Kaum ein Spiel hat seit dem Start der Entwicklung vor sieben Jahren solch ein Auf und Ab erlebt, wie Stalker 2. Wir erinnern an die zahlreichen Verschiebungen, den vielen äußerst negativen Ersteindrücken und vor allem die Entwicklung des Open World-Survival-Shooters unter enorm schweren Bedingungen inmitten des Ukraine-Kriegs. Doch vor wenigen Wochen sah beim erneuten Anspielen alles danach aus, als könnte Entwickler GSC Game World aller Widrigkeiten zum Trotz einen potenziellen Hit auf Xbox Series X/S und PC bringen.
Doch von dieser positiven Einschätzung ist unsere Testversion auf der Xbox Series X – und auch die PC-Version, die GameStar-Kollegin Natalie gründlich unter die Lupe genommen hat – meilenweit entfernt.
Zwar kann Stalker 2: Heart of Chornobyl in seinen besten Momenten für reichlich Spielspaß sorgen und es schimmert immer wieder durch, warum wir bereits im 17 Jahre alten Vorgänger so gerne durch die feindselige Sperrzone rund um das Atomkraftwerk in Tschernobyl gestreift sind. Ein desolater technischer Zustand, einige grobe Schnitzer im Spieldesign und obendrein eine äußerst unschöne Preorder-Politik führen jedoch dazu, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Kaufwarnung aussprechen müssen.
Hier könnt ihr direkt zu den Punkten springen, die euch interessieren:
- Für Neulinge: Was ist Stalker für ein Spiel?
- Zum großen Bug-Report
- Abseits der Technik: Die größten Baustellen von Stalker 2
Vollkommene Transparenz: Da ein mittlerweile verfügbarer Day 1-Patch zu spät während der Testphase erschienen ist, vergeben wir heute noch keine Testwertung, sondern lediglich eine Wertungstendenz.
Hinzu kommt, dass wir unser Testmuster erst eine Woche vor Fall des Embargos erhalten haben. Um uns ein finales Urteil bei einem 100 Stunden Brocken zu bilden, reicht diese Zeit schlicht nicht aus. Daher ist aktuell geplant, dass wir den Patch ganz genau unter die Lupe nehmen und am kommenden Montag diesen Artikel mit unseren weiteren Eindrücken und einer finalen Wertung aktualisieren.
Für Neulinge: Was ist Stalker 2 überhaupt für ein Spiel?
Damit ihr unsere Kritikpunkte besser einordnen und verstehen könnt, wollen wir diejenigen unter euch, die Stalker: Shadow of Chernobyl nicht gespielt haben, kurz abholen. Seid ihr, was Stalker 2 anbelangt, bereits bestens im Bilde, geht’s hier weiter.
Stalker 2 ist grob zusammengefasst ein Open World-Shooter aus der Ego-Perspektive mit Survival-Mechaniken wie Essen und Schlafen. Hinzu kommt, dass euch das Spiel beim Abschließen von Missionen viele Freiheiten einräumt, Stichwort Sandbox. Arbeite ich für die eine oder die andere Fraktion? Nehme ich das Risiko in Kauf und töte einfach den Auftraggeber und seine Bande, um direkt an die Belohnung zu kommen? Schleiche ich mich durch die gegnerische Basis oder lauere mit dem Scharfschützengewehr im Anschlag auf einem nahen Hügel?
Gespielt wird dabei Skif, ein ganz normaler ukrainischer Bürger, der unweit der “Zone” rund um die 1986er Reaktorkatastrophe von Tschernobyl lebt. Mehr zur Story später, wichtig ist hier jedoch vor allem, dass wir einen an der Waffe ungeübten Normalo spielen, für den die 60 km² große und teils radioaktiv-verstrahlte Spielwelt komplettes Neuland ist.
Das ist vor allem wichtig, da sich Stalker 2 dementsprechend auch so spielt und auf einen erhöhten “Realismusgrad” setzt. Skif steckt ohne verbesserte Ausrüstung lediglich 2-3 Treffer ein, kann aufgrund eines Gewichtslimits nur begrenzt Waffen, Heilmittel und generell Gegenstände tragen und ist wahrlich kein Rambo. Keiner von denen, die mal eben eine Horde von Mutanten oder feindlichen Soldaten ins Jenseits befördert. Jeder Feindkontakt kann schnell zum Tod führen. Hinzu kommt, dass (ähnlich der Metro-Spiele) Munition eine enorm rare Ressource ist und jeder Fehlschuss schmerzt.
