Blair Witch im Test - Gruseliger Horror-Trip ohne spielerische Tiefe

Die Entwickler von Layers of Fear und Observer wollen uns erneut das Fürchten lehren. Dieses Mal gibt es aber mit Blair Witch einen Ausflug in ein bereits bestehendes Franchise.

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Blair Witch im Test Blair Witch im Test

Der Horrorfilm Blair Witch Project von 1999 ist bei Genre-Fans bis heute beliebt. Die damals noch neuartigen Found Footage-Aufnahmen einer wackeligen Handkamera haben so manchen Kino-Gänger in Angst und Schrecken versetzt und für einige Nachahmer gesorgt. 20 Jahre später versuchen sich nun die Layers of Fear-Entwickler von Bloober Team an der offiziellen Lizenz des Originals.

Das Horror-Adventure trägt den schlichten Titel Blair Witch und schickt uns auf der Xbox One in einen finsteren Wald, in dem die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn bald zu verschwimmen scheinen. Doch nicht nur die namensgebende Hexe lehrt uns das Fürchten. Auch die Psyche des traumatisierten Protagonisten Ellis sorgt für eine bedrückende Atmosphäre, die uns den ein oder anderen Schauer über den Rücken gejagt hat.

Found-Footage zum Selberspielen

Ellis schließt sich 1996 einer Rettungsaktion an, nachdem ein kleiner Junge spurlos in dem aus dem Film bereits bekannten Wald verschwunden ist. Bei seiner Suche nach dem vermissten Kind steht ihm der Schäferhund Bullet treu zur Seite. Gemeinsam wagen sie sich immer tiefer in den Wald hinein, während Ellis mehr und mehr in Wahnvorstellungen abdriftet.

Der von traumatischen Erlebnissen geplagte Ex-Polizist wird im Laufe des Spiels von immer schlimmeren Visionen und Halluzinationen geplagt, denn neben furchtbaren Erlebnissen im Krieg muss Ellis auch mit fatalen Fehlentscheidungen in seiner Karriere als Cop leben, die er nie verwunden hat und die ihn nun heimsuchen.

Besondere Orte wie dieses Holzfäller-Lager sind stets sehr stimmig in Szene gesetzt. Besondere Orte wie dieses Holzfäller-Lager sind stets sehr stimmig in Szene gesetzt.

Je weiter wir zusammen mit Bullet in Wald den Wald eintauchen, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen der Realität, dem Einfluss der titelgebenden Hexe und der instabilen Psyche des Protagonisten. Thematisch erinnert Blair Witch des öfteren an Hellblade: Senua's Sacrifice, auch wenn dessen erzählerische Tiefe nie erreicht wird.

Mit einem Spieldurchlauf seid ihr ungefähr vier Stunden beschäftigt. Es gibt jedoch mehrere Enden, die von eurem Verhalten und Entscheidungen an einigen Schlüsselstellen abhängen. Außerdem verstecken sich im Spiel viele verborgene Geheimnisse. Ein zweiter Durchgang lohnt sich also durchaus.

Von einem Hinweis zum Nächsten

So funktioniert das Gameplay: Auf der spielerischen Seite verbringen wir viel Zeit damit, den linearen, aber teils weitläufigen Wald zu erkunden. Das ist mitunter gar nicht so einfach, denn besonders bei Nacht ist es stockfinster und das Licht unserer Taschenlampe wird von der bedrückenden Dunkelheit schon nach wenigen Metern verschluckt. Dafür schützt uns das Licht gegen Angriffe von übernatürlichen Baum-Wesen, die durch Anleuchten vertrieben werden.

Neben konkreten Hinweisen zum Verbleib des Jungen, oder den obligatorischen Bauteilen für einen kaputten Strom-Generator, finden wir immer wieder Videokassetten, die mit einem Camcorder abgespielt werden können. Einige der Bänder verraten uns nicht nur neue Informationen, sondern können auch die Realität beeinflussen.

Mit dem Handy könnt ihr telefonieren und SMS empfangen. Viel wichtiger ist aber, dass ihr Snake spielen könnt! Mit dem Handy könnt ihr telefonieren und SMS empfangen. Viel wichtiger ist aber, dass ihr Snake spielen könnt!

Ein Video zeigt uns beispielsweise, wie jemand etwas unter einem großen Stein versteckt. Haben wir die entsprechende Stelle gefunden, stellen wir aber fest, dass der Fels viel zu schwer ist, um ihn anzuheben. Spulen wir nun aber die Aufnahme zurück, hebt sich auch der Felsbrocken vor unsere Augen und wir können den nächsten Hinweis erreichen.

Diese Idee ist grundsätzlich spannend, allerdings schaffen es die Entwickler kaum fordernde Rätsel damit zu entwerfen. Die meisten Denkaufgaben sind sehr simpel. Das gilt leider auch für die Interaktionen mit unserem Hund Bullet.

Kaum Gameplay, aber dafür mit Hund

Wir können ihm rudimentäre Befehle geben und ihn beispielsweise auf die Suche nach dem nächsten Hinweis schicken. Außerdem können wir ihn tadeln, oder streicheln. Wir müssen auch darauf achten, immer in seiner Nähe zu bleiben. Verlieren wir Bullet zu lange aus den Augen, kann Ellis Panikattacken bekommen, was besonders in stressigen Situationen zum Tod führen kann. Durch die kleinen Areale ist uns das allerdings nur passiert, wenn wir es provoziert haben.

