Vorab-Test
Im März 2014 kam ein Sturm auf. Damals gab's im Multiplayer-Shooter-Segment eigentlich nur zwei große Player: Battlefield 4 lockte mit einer Mischung aus Teamplay und Koordination bis zu 64 Spieler in Massengefechte, wohingegen beim rasanten Call of Duty: Advanced Warfare vor allem Reflexe und motorische Präzision zählten.
Titanfall war mit einem Fokus auf vertikales Gameplay (im Klartext: Hüpfereien und Jetpacks), dem berüchtigten Burncard-System und nicht zuletzt den namensgebenden Titanen hingegen ein frischer Orkan, der die beiden Shooter-Kontrahenten aufwirbelte. Doch Titanfall gelang es aufgrund einiger Design-Stolpersteine nicht, sich als neue Marke zu etablieren - und verpuffte trotz guter Ansätze als laues Lüftchen.
Heute, im Jahr 2016, zwängt sich Titanfall 2 erneut zwischen Battlefield 1 und Call of Duty: Infinite Warfare - hat im Gegensatz zum Erstling aber nicht nur mehr Fleisch auf den Multiplayer-Rippen, sondern erstmals auch eine vollständige Kampagne. Und die hat Respawn Entertainment während unseres Besuchs zum Review-Event in London natürlich unter Trommelwirbel beworben.
Dabei betonten die Entwickler immer wieder die starke emotionale Bindung zwischen uns und unserem Mech-Begleiter BT, wie sehr Half-Life den Shooter prägte - und dass Titanfall 2 auch komplett ohne Zwischensequenzen eine packende Geschichte erzählen würde. Nach knapp 15 Stunden, die wir mit einer fertigen Version auf dem Event verbracht haben, wissen wir jedoch: Respawn liefert zwar ein gelungenes Shooter-Paket, kann aber nicht alle Versprechen halten.
Nicht das beste Drehbuch
Um eines vorwegzunehmen: Die Einzelspielerkampagne ist überraschend gut gelungen - allerdings nur, wenn man keine hohen Ansprüche stellt. Das gilt insbesondere für die eigentliche Geschichte, die aus der Schublade für »generische Storys mit noch generischeren Hauptfiguren« gezogen wurde. Das Industriekonglomerat IMC und die Widerstandsgruppe Militia liefern sich einen erbitterten Krieg um die Ressourcen auf dem Planeten Typhon.
Als angehender Militia-Pilot Jack Cooper liegt es an uns, den Drahtziehern der IMC das Handwerk zu legen und den Krieg zu beenden. Dabei zeichnet das Spiel den Helden sowie die Gegenspieler leider nur mit verdünnter Wasserfarbe. Jack Cooper bleibt für uns bis zum Schluss ein gesichtsloses Phantom in einer Soldatenrüstung, und auch bei den Bösewichten können wir uns, wenn überhaupt, nur noch an deren Namen erinnern - lediglich der deutsche Fiesling Richter blieb uns mit seinem markanten Akzent im Gedächtnis. Das allein zeigt, wie viel Potenzial bei der Story brachliegt.
Wesentlich mehr Mühe haben sich die Drehbuchautoren bei den Dialogen zwischen Cooper und BT gegeben. Die teils lustigen Gespräche lockern die Action angenehm auf und knüpfen ein Freundschaftsband zwischen den beiden Protagonisten. Tatsächlich wächst uns die plappernde Blechbüchse im Lauf der Zeit richtig ans Herz, was die Entwickler auch ausnutzen - ohne jetzt zu viel verraten zu wollen.
Doch auch BT bleibt hinter seinen Möglichkeiten als Persönlichkeit zurück. Berührende Situationen, in denen er etwa mit seinen pummeligen Roboter-Pranken das OK-Zeichen nachahmen möchte und dadurch menschlicher wirkt, gibt es viel zu selten. Beim Vergleich mit P-Body und Atlas aus Portal 2 oder dem schnatternden Auto K.I.T.T. aus Knight Rider zieht BT den Kürzeren.
Rasante Jump&Gun-Action
Immerhin: Wo die Kampagne bei der Story versagt, macht sie spielerisch fast alles richtig und überrascht uns mit abwechslungsreichen Umgebungen, die Wallruns und Sprungeinlagen kreativ ins Leveldesign miteinbeziehen. Da rauschen wir in der Luft über die Tragflächen von Kampfschiffen hinweg, kraxeln durch ein Raumschiffwrack, hüpfen im Zickzack durch einen Laborkorridor, während unter uns der Boden brennt, und schlittern auf Knien durch halb geschlossene Rollläden.
Gelegentlich gibt's sogar kleine Puzzle-Einlagen, wo wir Bauteile mit Kränen platzieren, um sie anschließend in unsere Parkourkünste einzubinden. An anderer Stelle springen und klettern wir in einer Fabrik über sich bewegende Plattformen, die nach und nach auf einem Fließband zu einem Miniaturdioarama zusammengebastelt werden.
Zu den Höhepunkten zählen jedoch jene Missionen, in denen wir mit dem sogenannten Arc-Device Schalter aus der Entfernung aktivieren, um Turbinen zu drehen oder Plattformen auszufahren - und das alles, während wir an schrägen Wänden entlangflitzen. Titanfall 2 lebt von diesem Flow, gleichzeitig peppen die Moves die typischen Shooter-Ballereien auf.
Wir können uns hinter Deckungsmöglichkeiten verschanzen, Feindgruppen mit Granaten ausräuchern und uns vorsichtig durch die recht linearen, häufig aber geräumigen Level kämpfen. Wir können aber auch von den vielen Abzweigungen, Wänden und Felsen Gebrauch machen, um die Vertikalität voll auszunutzen.
Schön dabei: Titanfall 2 zeigt den stupiden Moorhuhneinlagen eines Call of Duty den Mittelfinger und glänzt stattdessen mit wohl dosierten Kampfeinlagen und packenden Mech-Gefechten. Gelegentlich dürfen wir nämlich ins Cockpit von BT schlüpfen und die dicken Waffen rausholen. Im Laufe der insgesamt neun Missionen finden wir acht verschiedene Loadouts für unseren Kampfroboter - zielsuchende Raketenschwärme, knatternde Gatling-Kanonen und schneidende Lasergewehre inklusive.
Geübte Spieler ballern sich zwar in gerademal sechs Stunden zum Ende durch, doch es sind extrem abwechslungsreiche, mit Höhepunkten gespickte und durchweg motivierende sechs Stunden, die spielerisch kaum Wünsche offenlassen. Okay, die lahmen Bosskämpfe gehören zur Marke »stumpf draufhalten« ohne taktische Raffinesse, doch wer wirklich fordernde Gefechte will, der sollte ohnehin auf schwer spielen - oder gleich zum Multiplayermodus wechseln.
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