Vom Penthouse in die Favelas
All das klingt schon mal sehr gut, macht aber noch keinen Ausnahme-Shooter. Eine ähnliche Spielmechanik gibt es etwa beim eher durchwachsenen John Woo’s Strangleholdoder der Kane & Lynch-Reihe, und technisch ist der Rockstar-Titel zwar gut, gehört aber nicht zur absoluten Oberklasse. Was also hebt Max Payne 3 vom Gros der Shooter ab? Warum ist das Spiel besser als etwa Gears of War 3?
Es ist die Inszenierung. Damit meinen wir nicht bloß die Zwischensequenzen oder geskriptete Ereignisse während des Spielverlaufs, sondern die gesamte Packung. Max Payne 3 ist wie aus einem Guss: Handlungsszenen gehen nahtlos in den Spielverlauf über, die Story ist gut durchdacht, das Tempo stimmt. Immer wieder gibt es auflockernde Spielsequenzen, in denen ihr im Railshooter-Stil zum Beispiel von einem Motorboot aus auf Gegner ballert, an einer Kette hängend zu Boden saust und dabei Feinde plättet, oder auf einem Rolltisch bäuchlings in Zeitlupe durch einen langen Raum fahrt, um durch die Fenster hindurch Scharfschützen auszuschalten -- alles untermalt von einem fantastischen Soundtrack, der es in seinen besten Momenten schafft, uns eine fette Gänsehaut zu bescheren.
Die Abschnitte, durch die Max sich ballert, sind äußerst abwechslungsreich: Ob Nobeldisco, Fußballstadion, Elendsviertel oder Polizeirevier -- Langeweile kommt garantiert nicht auf. Gerade ruhige Szenen, wie der Abschnitt in den Favelas, als Max durch die Gassen streift und versucht, sich zurechtzufinden, wirken durch Details wie Fußball spielende Kinder oder Anwohner, die beim Anblick des bulligen Gringos lieber zügig ins Haus gehen und die Fensterläden schließen, ziemlich realistisch.
Die Optik könnte zwar einen Tick detailreicher sein, doch Kantenflimmern und die eine oder andere matschige Textur passen letztlich sogar ganz gut zum düsteren Stil des Spiels, das viel mit Farbfiltern und Verwischeffekten arbeitet. Motion-Capture-Animationen bringen ebenfalls noch ein Quäntchen Glaubwürdigkeit ins Geschehen; ebenso sorgt die Einbindung der Euphoria-Physik-Engine für tolle Effekte (etwa Aktenberge, die bei einer Büroschießerei wild durch die Gegend flattern) sowie dynamische Todesanimationen der Gegner, die entsprechend der Umgebung beispielsweise äußerst realistisch Treppenstufen herunterrutschen oder über Geländer in die Tiefe stürzen.
Ein tragischer Held zum Anfassen
Am wichtigsten ist dabei allerdings, dass Rockstar Games es tatsächlich geschafft hat, Spiel und Handlung komplett ineinander zu verweben. Es gibt keinen strikten, aufdringlichen Schnitt zwischen Spielgeschehen und Handlung, wie etwa noch bei Metal Gear Solid 4, dessen sehr kinoaffin inszenierten Zwischensequenzen sich ganz anders anfühlen als das eigentliche Spiel.
Max Payne 3 arbeitet hingegen bei Dialogen und eigentlichem Spiel mit denselben Stilmitteln, wodurch sich alles zu einem hervorragenden Gesamterlebnis vermengt: Immer wieder kommt das Bild ins Flattern, wird kurz verfremdet, bekommt Doppelkonturen -- die Wahrnehmung eines Alkoholikers. Das gesamte Spiel erlebt man so aus Max’ Perspektive. Und da darf ein wichtiges Element aus den Vorgängern natürlich nicht fehlen: Dank des ständigen Voice-Over-Kommentars wird Max lebendig und auf gewisse Weise greifbar.
Man identifiziert sich mit ihm, bekommt Einblick in sein Inneres und durchleidet mit ihm die dramatischen Geschehnisse der Geschichte, die in ihren Grundzügen an den ähnlich gelagerten Film »Man on Fire« mit Denzel Washington erinnert. Nach jedem Spielabschnitt ist Max noch ein Stückchen übler zugerichtet, teilweise hängt ihm die verdreckte Kleidung in Fetzen vom Leib. Mehr als einmal sitzt man mit dem Controller in der Hand vor dem Bildschirm und bemitleidet den Mann, der einem angesichts einer weiteren schrecklichen Situation gerade im sarkastischen Monolog seine Gefühle offenlegt.
Wieso sollte man aber freiwillig in die Pixelhaut einer solch traurigen und bemitleidenswerten Figur schlüpfen? Max Payne ist das, was andere Charaktere wie etwa Nathan Drake gerne sein wollen: Er ist ein menschliches Wesen auf einem Selbstfindungstrip. Ein versoffener Verlierer, der Gutes tun will, aber letztenendes alles nur schlimmer macht. Ein heruntergekommener Bulle, der sich wie ein Möchtegern-Actionfilmstar benimmt und mit den Konsequenzen leben muss. Er verdient unser Mitgefühl. Er verdient es, dass wir bei ihm sind, wenn es ums Ganze geht, und dass wir ihn sicher durch den Schlamassel geleiten, der ihm in Max Payne 3 um die Ohren fliegt.
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