iDroid-Helferlein
Wir schleifen die Leiche hinter ein Zelt und tasten uns langsam weiter, bis sich das alte Gefängnisareal aus der Dunkelheit schält. In Käfigen zittern mehrere ausgezehrte Häftlinge, doch wo ist Chico? Die umhermarschierenden Wachposten sind erst mal das größere Problem.
Der erste Aufpasser vor dem Tor wird das Opfer unserer Betäubungspistole, an den anderen pirschen wir uns von hinten heran und schicken ihn ebenfalls ins Reich der Träume. Dann durchsuchen wir hektisch die Zellen und werden schließlich fündig. Der kleine Chico sitzt zusammengesunken in seinem Käfig, erschöpft, aber lebendig. Schnell hat Snake das Schloss geknackt, jetzt müssen wir den Jungen nur noch evakuieren.
Dafür rufen wir per Knopfdruck unser Navigations-Tool, den sogenannten iDroid auf. Der projiziert nicht nur eine Karte der Umgebung vor unsere Augen, sondern dient auch als Kommunikationszentrale. Mit einem weiteren Knopfdruck rufen wir von hier auf Wunsch einen Helikopter, der Chico dann in Sicherheit bringt. Das Problem: Der Flattermann steuert lediglich eine sichere Landezone an der Küste an, zu der wir den Jungen erst huckepack schleppen müssen.
Weitere Landezonen im Lager gibt es zwar, allerdings machen Flugabwehrgeschütze eine Landung nahezu unmöglich, wir müssten sie erst mal sabotieren - da blitzen schon die unterschiedlichen Lösungswege von Ground Zeroes durch. Wir entscheiden uns dafür, Chico an der Küste abholen zu lassen, und schleppen ihn über ein paar Felsen in die markierte Landezone.
Ziel Nummer eins ist damit erreicht, jetzt pirschen wir auf die Kommandozentrale zu. Unterwegs entdecken wir einen LKW und schlüpfen leise ins Führerhaus und hinter das Lenkrad. Frei steuerbare Vehikel sind ebenfalls eine Neuerung in Ground Zeroes, eine überaus praktische. Denn hinter dem Lenkrad erkennen uns die Wachen nicht, und wir können problemlos bis zu unserem anvisierten Ziel vorfahren. Das Fahrgefühl ist dabei ziemlich gut und einigermaßen realistisch. Beim Aussteigen übersehen wir aber eine Überwachungskamera, und das laute Schrillen der Alarmsirene lässt uns zusammenzucken.
Sofort rücken mehrere Wachen an und nehmen uns unter ratterndes Gewehrfeuer. Das war's dann wohl mit schleichen! Aus der Deckungballern wir immer wieder kurz auf die Feinde und erledigen einen nach dem anderen. Die Steuerung von Ground Zeroes gefällt uns dabei ausnehmend gut, anders als noch bei Metal Gear Solid 4 spielen sich die Schießereien nicht mehr hakelig, sondern erfreulich eingängig.
Auch das Verhalten der KI-Gegner kann sich sehen lassen. Gehen wir zu rabiat vor, ruft das Wachpersonal Panzerwagen und zusätzliche Truppen herbei, die dann systematisch das Gebiet absuchen, in dem wir zuletzt gesehen wurden. Das sorgt nicht nur für die eine oder andere Schweißperle auf der Stirn, sondern auch für eine sehr intensive Atmosphäre. Wir erledigen die anrückende Verstärkung und kämpfen uns weiter vor, bis wir schließlich die ausgelaugte und übel zugerichtete Paz gefunden haben.
Kurze Hauptmission
Als wir auch Paz ins Freie gezerrt und den Helikopter angefunkt haben, bereiten wir uns innerlich auf den nächsten Auftrag vor. Doch als wir uns unter dem Sirren des Rotors in die Luft erheben, läuft auch schon die Endsequenz über den Bildschirm, von der wir hier zwecks Spoiler-Vermeidung natürlich nichts verraten. Als die letzte Zeile des Abspanns am oberen Bildschirmrand verschwunden ist, leuchtet uns eine Statistik samt eines Rankings entgegen. Die Spielzeit? Lumpige 70 Minuten! Wie bitte? Die Hauptmission von Ground Zeroes ist tatsächlich unglaublich kurz.
Und es geht noch deutlich schneller: Wer es drauf anlegt und alle Wachpositionen und Manöver auswendig lernt, dürfte gar an der Zehn-Minuten-Marke kratzen. Das »Zu kurz«-Urteil ist aber zu schnell gefällt, denn nach dem ersten Durchspielen schalten wir einen höheren Schwierigkeitsgrad sowie zusätzliche Missionen frei, die wir separat im Hauptmenü anwählen können. Auf der harten Stufe können wir Gegner zum Beispiel nicht mehr markieren, die Bullet-Time fällt flach und wir starten lediglich mit der Betäubungspistole. Da auch die Gegner aufmerksamer sind, ist ein Durchgang deutlich spannender und anspruchsvoller - und damit ideal für Schleichveteranen, die sich gerne in ihre Spiele verbeißen.
