"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen," hat Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt einst empfohlen. Ian, der Protagonist des Action-Adventures Past Cure, ist diesem Ratschlag gefolgt. Geholfen hat ihm der Gang zum Onkel Doktor bislang allerdings nicht. Seit 18 Monaten plagen den Ex-Elitesoldaten seltsam reale Alpträume. Männer aus Porzellan und mit rotglühenden Augen verfolgen und töten ihn - jede Nacht. Auf Empfehlung seines Bruders und Arztes Markus wirft er sich blaue Pillen ein, die das Dasein irgendwie erträglich machen. Doch er muss der Ursache seiner sonderbaren Visionen auf die Spur kommen - und herausfinden, wer die junge Frau aus seinem letzten Traum ist.
Zahmer Einstieg, spannende Entwicklung
Die Geschichte von Past Cure beginnt mit einer verstörenden Alptraumsequenz. Recht bald erfahren wir, dass Experimente einer militärischen Organisation die Leiden von Ian auslösen. Aber mehr als nur das: Sein geplagtes Hirn besitzt nun nämlich auch besondere Fähigkeiten. Er kann sich so stark fokussieren, dass sich alles um ihn herum scheinbar langsamer bewegt. Zudem ist er in der Lage, seinen Körper zu verlassen, wie ein Geist durch die Umgebung zu fliegen und bestimmte Objekte zu manipulieren. Das klingt unrealistisch? Stimmt! Aber um Glaubwürdigkeit geht es Past Cure auch gar nicht. Hier begleiten wir einfach einen Ex-Soldaten, der die Wahrheit herausfinden will. Was genau hat man ihm angetan und wer ist dafür verantwortlich?
Doch auch wenn die Geschichte anfangs doof klingt und einen auch nicht so recht ins Spiel zieht, geht es schnell bergauf. Während wir uns mit Ian zu einem der vermeintlichen Verantwortlichen durchschlagen, steigt auch unser Interesse am Protagonisten. Aber nicht nur an ihm, sondern auch daran, wer die Frau aus seiner letzten Vision ist - und ob vielleicht auch Ians Familie in irgendeiner Form in die Sache verstrickt ist. Begriffe wie packend oder hollywoodreif wären für Geschichte und Inszenierung gewiss übertrieben. Spannend ist sie jedoch allemal.
Stilles Schleichen, schnelles Ballern
Past Cure legt nach dem durchwachsenen Einstieg auch spielerisch zu. Ganz so lang hätten wir uns zwar nicht durch sehr ähnliche Räume eines Parkhauses in ein Hotel vorkämpfen müssen, aber immerhin gibt's spielerische Vielfalt. Geduckt schleichen wir von hinten an Wachen heran und schalten sie aus. Damit niemand den Anschlag bemerkt, nutzen wir Ians Konzentrationsfähigkeit, um quasi einen Zeitlupenmodus auszulösen. So bewegen wir uns schneller als die Wachen und erledigen sie, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Die stark an die Bullettime aus Max Payne angelehnte Zeitlupe hilft aber vor allem im Kampf.
So nehmen wir auf Wunsch in denselben Szenen die Gegner mit dieser Fertigkeit aufs Korn, bevor sie das Feuer auf uns eröffnen. Außerhalb der Deckungen sollten wir uns trotzdem nicht aufhalten. Ian beißt schon nach wenigen Treffern ins Gras. Wenn wir das beachten, müssen wir von den heilenden Adrenalinspritzen, die wir in der Umgebung finden, so gut wie nie Gebrauch machen.
Die Schießerei, die in späteren Levels meist Pflicht ist, löst grundsätzlich Alarm aus und ruft damit weitere Wachen auf den Plan. Manche stürmen schnurstracks auf uns zu, um uns im Nahkampf die Faust auf die Nase zu geben. Die meisten verfügen hingegen über Pistolen (später auch mit besonders zielsicheren Laservisieren), Maschinenpistolen oder Schrotflinten. Aber auch trotz der in begrenzter Zahl nachrückenden Gegner bewältigen wir die einzelnen Abschnitte ballernd meist erheblich schneller als im Schleichmodus. Spaß macht beides! Gerade die Stealth-Mechanik offenbart aber die KI-Schwächen. Wachen laufen stupide ihre Patrouillenrouten ab oder drehen sich auffällig in Vierteilschritten auf der Stelle. Das macht sie für uns berechenbar, steigert aber nicht den Anspruch.
Überwachungskameras schalten wir mit der sogenannten Astralsicht aus. Dabei lösen wir uns per Knopfdruck aus Ians Körper und schweben durch die Levels. Das hilft auch, um die Laufrouten der Gegner zu studieren, ohne entdeckt zu werden. Mangel an Munition haben wir indes nie. Auch die psychische Energie, die wir mit blauen Pillen maximal aufladen, ist auf dem normalen Schwierigkeitsgrad mehr als ausreichend. In Kampfpausen lädt sich diese Energie sogar automatisch auf ein Viertel wieder auf, die Trefferpunkte bei entsprechender Wartezeit sogar vollständig. Wirklich herausfordernd wird Past Cure deshalb nur auf den höheren Schwierigkeitsgraden, von denen ihr "Nightmare" erst noch freischalten müsst. Ein Spaziergang ist Past Cure aber zu keiner Zeit. Spätestens der Endbosskampf ist ohne Ians Fertigkeiten und die richtige Taktik kaum zu bewältigen.
Schicke Grafik, wenig Abwechslung
Was die Unreal Engine 4 kann, hat nicht erst Hellblade bewiesen. In Past Cure seht ihr das Potenzial jedoch nur zum Teil. In einem alten Gefängnis (ein späteres der sieben Kapitel) kommen die starken Licht- und Schatteneffekte oder die gestochen scharfen Texturen zur Geltung. Letzteres allerdings nur, wenn ihr innehaltet. Denn Past Cure übertreibt es mit dem Gebrauch von Unschärfeeffekten. Was in vielen anderen Spielen in der Bewegung besser aussieht als im Standbild, leidet hier unter der künstlichen Unschärfe. Hinzu kommen diverse Filtereffekte, die Past Cure zwar einen künstlerischen Look verleihen, aber ebenfalls die sichtbare Grafikqualität reduzieren.
Generell schwach sind die Charaktermodelle. Dass eine Wache der anderen oft wie aus dem Gesicht geschnitten ist, stört uns wenig. Das dient schließlich auch der Unterscheidung der einzelnen Gegnertypen. Aber dass auch Ian selbst eine so hölzerne, praktisch ausdruckslose Mimik an den Tag legt, fördert die Identifikation mit ihm oder das Mittendringefühl nicht. Schuld an der spartanischen Mimik dürfte das Budget des Indiestudios Phantom 8 sein. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb zwar ausnahmslos deutsche Sprecher zum Einsatz kommen, diese das Spiel allerdings ausschließlich auf Englisch vertonen. Auch hierzulande bekommt ihr also lediglich deutsche Bildschirmtexte. Das ist schade, aufgrund der vergleichsweise geringen Menge an Dialogen aber letztlich verschmerzbar.
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