Wanderstop im Test: Ein wunderbares Cozy-Adventure mit magischem Tee, schweren Themen und ganz viel Ruhe

Wanderstop mischt gemütliche Cozy-Elemente und Farming-Gameplay mit einer ernsten Story. Für wen sich das Story-Adventure lohnt, erfahrt ihr im Test.

Wanderstop im Test: Für wen lohnt sich das neue Story-Adventure? Wanderstop im Test: Für wen lohnt sich das neue Story-Adventure?

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Wanderstop ist das neue Spiel von Stanley Parable-Macher Davey Wreden, der hier als Director mitwirkt. Das Story-Adventure mit Farming-Elementen geht auf PS5, Xbox Series X/S und PC allerdings komplett andere Wege, als das eigensinnige Büro-Spektakel von 2013.

So viel vorneweg: Ihr bekommt hier ein tolles Spiel, das ernste Themen wie Burnout und Selbstzweifel erfolgreich mit entspanntem Cozy-Gameplay kombiniert. Nebenbei habe ich mich als Freund des Farming-Sim-Genres immer wieder ertappt gefühlt und mein eigenes Spielverhalten reflektiert. 

Wanderstop spielt geschickt mit meinen Erwartungen an vermeintliche Wahrheiten und hat mir deswegen richtig gut gefallen – es gibt aber auch ein paar Fallstricke, die euch bewusst sein sollten, um nicht durch falsche Ansprüche enttäuscht zu werden.

Trailer zu Wanderstop, dem neuen Spiel des Stanley Parable-Machers Video starten 1:52 Trailer zu Wanderstop, dem neuen Spiel des Stanley Parable-Machers

Worum geht’s in Wanderstop eigentlich?

Zu Beginn wird die Vorgeschichte von Protagonistin Alta erzählt. Diese hat ihr gesamtes Leben dem Training, Schwertkampf und Siegen gewidmet. Damit ist sie auch sehr erfolgreich. Ganze drei Jahre schafft sie es, als unbesiegte Legende durch die Schlachten und Arenen ihrer Fantasywelt zu ziehen.

Doch eines Tages endet ihre Siegesserie. Sie verliert und ist schwer enttäuscht von sich selbst. Allen Bemühungen zum Trotz, schafft sie es nicht mehr, sich aufzurappeln und beschließt, bei einer berühmten Lehrmeisterin Unterricht zu nehmen. Auf dem Weg dorthin bricht sie allerdings endgültig erschöpft zusammen und wird vom Teeladen-Besitzer Boro aufgesammelt.

Mit seiner ruhigen und besonnenen Art bringt er Alta bei, wie man Tee herstellt. Da ihr die Kraft zum Weiterkämpfen fehlt, bleibt die Protagonistin erstmal bei ihm, immer mit dem Ziel vor Augen, so schnell wie möglich loszuziehen, um wieder die Beste der Besten zu werden.

Für den Teeladen namens Wanderstop muss Alta künftig Zutaten im umliegenden Garten anbauen, Teeblätter sammeln, verschiedene Rezepte herstellen und Kundschaft bedienen. Dazu kommen viele Gespräche, witzige Nebenhandlungen und vor allem: ganz viel Eskapismus. 

Im Teeladen Wanderstop und dem umliegenden Garten spielt sich das gesamte Spiel ab. Im Teeladen Wanderstop und dem umliegenden Garten spielt sich das gesamte Spiel ab.

Denn was Wanderstop wirklich hervorragend macht, ist den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Es gibt kein Geld, keinen Zeitdruck, keine Events und ihr könnt auch nicht Unmengen an Ressourcen grinden, um irgendwelche XP-Balken zu füllen.

Ihr macht in mehreren Arbeitsschritten, wie das Erhitzen des Wassers mit einem Blasebalg, Tee mit der großen Maschine im Laden, redet mit NPCs und begleitet Alta in der Third-Person-Ansicht bei ihrer persönlichen Entwicklung. Das - und nicht mehr - ist Wanderstop.

