RoboCop: Rogue City will der ultimative Liebesbrief an den Cyborg-Cop sein. Zur besseren Einordnung dieses Artikels folgt nun ein Schwank aus meiner Jugend – ihr wisst schon, damals nach dem Krieg. Falls ihr nicht auf antike Geschichte steht, könnt ihr kommenden Absätze aber einfach überspringen. "Your move, creep.", um es mit RoboCop zu sagen.
Paul Verhoevens Action-Satire hat mich in meiner Jugend geprägt. Und das, obwohl ich den blutrünstigen Comic-Film für Erwachsene erst mit einiger Verspätung gesehen habe. Als der Streifen Anfang 1988 in die deutschen Kinos kam, war ich nämlich gerade mal elf Jahre alt. Aber damals gab es eine Alternative zum Kinobesuch, die ich auch bei anderen ab-18-Filmen immer wieder gerne nutzte: den überall frei erhältlichen Roman zum Film. Den Schmöker um den Blechbullen habe ich seinerzeit regelrecht verschlungen, und obwohl die satirischen Elemente der Geschichte damals noch nicht so recht zündeten, faszinierte mich die Action.
Ja, Action kann auch in Schriftform faszinieren, wenn man sich das Ganze im Kopf ausmalt. Ich weiß noch, dass ich gar nicht glauben konnte, dass all das Blutvergießen, was da im Buch beschrieben wird, tatsächlich in Filmform existieren sollte. Der Satz "Es ist wie in einer Spiel-Show: Dreh die Flasche, verlier deinen Arm", der Alex Murphy während seiner Ermordung durch den Kopf geht, hat sich beispielsweise irgendwie eingebrannt.
Doch in meinen kühnsten Träumen konnte ich mir nicht ausmalen, dass der Film das Buch noch einmal gewaltig übertreffen sollte. RoboCops ruppige "Dirty Harry"-Art, die Dinge anzugehen, untermalt von Basil Poledouris‘ fantastischem Superhelden-Soundtrack. Ein Gangster, der nach einem Säurebad tatsächlich schmelzend durch die Gegend stolpert. Wahnsinn!
RoboCop wurde zu einem Kultfilm, den ich mir mit Freunden verbotenerweise immer wieder auf Video anschaute. Die sehr viel später veröffentlichte Laserdisc mit einem damals sagenumwobenen Director’s Cut und noch mehr Gewalt entfachte das Feuer sogar neu.
Ihr könnt euch also denken, dass ich auf das neue RoboCop-Spiel sehr gespannt war. Vor allem, weil es vom Entwicklerstudio Teyon stammt, das mich mit Rambo: The Video Game bereits maßlos enttäuscht hat. Insgeheim bereitete ich mich also schon auf einen Robo-Verriss vor, der sich gewaschen hat. Doch stattdessen halten sich nachdem der Abspann über den Bildschirm gelaufen ist Freude und Enttäuschung ein wenig die Waage. Ich empfinde keinen Hass für das Spiel, wie ich es noch bei Rambo tat.
Das haben wir getestet: Uns lag für den Test eine Version des Spiels für die PlayStation 5 vor. Eine Gelegenheit, uns die Xbox-Series-Version anzuschauen, hatten wir bisher nicht.
Die Ein-Mann-Armee
Die Story von RoboCop: Rogue City setzt direkt nach dem zweiten Film ein: Cain alias RoboCop 2 ist besiegt, doch dessen Designerdroge Nuke geistert weiter durch Detroit. Wir schlüpfen in die Rüstung von RoboCop Alex Murphy, um eine Geiselnahme im Gebäude des Media-Break-TV-Senders Channel 9 mit blutiger Gewalt zu beenden.
Ihr wisst schon, was RoboCop eben so tut. Die Säuberungsaktion unter den bewaffneten und durchgeknallten Punks startet aber nicht etwa direkt mit einer Shooter-Sequenz, sondern gibt uns einen kleinen Vorgeschmack auf die Ausrichtung des Spiels: Wir stapfen gemächlich durch die Straßen vor dem Gebäude und reden mit der angerückten Polizei, bevor wir die TV-Station betreten und die mächtige Auto-9-Pistole aus dem Beinholster freigegeben wird. Rogue
City setzt nämlich stark auf eine semi-offene Spielwelt und Interaktionen mit den darin herumstehenden Figuren, doch dazu später mehr. Zunächst müssen wir rabiat werden, um die Perps, die den Sender eingenommen haben, in Stücke zu schießen. Denn das ist es, was RoboCop eben so tut.