Die insgesamt fünf Zusatzmissionen finden alle ebenfalls im Gefangenenlager statt, unsere Aufgaben sind aber breiter gefächert und unabhängig von der Hauptaufgabe. In einem Szenariomüssen wir beispielsweise zwei Gegner ausschalten und dann aus dem Lager verschwinden.
Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn wir müssen die Bösewichte erst einmal mit dem Fernglas finden und dann überlegt zur Strecke bringen, weil jeder Delinquent von einer Truppe schwer bewaffneter Männer beschützt wird. In weiteren Missionen muss Snake unter anderem sämtliche Geschütze im Lager mit C4 lahmlegen oder einen Agenten kontaktieren, der als Spitzel beim Gegner arbeitet.
Unser Favorit ist allerdings die Action-Mission, in der wir aus einem fliegenden Helikopter einem Kontaktmann mit Maschinenpistole und Granatwerfer Feuerschutz geben. Insgesamt sind die Zusatzmissionen eine hervorragende Ergänzung, zumal wir die zusätzlichen Jobs auch an unterschiedlichen Tageszeiten ausführen. Jeder Auftrag beschäftigt uns noch einmal ungefähr eine Stunde lang, was die Gesamtspielzeit von Ground Zeroes auf insgesamt rund sieben Stunden hochschraubt. Außerdem können wir noch versteckte XOF-Abzeichen suchen, die ein Geheimnis frei schalten.
Starke Fox-Engine
Schon in der Vorschauversion lässt die neue Fox-Engine ihre Muskeln spielen, denn Snakes Gefängnisausflug bietet einiges fürs Auge: Felstexturen sehen zum Beispiel knackscharf aus, Zeltplanen und Gegnerumhänge flattern realistisch im Wind, und wenn sich Snake vorsichtig durch das Lager bewegt, wirken nahezu sämtliche Animationen dank aufwendiger Motion-Capturing-Aufnahmen täuschend echt.
Besonders beeindruckend sind die Lichteffekte: Suchscheinwerfer hellen das Gebiet auf und werfen lange Schatten, Gegner knipsen Taschenlampen an, wenn sie ein verdächtiges Geräusch hören - all das trägt zur intensiven und spannenden Schleichatmosphäre vonGround Zeroes bei.
Laut Aussage von Hideo Kojima wollte das Team bei der Entwicklung den »größtmöglichen Realismus« erzielen. Ein Indiz dafür: Die Wachen seien nicht etwa komplett identische Klonmännchen, stattdessen werde das Antlitz jedes Feindes penibel und einzigartig modelliert, behauptet Konami. Bei diesem Aufwand fallen einige hüftsteife Bewegungen von Snake und die eine oder andere unscharfe Textur in der Distanz kaum ins Gewicht.
Im direkten Konsolenvergleich gibt es nach dem Anspielen beider Next-Gen-Versionen einen klaren Gewinner: die PlayStation 4. Die läuft mit 1080p und 60 Bildern in der Sekunde, während die Xbox-One-Fassung mit der gleichen Bildrate, aber 720p auskommen muss.
Schon im Hauptmenü, in dem Snake in einem Helikopter hockt, fällt die niedrigere Auflösung auf. Snakes Bart wirkt zum Beispiel auf Sonys Konsole deutlich schärfer und detaillierter, insgesamt hat die PS4-Version auch in anderen Bereichen wie der Texturqualität die Nase vorn.
Die Versionen für PlayStation 3 und Xbox 360 leiden unter deutlich matschigeren Texturen, weniger Details und etwas unruhigerer Bildrate. Angesichts der betagten Hardware schlägt sich Ground Zeroes aber auch auf den Current-Gen-Konsolen wacker. Übrigens müssen auch auf PlayStation 3 und Xbox 360 vor dem ersten Start Spieldaten auf der Festplatte installiert werden, ansonsten tritt Big Boss seinen Dienst gar nicht erst an.
Beim Sound liegen alle Systeme dagegen gleichauf. Für die gelungene Musikuntermalung zeichnet einmal mehr Harry Gregson-Williams verantwortlich, die Effektkulisse ist dicht und hervorragend abgemischt (vor allem das räumliche Prasseln des Regens ist spitze), und auch der Schauspieler Kiefer Sutherland, der als Jack Bauer aus der TV-Serie 24 ja schon Agentenerfahrung hat, macht als neue Stimme von Snake einen guten Job.
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