Gartenarbeit, aber nur so viel, wie wirklich sein muss

Mechanisch bleibt das Spiel simpel, auch wenn die Zutatenlisten gegen Ende länger werden. Um euren Garten kümmert ihr euch mit Gießkanne, Heckenschere und Sammelkorb. Je nachdem, wie ihr Samen im freien Hexfeld-System anordnet, entstehen unterschiedliche Pflanzen – eine coole Mechanik, die Spaß macht und sich angenehm von gewohnten Schachbrett-Feldern vieler "Bauernhof-Sims" abhebt.

Wanderstop ist keine klassische Farming-Sim, obwohl ihr viel von dem macht, was auch in Story of Seasons und Co. wichtige Gameplay-Elemente sind. Es gibt aber einen sehr großen Unterschied: In Altas neuem Job geht es kein bisschen um Effizienz.

Wie schon erwähnt, gibt es kein Geld. Ihr verkauft den Tee zu Altas Verwunderung auch gar nicht. Wer einen Tee bestellt, bekommt ihn einfach und erzählt uns mehr über sich. Es gibt eine Hand voll Möglichkeiten den Laden und den Garten mit Blumen, Fotos und Krimskrams zu dekorieren, aber der einzige nennenswerte Fortschritt passiert auf der Erzählebene.

Gartenarbeit Je nachdem wie ihr Samen via Hexfeld einpflanzt, wachsen unterschiedliche Zutaten für eure Tee-Kreationen.

Tee kochen Mit der Tee-Maschine im Laden kocht ihr Wasser auf und werft eure Zutaten in den Kessel.

Gespräche In Gesprächen mit eurer Kundschaft lernt ihr mehr über die Charaktere und Alta selbst.

Zutaten horten und Lagerräume füllen, lohnt sich nicht. Zum einen ist die Zahl der Pflanzenarten überschaubar und zum anderen verliert ihr eure angehäuften Items regelmäßig beim Wechsel ins nächste Kapitel, inklusive fast aller eurer platzierten Dekorationen.

Ja, richtig gehört. Das bisschen Materialismus, den es in Wanderstop gibt, wird euch mehrfach weggenommen. Mich hat das im ersten Moment frustriert. Zu Beginn habe ich nämlich Zeit in Grind und Dekoration gesteckt. Als am entsprechenden Storypunkt das erste Mal alles verloren ging, war ich sauer.

Das hielt aber nicht lange, denn Alta beschwerte sich genau darüber bei Boro. Wozu dekorieren, wenn alles vergänglich ist? Boros Antwort hat direkt ins Schwarze getroffen: Nur weil etwas enden wird, kann man es sich doch trotzdem gemütlich machen, oder?

Kleine und große Geschichten mit emotionaler Tiefe

Im Laufe der Zeit wird Alta greifbarer. Während sie anfangs recht oberflächlich wirkt und auf eine einzige Eigenschaft reduziert wird, bekommt die ruhmeshungrige Kriegerin immer mehr Facetten - auch, in dem sie Tee trinkt.

Abseits der Kundschaft könnt ihr euch selbst jederzeit eine Tasse gönnen. Wenn sich Alta mit einem warmen Tee in der Hand auf eine der vielen Bänke im Garten oder vor einen knisternden Kamin setzt, reflektiert sie über ihr Leben. Jede Teesorte löst andere Gedanken in ihr aus und ich erfahre dadurch mehr über sie.

Alta kann sich jederzeit selbst eine Tasse Tee gönnen und reflektiert dabei über ihre Erfahrungen. Alta kann sich jederzeit selbst eine Tasse Tee gönnen und reflektiert dabei über ihre Erfahrungen.

Dazu kommen Storyfortschritte durch Zwischensequenzen und in Gesprächen mit der bodenständigen und überaus liebenswürdigen guten Seele des Hauses,  Boro, und der Kundschaft. Jeder NPC ist einzigartig und kommt mit eigenen Questlines, die sich teils über die circa 8-10 stündige Spielzeit in fünf Kapiteln strecken. 

