Bei Moons of Madness dürften Horrorfans sofort wissen, was auf sie zukommt: Ist von H.P. Lovecraft und seinem Cthulhu-Mythos die Rede, dann sind übernatürliche Tentakelmonster und schleichender Wahnsinn nicht weit. Videospielen, die von den Kurzgeschichten des Kultautors inspiriert sind, nutzen in den meisten Fällen ein archetypisches Story-Muster: Normalerweise ist man im Neuengland der 1920er-Jahre als Detektiv mysteriösen Machenschaften auf der Spur und verliert dabei zunehmend den Verstand.
Das Horror-Adventure Moons of Madness probiert mal einen anderen Zugang. Es verabschiedet sich aus den düsteren Herrenhäusern und übersiedelt die Lovecraftschen Mythen auf eine Forschungsstation auf dem Mars. Inhaltlich hat der Umzug auf den roten Planeten geklappt, spielerisch gibt es dort aber nur Altbekanntes zu sehen.
Alltags-Simulator für Astronauten
In Moons of Madness schlüpfen wir in die Rolle von Shane Newehart, der auf der Marsstation Trailblazer Alpha seinen Dienst versieht. Dort werden im Auftrag des Wissenschaftskonzerns Orochi Experimente an Pflanzen und Tieren vorgenommen, um zu testen, ob sich der rote Planet als Lebensraum eignet. Shane sorgt als Ingenieur dafür, dass die Technik des Ladens läuft, während eine kleine Gruppe an Wissenschaftlern Forschungsdaten zur Erde schickt.
In letzter Zeit häufen sich aber die Probleme: Systeme fallen aus, ein riesiger Sandsturm kündigt sich an, das Team klagt über Albträume, und noch dazu hält sich hartnäckig das Märchen einer schwarzen Hexe, die auf dem Mars ihr Unwesen treiben soll.
Moons of Madness macht es sich an der Grenze zwischen Adventure und Walking-Simulator bequem, und gerade deswegen ist das Astronautenleben ziemlich glaubwürdig. Anfangs bekommen wir etwa per Funk den Auftrag, die externe Solaranlage zu reparieren. Das wäre prinzipiell recht schnell erledigt, auf dem Weg dahin können wir uns aber an zahlreichen Details erfreuen.
Logbücher und Forschungsberichte laden zum Lesen ein. Wir können uns einen Kaffee zubereiten, Astronautenfutter knabbern oder mit einem herumliegenden Plastikraumschiff spielen. In der Luftschleuse müssen wir zuerst den Helm aufsetzen, dann den Sauerstofftank auffüllen, per Schalter die Atmosphäre angleichen, schließlich die Außentür öffnen und zum Mars-Rover spazieren. Das Gefühl, in einer Marsstation zu arbeiten, trifft Moons of Madness voll auf den Punkt.
Klassisches Horror-Handwerk
Gleichzeitig sickert das Grauen immer weiter in die Psyche von Shane. Unsere Sicht verzerrt sich, und wir sehen durch die Fenster der Station Gestalten auf der Marsoberfläche. Als wir vom Exkurs zu der Solaranlage zurückkehren, erfahren wir per Funk von einem Vorfall im Gewächshaus. Dort angekommen überziehen tentakelförmige Pflanzen die Wände, und im Nebel der Sprinkleranlage bewegt sich etwas.
Genre-Fans merken schon: Hier gibt's recht klassische Horror-Kost. Klassisch auch deshalb, weil Moons of Madness vor allem auf geskriptete Jump-Scares setzt und das mittlerweile gängige Prinzip, dass wir uns bis auf wenige Ausnahmen nicht mit Waffen wehren und vor übernatürlichen Bedrohungen lediglich flüchten können. Genre-Innovationen wie den unberechenbaren Xenomorph aus Alien: Isolation darf man nicht erwarten. Anfangs wird man trotzdem ganz passabel unterhalten, vor allem weil das Wechselspiel zwischen Story, Rätseln und Schockmomenten recht ausgewogen inszeniert ist.
