein. Zwar ist das Art-Design von Viktor Antonov (Half Life 2) ebenso über jeden Zweifel erhaben wie die teils großartige Lichtstimmung, und das »Industrielle Revolution trifft Steampunk«-Setting strotzt vor originellen Einfällen – bloß setzen die Entwickler nicht alle davon konsequent um.
Ein Beispiel: Relativ früh im Spiel unterweist uns der mysteriöse »Outsider« in der Kunst der Magie; und gibt uns ein ebenso mysteriöses Herz, das uns auf Tastendruck Geheimnisse über die Welt und ihre Bewohner verrät. Wie spannend, denken wir in der Erwartung, dass Herz und Outsider bestimmt noch eine tragende Rolle spielen, dass wir mehr über sie erfahren, zwei Geheimnisse, die bloß darauf warten, gelüftet zu werden. Indes: Es gibt nichts zu lüften. Outsider und Herz bleiben reine Gimmicks, tolle Einfälle, die nie zu Ende gedacht werden, zwei verpasste Chancen.
Im Vergleich zu Bioshocketwa, wo Rapture aus jedem zerstörten Winkel und jeder überfluteten Kammer Atmosphäre blutet, bleibt Dunwall seltsam unausgeschöpft. Ein Unterbau aus kleinen und großen Geheimnissen, persönlichen Geschichten und Schicksalen hätte dem Universum die Tiefe gegeben, die es verdient. So durchstreifen wir lediglich stimmungsvolle Kulissen, hinter die zu blicken sich selten lohnt.
Fegefeuer der Möglichkeiten
Das klingt nach einem Verriss – ist es aber nicht, weil Dishonored bei allen erzählerischen Schwächen und verschenkten Chancen trotzdem Spaß macht; und meist sogar verdammt viel davon. Es lässt uns nämlich völlig freie Hand bei der Wahl der Meuchel-Methoden – und bei der Frage, ob wir überhaupt meucheln wollen. Theoretisch jedenfalls können wir das Spiel problemlos beenden, ohne einen einzigen Gegner zu eliminieren; praktisch hingegen macht gerade das kreative Eliminieren jede Menge Laune und lädt förmlich zum Experimentieren ein.
Die Wache da vorne steht uns im Weg? Okay, jetzt könnten wir sie aus dem Hinterhalt niederstechen oder per Schwitzkasten-Attacke schlafen legen – die simpelste Variante. Wir könnten aber auch in den Körper einer Ratte schlüpfen und über ein nahegelegenes Abwasserrohr einfach an ihr vorbeikrümeln. Oder wir schlüpfen gleich in den Körper der Wache, manövrieren sie in eine dunkle Ecke und schlüpfen– schwupps! – wieder hinaus, um dem bemitleidenswerten Tölpel eine überzubraten, bevor er überhaupt kapiert, was da gerade eigentlich passiert ist.
Oder wir feuern ihn mit einem Windstoß übers nächstbeste Treppengeländer. Oder jagen ihm einen ganzen Rattenschwarm auf den Hals. Oder legen ihn mit einem gezielten Armbrustschuss schlafen. Oder oder oder. Gut, natürlich könnten wir uns auch mit dem Schwert in der linken und Pistole oder Mini-Armbrust in der rechten Hand durch die Levels schnetzeln. Das macht durchaus Spaß, wird dem Spiel aber nicht gerecht, weil Munition knapp und Dishonored nun mal auf Heimlichkeit und Experimentieren ausgelegt ist.
Magie braucht Runen
Herzstück dabei ist das ebenso intuitiv-unkomplizierte wie motivierende Magiesystem. Insgesamt stehen uns sechs aktive Fähigkeiten in je zwei Ausbaustufen zur Verfügung – außerdem gibt’s noch fünf passive Fähigkeiten, die in ebenfalls zwei Ausbaustufen unsere Gesundheit erhöhen, die Geschwindigkeit steigern oder – ganz fies – getötete Gegner umgehend zu Asche verwandeln, damit wir die störenden Leichen nicht mehr umständlich aus dem Weg schaffen müssen.
Um eine Fähigkeit zu erlernen (oder sie auszubauen) benötigen wir Runen; davon gibt’s in jedem Level eine festgelegte Anzahl, die wir mit dem bereits erwähnten Herz aufspüren. Rüsten wir das nämlich aus, zeigt es uns automatisch an, wo genau die nächste Rune oder das nächste Knochenartefakt versteckt ist.
Was für ein Knochenartefakt? Gut, dass Sie fragen: Diese kleinen Dinger sind nützlich, weil sie uns passive Boni spendieren, also beispielsweise unsere maximale Gesundheit erhöhen oder den Fallschaden reduzieren. Die Suche nach den Anhängseln und Runen entpuppt sich als durchaus motivierend – leidet aber ein bisschen darunter, dass uns das Herz quasi die Arbeit abnimmt, wir also nicht das befriedigende Gefühl genießen, diese wichtigen Gegenstände tatsächlich selbst entdeckt zu haben.
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