Vane im Test - Ein Junge, eine Krähe und ein großes Problem

Das Indie-Adventure Vane möchte die Fackel von Titeln wie Journey oder Abzu weitertragen, bleibt in unserem Test jedoch stets im Schatten dieser Größen zurück.

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Vane sieht auf den ersten Blick wunderschön aus. Doch hinter der eindrucksvollen Hülle versteckt sich ein Haufen Bugs. Vane sieht auf den ersten Blick wunderschön aus. Doch hinter der eindrucksvollen Hülle versteckt sich ein Haufen Bugs.

Vane ist ein bisschen wie selbstdrehende Spaghettigabeln: Auf den ersten Blick eine gute Idee mit einem einleuchtenden Prinzip, in der Praxis klatscht jedoch mangels abgestimmter Mechanik die Sauce Bolognese innerhalb von Sekunden quer über die Tapete.

Genau so viele unerwartete Komplikationen hatten wir bei unserem Test zum Indie-Adventure Vane. Bugs, eine klobige Steuerung und eine wild umherschweifende Kamera sorgten immer wieder für Frustmomente in einem Spiel, das auf dem Papier (und in den ersten Trailern) nach einem würdigen Nachfolger für Journey aussah.

Sturmstimmung

Dabei fängt Vane durchaus vielversprechend an: In einem verheerenden Sturm kämpfen wir uns als kleiner Junge zu einer vermeintlichen Zuflucht, deren Bewohner uns jedoch die Tür vor der Nase zuschlagen. Das Bild wird schwarz, und einen Ladebildschirm später fliegen wir auf einmal als Rabe durch eine sonnendurchflutete, weite Wüste. Eine unerwartete aber willkommene Abwechslung nach der düsteren Endzeitstimmung aus dem Prolog.

Der Sturm im Intro steht im starken Kontrast zu der Weite der darauf folgenden Wüste. Der Sturm im Intro steht im starken Kontrast zu der Weite der darauf folgenden Wüste.

Die beiden Szenen stehen in starkem Kontrast zueinander, zeigen aber das, was nach den ersten Trailern für so viel Wirbel um das Indiespiel gesorgt hat: Eine fremde, bisweilen lebensfeindliche Welt, die im Begriff ist, zu verfallen oder bereits aus Ruinen besteht. Wer wir sind, was passiert ist, und was uns noch erwartet, soll nicht durch klassische Erzähler, sondern die Umwelt selbst erklärt werden.

Das gleicht im Prinzip Erfolgstiteln wie Journey, die auch ohne viele Worte auskommen. Und wie in Journey ging es den Entwicklern von Vane vor allem darum, ein Gefühl zu transportieren. Was ihnen in den ersten Minuten auch gelingt.

Der oben erwähnte Rabe fliegt sich wie ein kleines Segelflugzeug, und bei einer ganzen Wüste zum Üben lässt sich ohne Probleme ein Gefühl für den Vogel entwickeln. Wir steuern auf einen glitzernden Punkt in der Ferne zu und merken, dass sich dort der erste Teil eines Rätsels befindet. Wir müssen genügend andere Vögel um uns versammeln, um gemeinsam einen alten Wetterhahn zum Einsturz zu bringen.

Haben wir den ersten Rabenhort gefunden, leuchtet es woanders auf und zeigt uns so die Flugrichtung an. Während wir also einem blinkenden Punkt nach dem anderen folgen, lernen wir, wie sich der Rabe steuert und lösen das Wüstenrätsel, ohne uns besonders an der Hand (beziehungsweise am Flügel) gehalten zu fühlen. Der Flug über die Dünen ist fast schon meditativ und lässt uns träumen.

In der Wüste verstecken sich Wetterfahnen, an denen wir Raben zusammentrommeln können. In der Wüste verstecken sich Wetterfahnen, an denen wir Raben zusammentrommeln können.

Wie ein Nilpferd in Wackelpudding

Das Rätsel endet mit einer golden glitzernden Substanz auf dem Boden, die uns in einen Jungen verwandelt. Statt mit schillernden Schwingen zu fliegen, tapsen wir jetzt auf Kinderfüßen durch die Gegend. Das fühlt sich schon weitaus weniger frei an, vor allem, weil das Kind sich ungefähr so agil bewegt wie ein Nilpferd in Wackelpudding. Gerade auf weiten Flächen läuft der kleine Bengel oft so quälend langsam, dass wir uns unsere Flügel zurückwünschen.

Allerdings kommt die fehlende Mobilität mit einem entscheidenden Vorteil: Statt Flügeln haben wir jetzt Hände und können Schalter bedienen, die wiederum neue Türen öffnen. Zwischen Kind und Vogel können wir dabei beliebig oft wechseln. Der Vogel wird durch an bestimmten Punkten herumliegenden Goldstaub zum Kind, das Kind wird zum Vogel, wenn wir es einen Abhang hinunterstürzen.

Das klingt zunächst brutal, rettet dem Kind jedoch auch das Leben, wenn wir mal wortwörtlich einen Schritt zu weit gehen. Jede der beiden Figuren hat ihren eigenen Zweck. Wir lernen schnell: Mit dem Vogel wird erkundet, mit dem Kind gehandelt.

Wunderschön und nur für PS4 - Vane erinnert im Trailer an Journey Video starten 1:34 Wunderschön und nur für PS4 - Vane erinnert im Trailer an Journey

Damit haben wir auch schon das Grundprinzip von Vane erklärt. Der Vogel überfliegt die Gegend und sucht nach Lösungen für in der Welt versteckte Rätsel, das Kind wiederum bedient die Mechanismen, Schalter und Griffe.