Stalker 2 hat daher keinen klassischen Action-Anstrich wie beispielsweise ein Cyberpunk 2077, wo ihr eure Machtfantasie ausleben könnt. Die “Zone” ist durch tödliche Anomalien wie auf dem Boden zuckende Blitze oder plötzlich auflodernde Feuersäulen und durch seine vielen feindseligen Bewohner euer größter Gegner und vor jeder Mission müsst ihr euren Loadout clever wählen. Eine Charakter-Progression via Stufenaufstiege gibt es übrigens nicht. Skif wird stärker, indem er neue Waffen, Rüstungen und Artefakte findet.
Ein desolater technischer Zustand
Was in unserer kurzen Zusammenfassung richtig cool klingt und sich, wenn einmal alles rund läuft, auch überaus spaßig spielt, rückt durch technische Mängel jedoch stark in den Hintergrund.
Zur Aufteilung des Bug-Reports: Zunächst gehen wir auf die Bugs ein, die sich massiv auf das Spielen von Stalker 2 auswirken. Weiter unten führen wir euch dann Probleme auf, die zwar äußerst unschön sind, für uns im Test jedoch weit weniger gravierend auf den Spielspaß gedrückt haben.
Probleme, die sich direkt auf das Spielen von Stalker 2 auswirken
Sound
- Soundaussetzer von Waffen und NPC-Dialogen
- falsche Soundkulisse wird abgespielt
- Geräusche werden permanent im Loop abgespielt
Dass wir Probleme mit dem Sound an allererster Stelle nennen, kommt nicht von ungefähr. In einem Stalker-Spiel ist es enorm wichtig, die gefährliche Umgebung beim Auskundschaften einschätzen zu können. Das gelingt aber nicht, wenn uns Feinde beim Plündern einer kleinen Scheune laut ins Ohr brüllen, obwohl sie eigentlich hunderte Meter weit entfernt einen Kampf zwischen zwei Fraktionen austragen. Solche Momente beim Erkunden der Spielwelt, in denen eine falsche Soundkulisse abgespielt wird, irritieren nicht nur enorm, sie machen auf Dauer salopp gesagt regelrecht kirre.
Werden beispielsweise Waffensounds nicht abgespielt, stellt sich zudem die Frage, ob sich eine Patrone im Lager verkeilt hat – das kann durch Abnutzung der Waffen durchaus passieren – oder wir es mit einem Bug zu tun haben? Solche Probleme mit dem Sound führen letzten Endes dazu, dass wichtige Survival-Aspekte nicht mehr funktionieren.
HUD
- Flackern der Kompass-Anzeige
- permanentes Verschwinden des HUD
Orientierung ist in einer solch massiven Spielwelt wie der von Stalker 2 enorm wichtig. Oft platzieren wir Marker auf der Karte, um uns von A nach B zu bewegen oder Gefahrenbereiche wie verstrahlte Gewässer zu umgehen.
Fängt dann in regelmäßigen Abschnitten der Kompass am oberen Bildschirmrand bis zur Unkenntlichkeit an zu flackern oder wird nach Cutscenes oder Dialogen das komplette HUD bis zum Neustart ausgeblendet, drückt das enorm auf die Nerven und den Spaß. Gerade zu Spielbeginn wussten wir oft nicht, welches Item auf der Schnellzugriffsleiste wo liegt. Erwischen wir dann im entscheidenden Moment statt des Medikits den vor Strahlung schützenden Wodka, ist’s um Skif geschehen.
Abseits einer für Current-Gen-Verhältnisse mit 25 Sekunden recht üppigen Ladezeit, droht beim Laden des Spielstands aber keine weitere Bestrafung.
Gegnerverhalten
- Gegner spawnen direkt neben uns
- Gegner in der Ferne sind nicht sichtbar
- mangelhafte KI, speziell von Mutanten und Tieren
- Telekinese-Fähigkeit eines Mutanten, welche uns die geführte Waffe aus den Händen reißt, die im schlimmsten Fall durch den Boden clippt
- Gegner stecken in der Umgebung fest
In den besten Momenten flankieren uns Feinde, schmeißen gezielt Granaten und setzen uns so unter Druck, dass wir ordentlich ins Schwitzen kommen. Dank verschiedener Trefferzonen und gutem Trefferfeedback machen Gefechte mit menschlichen Gegnern dann richtig viel Spaß. Doch solche Kämpfe sind selten.
Oft stand uns nur der Angstschweiß auf der Stirn, weil ein entstellter Mutant urplötzlich aus dem Nichts neben uns gespawnt ist. Hinzu kommt, dass Feinde speziell in offenen Gebieten lediglich in einem nahen Umkreis von 10 bis 20 Meter existieren und sonst nicht sichtbar sind. Als Sniper zu spielen war dadurch gar nicht erst möglich. Hinzu kamen enorme KI-Schnitzer, wodurch Tiere und Mutanten formelhaft in gerader Linie auf uns zu liefen oder Feinde öfter in der Umgebung festhingen.