Die Action erleben wir als klassischen Shooter. Und mit klassisch meine ich tatsächlich klassisch: laufen, zielen, ballern. Ohne Schnickschnack. Kein Ducken, in Deckung gehen oder sonstige Spielereien. Wie im Film stampft RoboCop behäbig durch die Levels, während die Gegner auf ihn losballern. Das hat beinahe etwas vom japanischen Militär, das immer und immer wieder erfolglos versucht, Godzilla mit Panzern aufzuhalten.
Polizeibrutalität
Robos Handfeuerwaffe, die Auto-9, ist mit unbegrenztem Munitionsnachschub gesegnet und haut ordentlich rein. Das Pixelblut spritzt bei jedem Treffer ordentlich. Treffen wir die Punks an den richtigen Körperstellen, platzen Köpfe oder es fliegen Arme durch die Gegend. Und wer glaubt, beispielsweise hinter einer Gasflasche in Deckung gehen zu können, endet schnell als riesiger roter Schmierfleck und findet sich in seine Einzelteile zerlegt über die Levelarchitektur verstreut.
Die immer wieder gebrüllte Reaktion "I lost my Hand!" erinnert amüsant an Steven-Seagal-Streifen wie Deadly Revenge, in denen verstümmelte Gegner ebenfalls laut heraus brüllen, was ihnen gerade widerfahren ist ("Du hast mir mein Bein weggeschossen!"). Das ist zwar im Grunde bescheuert, passt aber wunderbar zur Machart von Actionfilmen der späten 80er und frühen 90er. Und dazu zählt natürlich auch RoboCop.
Wir können auch die Knarren erledigter Gegner einsammeln, um eine Zweitwaffe zu haben, doch im frühen Spiel fragt man sich, warum man das tun sollte. Die Auto-9 bläst eigentlich alles weg, was sich uns in den Weg stellt. Was wollen wir da mit Schrotflinten oder gar herkömmlichen Automatikpistolen?
Erst später, wenn etwa schwer bewaffnete Söldner gegen uns ins Gefecht ziehen, ist es durchaus spaßig, sich ein schweres Maschinengewehr, eine Scharfschützenwaffe oder gar die Riesenknarre mit Explosivmunition zu schnappen, mit der Clarence Boddickers Gang im ersten Film versucht, Robo zu erledigen. Auch im unvermeidlichen Kampf gegen ED-209 (Nein, das ist kein Spoiler, denn ohne die klassische Konfrontation würde etwas fehlen) ist es ratsam, sich ein größeres Kaliber zu sichern.
Präsentiert in Robovision
Wer den Film kennt, erinnert sich an die RoboCop-Egoperspektive mit dem Röhrenmonitor-Zeilenfilter und durchlaufenden Textzeilen. Genau diese Robovision-Ansicht können wir durch Druck auf eine Schultertaste zuschalten – wie die übliche Zielfunktion in anderen Shootern, jedoch mit ein paar Zusatz-Features. So werden etwa Gegner durch grüne Umrandungen hervorgehoben, was im späteren Spielverlauf sehr nützlich ist, wenn etwa Rauchgranaten zum Einsatz kommen.
Auch Schwachstellen von größeren Bossgegnern werden so sichtbar. Und wenn gerade nicht geballert wird, funktioniert die Robovision als Interaktionsmöglichkeit mit der Umgebung. Wir müssen einige Male beispielsweise Tatorte untersuchen und dabei Dinge genauer unter die Lupe nehmen oder Fuß- und Blutspuren folgen, die nur in dieser Ansicht offenbart werden.
Was die Robovision allerdings nicht bietet, ist eine Thermoansicht, die durch Mauern hindurch geht. Wir erinnern uns etwa an die Geiselnahme im ersten Film, bei der RoboCop den Übeltäter zielgenau durch eine Wand hindurch ausschaltet. Das wäre im Spiel beim Stürmen von Räumen durchaus nützlich gewesen, um das Vorgehen zu planen: Einige Türen sind verrammelt und wir reißen sie auf, um die überraschten Gegner in einer kurzen Zeitlupensequenz aufs Korn zu nehmen.
