Rule of Rose (PS2, 2006)
Viel über den Inhalt von Rule of Rose zu verraten käme einem kleinem Verbrechen gleich. Es ist aber längst nicht das, was europäische Politiker in dem Spiel sahen. Noch bevor es großflächig durch den Publisher 505 Games veröffentlicht werden sollte, warf man Rule of Rose öffentlich Pädophilie vor.
Das Spiel würde angeblich sexuellen Missbrauch unter jungen Mädchen propagieren. Mit einer derartigen Rufschädigung wollte selbstverständlich kein Hersteller mehr etwas zu tun haben, und das Spiel kam nur in kleinen Stückzahlen in Umlauf. Dabei ist die Wahrheit weit davon entfernt und das Spiel wurde zum Beispiel von der USK mit einer 18er-Freigabe abgesegnet.
Rule of Rose hat in seiner Spielmechanik mit ein paar Problemen zu kämpfen, doch inhaltlich ist es eines der mutigsten Spiele, die das Genre je hervorgebracht hat. Es behandelt auf wunderbar poetische Weise die Verarbeitung von Traumata eines jungen Mädchens, die schreckliche Dinge in einem Waisenhaus erfahren musste.
Es geht um Mobbing, Machtspiele und, ja, auch um sexuelle Annäherungen. Doch die Abhandlung darüber ist differenziert und Einzelheiten sind eher der Spekulation überlassen. Das Spiel beschäftigt sich hinter seiner finsteren Fassade vornehmlich mit jugend- und sozialpsychologischen Hintergründen, ohne offen Gewalt zu zeigen. Andeutungen reichen, um weh zu tun. Es ist ein Gesamtkunstwerk, das lange nach dem Durchspielen im Gedächtnis bleibt und zum Nachdenken anregt.
Der Entwickler Punchline musste nach dem ungerechtfertigten Skandal seine Pforten schließen. Zuvor haben sie das wunderschöne Chulip entwickelt, in der ein Postbote auf der Suche nach der Liebe seines Lebens ist. Man kann nur mutmaßen, wozu Punchline heute in der Lage wäre, wenn sie die Chance auf Weiterentwicklung gehabt hätten.
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