Mal erkunden wir in Ruhe einen verlassenen Außenposten und das verstörende Tagebuch von Shanes verschwundenem Kollegen, dann lösen wir recht knifflige Puzzles, etwa wenn wir uns in einer Halluzination im Keller von Shanes Elternhaus wiederfinden und dort einen Code anhand eines Periodensystems der chemischen Elemente entschlüsseln müssen. Und klarerweise begegnet uns in der Marsstation irgendwann das erste von einigen übernatürlichen Wesen.
Houston, wir haben ein paar Probleme
Sagen wir mal so: Ob das Vieh, das sich im Gewächshaus aus dem Nebel erhebt und uns dann in einer Verfolgungssequenz durch die Gänge hetzt, wirklich gruselig genug aussieht, bleibt Geschmackssache (mehr dazu im Meinungskasten). Als wir uns aber in einem Lüftungsschacht umdrehen und das Ding durch einen Bug bewegungslos und harmlos in der Ecke hockt, ist die für diese Art von Spiel so wichtige Spannung vorerst dahin.
Uns sind im Spielverlauf eine Handvoll solcher Momente passiert. Sie lassen sich schnell korrigieren, etwa wenn wir im besagten Lüftungsschacht einfach weiterkriechen, sind aber symptomatisch für einige Schlampigkeiten, die Moons of Madness insgesamt etwas mühsam machen.
Etwa bei den zahlreichen Rätseleinlagen: Einige Zeit nach der Sequenz im Gewächshaus muss Shane an einer Zentrifuge ein Pflanzengift aus verschiedenen Komponenten mischen. Durch die etwas fummelige Steuerung dauert bereits das simple Einsammeln der Ampullen und das Einsortieren in die Maschine länger als nötig. Wenn wir aber knapp danach sterben, können wir das Prozedere gleich nochmal wiederholen, da die Speicherpunkte gefühlt einen Tick zu weit auseinanderliegen.
Anders verhält es sich bei den seltenen Kämpfen, die als simple Quick-Time-Events daherkommen. Verpassen wir unseren Einsatz, sind die Ladezeiten (10 bis 15 Sekunden) meist länger als der Abschnitt, den wir wiederholen wollen. Klarerweise wird keines der Rätsel, kein Schockmoment, kein Story-Abschnitt beim erneuten Durchlauf besser. Der generelle Wiederspielwert liegt deshalb auch bei null.
Zudem leidet die Atmosphäre auch unter der schwankenden Grafikqualität. Damit meinen wir nicht die Framerate, die nur beim Autosave ein bisschen stottert, sondern dass einige wichtige Elemente einfach schlechter designt sind als andere. Innenräume mit vielen Details sehen im Schein unserer Lampe ganz gut aus, einige Monster oder Höhlen in Traumsequenzen wirken mit ihren mauen Texturen jedoch altbacken und somit weniger bedrohlich, als sie sein könnten. Zudem merkt man deutlich, dass die Entwickler versuchen, die Detailarmut teils mit einem Unschärfefilter zu korrigieren.
Vorhersehbarer Horror
Sollte man sich davon abschrecken lassen? Das kommt auch drauf an, mit welchem Vorwissen man Moons of Madness spielt. Die Story wird der literarischen Vorlage durchaus gerecht. Sogar einige der optionalen Logbücher bergen gut geschriebene Hintergrundgeschichten. Als Horrorfan kann man jedoch schon kilometerweit riechen, woher der Wind weht.
Das ergibt die etwas paradoxe Situation, dass man umso mehr Spaß mit Moons of Madness hat, je weniger Horrorspiele man kennt und je weniger man über die Lovecraft-Kurzgeschichten weiß. Apropos kurz: Mit zirka sieben Stunden Spielzeit ist der Trip auf den roten Planeten zwar nicht sonderlich lang, hat aber dafür auch wenig Längen - sofern man die meisten Aufgaben im ersten Anlauf schafft.
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