Accessibility-Optionen: Rogue City verfügt außer mehreren Schwierigkeitsgraden über keinerlei Barrierefreiheits-Optionen. Auch die Tasten könnt ihr nicht frei belegen.
Oft gibt es dabei Geiseln im Raum, die erschossen werden, wenn wir den Typen mit der schussbereiten Knarre nicht schnell genug ausschalten. Aber vielleicht ist diese Thermofunktion einfach während der Ereignisse des zweiten Films verloren gegangen, in dem RoboCop demontiert und neu programmiert wurde. Manchmal verliert man ja auch im richtigen Leben mit Updates liebgewonnene Features von Spielen oder Geräten.
Semi-offene Welt nur semi-gut
Diese klassischen Shooter-Levels spielen sich generell genau so, wie man es von einem RoboCop-Spiel erwarten würde. Das Gefühl, eine schwere Maschine zu sein, die zum heroischen Soundtrack des Films unaufhaltsam durch die Gegnerreihen mäht, hat Entwickler Teyon wunderbar eingefangen.
Doch das böse Erwachen folgt direkt auf die Geiselnahme im Sendergebäude. Zwischen den Action-Abschnitten bewegen wir uns durch semi-offene Gebiete wie das Polizeirevier oder einen immer wieder bemühten Teil von Old Detroit und interagieren mit den Kollegen oder der Bevölkerung, um Nebenquests zu lösen. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Ein wenig Abwechslung vom Shooter-Alltag kann ja nicht schaden. Wenn ich dabei aber als RoboCop Strafzettel für Falschparker ausstellen oder durch das komplette Polizeirevier latschen muss, um Unterschriften für eine "Gute Besserung"-Karte zu sammeln, wähne ich mich irgendwie im falschen Film bzw. Spiel. Dass die Gesprächspartner dabei stocksteif herumstehen und keinerlei Gefühlsregung zeigen, hilft nicht unbedingt, es interessanter zu machen.
Upgrades durch Erfahrung
Diese Nebenquests sind zwar optional, bringen allerdings Erfahrungspunkte. Und die sind wichtig, um Robos Fähigkeiten zu erweitern: Auf einem Talentbaum investiert ihr Punkte, um Kampf, Panzerung oder Gesundheit zu verbessern. Das sind zumindest die wichtigsten Posten, in die ihr Punkte investieren solltet.
Dinge wie eine Abprallanzeige, wenn ihr in der Robovision auf einen in Deckung gegangenen Gegner zielt, um den Typen über Bande im Rücken zu erwischen, sind eine tolle Sache. Es gibt zwar noch Dinge wie Technik, Psychologie oder Deduktion, doch die sind eher nebensächlich und ermöglichen euch nur Dinge wie das Öffnen von einigen Safes oder verbessern euer Auftreten gegenüber anderen Figuren im Smalltalk. Kurios übrigens: Der Punkt "Scanning", also allgemeine Scan-Fähigkeiten, wurde im deutschen Menü stumpf mit "Scan läuft" übersetzt.
Auch für eure Knarre gibt’s übrigens einen Skill-Tree. Unterwegs findet ihr immer wieder Technikteile und Platinen für die Auto-9. Diese mit unterschiedlichen Prozentwertungen versehenen Teile könnt ihr auf den Platinen anordnen, um beispielsweise die Durchschlagskraft oder die Streuung eurer Pistole zu erhöhen.
Sie werden auf speziellen Punkten des Stromkreislaufs platziert, um den Strom weiterfließen zu lassen und die deaktivierten Vorteile freizuschalten. Dabei müsst ihr immer auf die Durchflussrichtung der Teile achten, denn in den verzweigten Kreisläufen finden sich auch Nachteilschaltungen, die Energie abziehen, wenn sie aktiviert werden. Das hört sich nun vielleicht kompliziert an, doch im Spiel ist es schnell erlernt. Zumal sich die Platinen für neue Versuche auch komplett zurücksetzen lassen.
Es hätte toll sein können!
RoboCop: Rogue City ist spielerisch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind da die spaßigen Shooter-Abschnitte, die gelegentlich Anflüge von Genialität zeigen. Beispielsweise wenn ihr zusammen mit einem SWAT-Team und gleich drei ED-209-Einheiten eine besetzte Bank stürmt und das Ganze zu einem Wettbewerb um die meisten Gangster-Abschüsse ausufert.