Wie steht's um die Technik?
Sowohl auf der Xbox One (S), als auch auf der Xbox One X läuft Blair Witch meistens flüssig mit ca. 30 Bildern pro Sekunde. Ab und zu kommt es zu Rucklern. Auf der One X gibt es grafisch wenig zu meckern. Wenn ihr eine One S habt, müsst ihr aber mit Einbußen bei der Optik rechnen. Die Schatten sind spürbar niedriger aufgelöst und auch die Lichtstimmung kommt nicht so schick rüber, wie bei der großen Schwester.

Nennenswerte Bugs sind uns, bis auf Kleinigkeiten, beim Spielen nicht aufgefallen. Einzig die deutsche Übersetzung sorgt manchmal für Stirnrunzeln. Beispielsweise sprechen sich Ellis und seine Freundin in SMS-Nachrichten manchmal mit "Sie" an, oder der Befehl "pet" (dt.: streicheln) wird mit "Haustier" übersetzt. Die gesamte Sprachausgabe ist ausschließlich Englisch. Texte und Untertitel lassen sich auf Wunsch in Deutsch einblenden.

Das Befehls-Rad für Bullet ist eine coole Idee, die aber selten wichtig wird und damit eher unnütz erscheint. Das Befehls-Rad für Bullet ist eine coole Idee, die aber selten wichtig wird und damit eher unnütz erscheint.

Wenn wir Bullet loben und ihn kraulen, sieht das nicht nur niedlich aus, es verbessert auch die Beziehung zu unserem treuen Gefährten. Behandeln wir ihn schlecht, schimpfen mit ihm und bedanken uns nicht, nachdem er uns aus der Klemme geholfen hat, wird er uns im späteren Spielverlauf vielleicht nicht helfen, wenn wir es nötig hätten.

Die meiste Zeit bleibt Bullet aber leider nur eine coole Idee, aus der zu wenig gemacht wird. Viele Befehle, die wir ihm geben können, sind für das Vorankommen im Spiel unnötig. Er dient vor allem als seelische Unterstützung für Ellis. Die tollen Animationen des Hundes und kleine Kniffe, wie z.B. dass er uns durch Bellen vor drohenden Gefahren warnt, haben aber trotz mangelnder spielerischer Tiefe dafür gesorgt, dass uns der tierische Begleiter ans Herz gewachsen ist.

Waldspaziergang mit viel Atmosphäre

Das Gameplay von Blair Witch ist also kurz gesagt kaum der Rede wert. Wir tasten uns langsam durch den dunklen Wald und mit jedem neuen Hinweis erfahren wir, wo es als nächstes hingeht. Dort suchen wir wieder die Umgebung ab und so weiter.

Die große Stärke des Spiels ist stattdessen seine Atmosphäre, die uns von diesen eigentlich drögen Aufgaben ablenken.

Auf der Xbox One X sieht das Spiel nicht nur klasse aus, es hört sich auch großartig an. Die Soundkulisse versprüht mit knackenden Ästen, unheimlichen Geräuschen und einem dezenten, aber wirkungsvollen Soundtrack eine sehr dichte Grusel-Stimmung. Ihr solltet Blair Witch daher unbedingt mit Kopfhörern und natürlich im Dunkeln spielen.

Die Wahnvorstellungen von Ellis bringen ihn an Orte, an die er eigentlich nie wieder denken wollte. Die Wahnvorstellungen von Ellis bringen ihn an Orte, an die er eigentlich nie wieder denken wollte.

Beeindruckender Wahnsinn

Außerdem hat Bloober Team bei den Halluzinationen und Wahnvorstellungen von Ellis ganze Arbeit geleistet. Unter Stress passiert vor unseren Augen der blanke Horror. Wir finden uns urplötzlich an anderen Orten wieder, verlieren im Wahn ständig die Orientierung und die Stimme der Hexe liegt uns permanent im Ohr, während sie versucht uns flüsternd in die Irre zu führen.

So verwandelt sich zum Beispiel eine kleine Lichtung ohne Vorwarnung in einen Kriegsschauplatz, Kugeln schlagen neben uns ein und lassen uns um unser Leben rennen, bevor wir schlagartig wieder im Wald landen - neben dem verwirrten Bullet, der nicht versteht, was mit seinem Partner los ist. Nach und nach erfahren wir durch die Visionen immer mehr aus Ellis' Vergangenheit und lernen, warum ihn diese schrecklichen Illusionen plagen.

Blair Witch schafft es durch beeindruckende Halluzinationen und ein hervorragendes Sounddesign für viele gruselige Horror-Momente zu sorgen. Dafür müsst ihr aber auf ausgeklügeltes Gameplay verzichten. Das Spiel ist vor allem mit Titeln wie SOMA oder The Vanishing of Ethan Carter vergleichbar. Wenn euch diese Adventures und die Vorgänger-Spiele von Bloober Team gefallen haben, dann könnt ihr Blair Witch guten Gewissens eine Chance geben.

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