Vogel wandelt, Kind handelt

Nach einer der insgesamt knapp vier Spielstunden wird das Zusammenspiel von Vogel und Kind wichtig: In einer weitläufigen Untergrundhöhle voller Plateaus und seltsamer Apparaturen befreien wir Vögel aus ihren Käfigen, schweben von Herausforderung zu Herausforderung und fühlen uns in der Raben-Kinder-Kombination wirklich flexibel.

Doch schon in der nächsten Höhle geraten Mechanik und Mischwesen an ihre Grenzen: Die Segelflugzeugsteuerung des Raben ist einfach nicht für enge Räume gemacht, wir fliegen immer wieder genau an den Dingen oder Plateaus vorbei, auf denen wir eigentlich landen wollten.

Und auch das behäbige Kind eignet sich nur bedingt für die Klettereinlagen, die uns im Spiel weiterbringen. Das sorgt für Frust, weil wir nicht sicher sein können, ob es an bestimmten Punkten wirklich nicht weitergeht, oder ob die Steuerung einfach zu unpräzise ist.

Das Kind ist nicht gerade die beweglichste aller Videospielfiguren. Das Kind ist nicht gerade die beweglichste aller Videospielfiguren.

Das gleiche gilt für die Kamera. In der Weite der Wüste fokussiert sie sich entspannt auf den Raben, nichts ist im Weg. In einer engen Höhle jedoch schwingt sie unkontrolliert hin und her und bleibt regelmäßig hinter Felsen, in kompletter Finsternis oder halb im Boden stehen. Dadurch stürzen wir nicht nur mit dem Kind öfter ab als wir wollen. Auch mit dem Raben verlieren wir regelmäßig die Orientierung, weil wir dank wild wirbelnder Kamera nicht mehr wissen, wo oben und unten ist.

Mit dem Kopf durch die Wand

Neben mangelnder Orientierung sorgt die Kamera noch für ein anderes Problem: Sie verbirgt des Rätsels Lösung. Eigentlich müssten wir in einem Spiel, das auf geschriebene Hinweise verzichtet und sie stattdessen in der Welt selbst versteckt, genau auf unsere Umgebung achten, um weiterzukommen. Zum Beispiel, wo sich Käfige mit gefangenen Vögeln befinden, die wir befreien sollen. Steckt die Kamera jedoch in einem Berg, sehen wir von der Umgebung rein gar nichts.

Das ändert sich auch im letzten Drittel des Spiels nicht, in dem die Wechselmechanik beinahe komplett außer Acht gelassen wird und wir einen Großteil des Levels damit verbringen, als Kind einen riesige Felskugel durch die Gegend zu rollen.

In diesem Teil traten auch die meisten Bugs auf, einige von ihnen so schwerwiegend, dass wir das Spiel verlassen und das Kapitel noch einmal komplett von vorne beginnen müssen: Mal versinken wir komplett im Boden, mal beibt der Rabe regungslos mitten in der Luft hängen, und mehr als einmal rollt die Felskugel einen Abhang hinunter und ward nie mehr gesehen. Das Spiel, das sich danach eigentlich zurücksetzen sollte, blieb einfach, wo es war.

In der Passage mit der Kugel wünschen wir uns sehnlichst in die Wüste zurück. In der Passage mit der Kugel wünschen wir uns sehnlichst in die Wüste zurück.

Während wir ratlos dem Orb hinterher in den Abgrund starren, rechnen wir unsere Spielzeit zusammen, die sich ohne Bugs wie diesen wahrscheinlich halbieren würde. In unseren knapp vier Stunden Spiel haben wir fünfmal neu starten müssen. Das erstickt die Spielfreude im Keim.

Das bessert sich auch gegen Ende nicht. Zwar bekommen wir hier ein bisschen mehr Action und sogar zarte Anflüge einer Hintergrundgeschichte, aber auch das hat seinen Preis: Im gleichen Maße, in dem das Finale die Effekte hochfährt, fährt es die Mechaniken zurück. Statt zu Rätseln folgen wir eigentlich nur noch einem bröckelnden Pfad. Was bleibt, ist das seltsame Gefühl, dass sich Vane gespielt hat wie ein Intro zu einem anderen Titel. Als würden wir die ganze Zeit auf etwas hinarbeiten, das jedoch nicht passiert.

Was ist hier eigentlich los?

Weder werden die Spielmechaniken an irgendeinem Punkt zusammengeführt, noch erfahren wir (egal ob direkt oder indirekt) genaueres über die Welt. Was passiert hier? Was ist das für ein Rabenkind? Und wo sind seine Rabeneltern? Auch nach dem Ende von Vane können wir keine dieser Fragen beantworten. Das Spiel gibt uns nicht einmal ansatzweise genug Informationen, um auch nur eine Theorie zu konstruieren.

Düster ist nicht immer gut: Um in den Höhlen sehen zu können, mussten wir die Bildschirmhelligkeit ordentlich hochdrehen. Düster ist nicht immer gut: Um in den Höhlen sehen zu können, mussten wir die Bildschirmhelligkeit ordentlich hochdrehen.

In Vane stecken Mechaniken, die viel Potenzial haben, zum Beispiel die Verwandlung vom Jungen in den Raben oder ein Orb, der unsere direkte Umgebung verändert und, wenn er klug eingesetzt wird, dadurch Brücken erschafft, wo vorher keine waren. Aber entweder werden die guten Ideen schon nach kurzer Zeit wieder fallengelassen oder stechen gar nicht erst heraus, weil der Frust über Bugs und Glitches alles andere in den Schatten stellt.

1 von 3

nächste Seite


zu den Kommentaren (5)

Kommentare(4)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.