Performance
- enormes Ruckeln in einzelnen Gebieten
- ruckelnde Cutscenes und Standbilder
- im Performance-Modus eher 45-50 fps
In Stalker 2 können wir auf Xbox Series X zwischen einem Performance-Modus (Ziel-Framerate von 60 fps) und einem Qualitäts-Modus (Ziel-Framerate von 30 fps) wählen. Die Series S-Version bietet lediglich einen 30 fps-Modus, den wir aber noch nicht testen konnten.
In dem von uns bevorzugten Performance-Modus bewegt sich die Framerate meist um die 45 bis 50 fps, was wahrlich nicht optimal ist, aber auch nicht unspielbar. Richtig problematisch wird es jedoch, wenn die Bildrate in manchen Gebieten (wie beispielsweise dem SIRCAA-Komplex im Nordosten der Zone), in Kampfsequenzen oder Cutscenes bis zum Standbild in die Knie geht und wir uns minutenlang durchs Spiel ruckeln.
Im Qualitätsmodus zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei 30 fps ein bisschen konstanter gehalten werden. Tauchen viele NPCs auf oder durchstreifen wir aufwendig gebaute Areale, sind Drops auf 25 fps möglich, gelegentlich sogar weniger. Diese Einbrüche wiegen dann natürlich besonders schwer. Ideal läuft also keiner der beiden Modi.
Questbugs
Auch die Missionen bleiben nicht von Problemen verschont. So sind uns einige Nebenquests begegnet, die wir nicht abschließen konnten. Mal konnten wir Gegenstände nicht platzieren oder Feinde nicht ausschalten, weil sie uns weiter als lebendiges Ziel markiert werden, obwohl sie schon tot waren. Selbst Hauptquests mussten wir wenige Male neu starten, weil uns beispielsweise ein NPC die Tür blockierte.
Einem kompletten Plot-Stopper sind wir und auch GameStar-Kollegin Natalie nach 70 Stunden zwar noch nicht begegnet. Dass aber dennoch so viele Neben- wie auch Hauptmissionen zum Release von solch schwerwiegenden Bugs betroffen sind, darf ebenfalls einfach nicht sein.
Weitere technische Probleme
Wie versprochen, führen wir euch nachfolgend weitere Punkte auf, die zwar ebenfalls auf den Spielspaß drücken, jedoch nicht ganz so schwer wie die oben genannten.
Optik
- Motion Blur sorgt für verwaschenes Bild und lässt sich nicht deaktivieren
- grafische Qualität und Animationen schwanken stark
- teils kaputte Beleuchtung
Stalker 2 kann ein richtig stimmiges und hübsches Spiel sein. Befinden wir uns in spärlich ausgeleuchteten Kellern oder wandern bei tosendem Sturm durch die Zone, sieht das klasse aus! Zur ganzen Wahrheit zählt aber auch, dass wir dank permanent aktiven Motion Blur in Bewegung stets ein leicht verzerrtes und unscharfes Bild vor uns haben.
Einige Gebiete muten zudem mehr wie ein Spiel an, das zu Beginn der Last-Gen oder gar früher erschienen ist. Texturen werden hier zu niedrig aufgelöst oder die Beleuchtung ist so kaputt, dass Haare nur noch als weiße Mütze dargestellt werden.
Auch in puncto Animationen schwankt das Spiel enorm. Sehen Gesichtsanimationen von wichtigen NPCs richtig klasse aus, erinnern Gespräche mit normalen Händlern oder Auftraggebern mehr an die altbackenen Standbild-Dialoge aus Starfield.
Weitere Bugs
- gelegentliche Abstürze
- NPCs und Gegenstände clippen durch die Spielwelt
- NPCs machen die berüchtigte T-Pose
- Gegner “fliegen”
- Körperteile befinden sich in Cutscenes am falschen Platz
- Ausdauer wird deaktiviert
Ansonsten bietet Stalker 2 ein Best of all der Macken, die euch in zahlreichen Open World-Spielen von Skyrim über Cyberpunk 2077 sicher schon einmal begegnet sind – und bei denen wir in weit geringerem Umfang bei solch massiven Spielen zum Release noch soeben ein Auge zudrücken können. Stalker 2 sprengt jedoch die Grenzen des Erträglichen.
Von häufigen Clipping-Fehlern bis zu NPCs, denen der Kopf falsch herum auf dem Hals sitzt, ist Stalker 2 voll von solchen Bugs. Dabei waren einige so wild, dass wir sogar herzhaft lachen mussten – etwas, was wir in jedem anderen Spiel vielleicht begrüßt hätten, der Atmosphäre von Stalker 2 aber eher schadet. In solchen Momenten den Dialogen zu folgen, ist ebenfalls kaum möglich. Was beispielsweise in der unten gezeigten Cutscene besprochen wurde, wir können es euch nicht sagen, zu abgelenkt waren wir von der Gruselparade.
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