Doch anschließend muss man sich wieder durch die offeneren Gebiete quälen und für 08/15-Charaktere 08/15-Quests erledigen, die irgendwie nicht so recht zu RoboCop passen wollen. Die Gespräche und Aufgaben sind so seicht geschrieben, dass man angesichts der vielschichtigen Vorlage die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.
Es gäbe so viele Möglichkeiten, den satirischen Grundton des Films passend in die Quests und den generellen Spielverlauf einzubauen, doch abseits einiger zynischer Zoten findet sich nichts davon in Rogue City.
Lichtblicke sind die "Media Break"-Nachrichten, die zwar den Ton der Vorlage gut aufgreifen (ein lange verschollenes russisches Atom-U-Boot wird von US-Streitkräften versehentlich versenkt, doch Hauptsache für den Nachrichtensprecher ist, dass die US-Jungs wohlbehalten und gut gelaunt zurückkommen), aber viel zu selten vorkommen – und während unserer Testphase einen fiesen Bug aufweisen: In einem Einspieler soll eigentlich der Bürgermeisterkandidat eine Ansprache halten, doch den Mund zum Text bewegt der im Vordergrund eingeblendete Nachrichtensprecher.
Wie der Rest des Spiels übrigens in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln, die nicht immer wirklich passend übersetzt wurden. Immerhin fügt sich die Grundstory des Spiels um ein weiteres böses OCP-Projekt und den vermeintlich auf Rache sinnenden Bruder des eingangs erwähnten Gangsters, der vor laufender Kamera zerfließt, recht gut ins RoboCop-Universum ein. Daraus hätte sich tatsächlich ein spannender Film machen lassen.
Technik von gestern
Was RoboCop: Rogue City für den unbedarften Nicht-Fan allerdings das Genick bricht, ist die Technik. Da helfen dann auch die gelegentlich eingestreuten Zitate ("Dead or alive, you’re coming with me!") und kleinen Memberberries (Hey, das ist doch einer der Konzeptentwürfe aus »RoboCop 2!) nicht mehr viel.
Rogue City basiert auf der Unreal Engine 5, doch das mag man angesichts der ruckeligen und verwaschenen Optik des Spiels eigentlich nicht wirklich glauben. Mein Test startete auf der PS5 im Qualitätsmodus, doch da sich das als nahezu unspielbar erwies, wechselte ich schnell in den Performance-Modus. Der ruckelt und zuckelt zwar auch gelegentlich, doch ist immerhin spielbar. Und wirkliche Unterschiede in der Grafikqualität muss man ohnehin mit der Lupe suchen, denn eine Schönheit ist das Spiel in keinem der beiden Modi.
Es erinnert mich ein wenig an Titel aus der PS3-Ära. Ja, der Vergleich wird gerne zu Unrecht gemacht und ist insgesamt vielleicht etwas übertrieben, doch die totgesichtigen, stocksteifen Charaktere und die in den Zwischensequenzen oft etwas matschige und von Artefakten geplagte In-Game-Grafik erinnern eher an die PS3 als die PS4.
Und dann gibt es ab und an auch richtig schicke Abschnitte wie etwa den (gewollt) matschigen Steinbruch. Das Entwicklerstudio Teyon hätte sich wohl etwas eingehender mit der Unreal-Technik beschäftigen und vor allem mehr Budget aufbringen müssen.
In seiner finalen Form ist RoboCop: Rogue City ein B-Titel mit Tendenz zu C, der aber immerhin Fans der Vorlage mit seinen spaßigen Shooter-Passagen bei Laune halten dürfte. Man merkt zu jeder Sekunde, dass die Entwickler Fans sind und der Wille da war, ein gutes Spiel zu schaffen. Das allein reicht aber nicht. Wer sich nicht als RoboCop-Fan bezeichnen würde und mehr von einem Shooter erwartet, als sich bewegen und schießen zu können – und möglicherweise sogar etwas höhere Ansprüche an die Technik stellt –, sollte eindeutig die Finger davon lassen. Der Rest greift nach dem Motto "Ich glaub, das kauf ich für ’n Dollar!" ebenfalls lieber bei einem Sale zu und sollte auch dann nichts Großes erwarten. So wird man angenehm überrascht und hat am Ende durchaus Spaß mit dem problemgeplagten Spiel.
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