Recht früh lernt Alta zum Beispiel Gerald kennen, der in einer Ritterrüstung steckt. Voller Tatendrang zog er hinaus in die Welt, um Abenteuer zu erleben, damit sein Sohn stolz auf ihn sein kann. Dabei stellt er sich allerdings ziemlich tollpatschig an und lässt sich von einer Hexe verfluchen.

Wenn ihr viel dekoriert und mit Teesorten experimentiert, könnt ihr nochmal ein paar Stunden drauflegen. Das ist nicht super lang, allerdings verliert die Hauptstory vor allem im letzten Drittel etwas Momentum und zieht sich, weil schon im Voraus absehbar ist, worauf das Spiel hinausläuft. Entscheidungen, die den Verlauf der Handlung maßgeblich ändern, gibt es nicht.

Ritter Gerald bringt viel Enthusiasmus mit, ist aber auch ein gutherziger Trottel. Ritter Gerald bringt viel Enthusiasmus mit, ist aber auch ein gutherziger Trottel.

Die Geschichten werden in meist unvertonten Dialogen (mit deutschen Untertiteln) vermittelt und sind in der Regel witzig geschrieben. Allerdings finden auch ernste Themen und Schicksale ihren Platz in der Welt von Wanderstop. Vor allem Altas persönliche Reise führt sie immer wieder zu finsteren Gedanken, mit denen sie lernen muss umzugehen.

Der Ton des Spiels balanciert erfolgreich zwischen ernsten Story-Segmenten und der ansonsten eher heiteren Fantasywelt, in der ich entspannt Pflanzen anbaue und manchmal auch gar keine konkreten Aufgaben habe. Genau wie Alta, muss auch ich als Spieler lernen, diese Ruhe anzunehmen und das Schöne darin zu sehen.

Warum spiele ich eigentlich gemütliche Cozy-Games?

Wanderstop untergräbt damit mein Farming-Sim-Hirn, das wie selbstverständlich erstmal auf Effizienz getrimmt war: "Wenn ich jetzt blaue Samen farme und die Regale damit voll klatsche, bin ich für später vorbereitet". Also ackerte ich, baute Pflanze um Pflanze an und füllte die Vorratskammern.

Aber eigentlich muss ich das gar nicht. Ich spiele trotz der teils ernsten Hauptstory ein Cozy-Spiel. Ein Genre, dessen Bezeichnung schon deutlich macht, dass ich mich entspannen sollte. 

Der wunderbare Boro unterstützt Alta dabei, mit sich selbst und ihren Problemen klarzukommen. Der wunderbare Boro unterstützt Alta dabei, mit sich selbst und ihren Problemen klarzukommen.

Wozu bauen wir in Stardew Valley riesige Industrie-Bauernhöfe auf? Warum muss ich in Story of Seasons mein Grundstück mit hässlichen Produktionsmaschinen pflastern? Und wieso google ich schon wieder danach, wie ich meinen Nachbarn am schnellsten glücklich machen kann?

Weil viele Spiele des Genres vielleicht nicht zwangsläufig, aber zumindest unterschwellig darauf ausgelegt sind, Gewinn zu machen, größer zu werden oder sogar ganz direkt Schulden abzubezahlen. Liebe Grüße an Tom Nook aus Animal Crossing.

Wanderstop verhindert das, weil es ohnehin kaum materiellen Fortschritt zu erwirtschaften gibt und weil es vermeintlich wichtige Aspekte wie Erfolg oder Fortschritt sowohl mit Altas Geschichte, aber auch mit dem Gameplay komplett in Frage stellt. Trotzdem bringt es motivierendes Farming-Gameplay mit, das mir viel Spaß gemacht hat.

Wenn Wanderstop eine Lebensweisheit wäre, dann wäre es "In der Ruhe liegt die Kraft". Erst als ich das verstanden habe und meine anfängliche Erwartungshaltung korrigieren konnte, habe ich mir selbst eine magische Tasse Tee gemacht, bin durch den Garten um den Teeladen geschlendert, habe mir die schönste Bank ausgesucht und mich zum Nachdenken hingesetzt. Einfach nur so, denn warum auch nicht?

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