Die "Jurassic Park"-Marke umspannt mittlerweile fünf Filme, und jeder davon endet im Chaos. Gerade das macht es zum perfekten Setting für eine Freizeitparksimulation. Schließlich lag schon seinerzeit bei Rollercoaster Tycoon der Spaß darin, Besucher mit halbfertigen Achterbahnen ins Verderben zu befördern.
Als Manager eines prähistorischen Zoos müsst ihr in Jurassic World Evolution die Sicherheit der Besucher, das Wohlbefinden der Dinosaurier und die Profitgier des Geschäftsführers auszubalancieren. Alle teilen sich den knappen Platz auf einer, genauer gesagt fünf pazifischen Inseln. Forschungsanlagen verbessern Gebäude und Attraktionen, Gehege halten die Urtiere im Zaum, und dazwischen können Besucher Merchandise-T-Shirts und Fast Food kaufen.
Genetisch veranlagt
Was Jurassic World Evolution von anderen Zoosimulationen abhebt, sind natürlich die im Labor gezüchteten Dinosaurier. Liebevoll animiert und vertont stapfen sie von Brachio- bis Tyrannosaurus durch ihr Gehege und halten das Publikum bei Laune. Für eine Fünf-Sterne-Parkbewertung braucht das Touristenziel jedoch nicht nur eine vielfältige Population, sondern auch besonders eindrucksvolle Exemplare.
Im Gen-Baukasten lassen sich deshalb zahlreiche (vorher erforschte) Werte wie Aggressivität und Lebenserwartung, aber auch die Musterung der Schuppen anpassen. Das Rumpfuschen an der Evolution birgt selbstverständlich Gefahren. Ein modifizierter Super-T-Rex hebt zwar schlagartig den Ruf des Parks, kostet aber auch Unsummen. Außerdem steigt mit jeder Manipulation das Risiko, dass ein Ei nicht schlüpft und man auf den Brutkosten sitzen bleibt.
Das macht gewagte Gen-Experimente zur spekulativen Investition. Eigene Hybriden oder Kreuzungen lassen sich allerdings nicht erschaffen. Auch die Authentizität der Dinos bleibt auf der Strecke: Gefiederte Dinosaurier gibt es hier immer noch nicht. Jurassic World Evolution bleibt dicht am populären, aber wissenschaftlich umstrittenen Bild der nackten Riesenechsen, das auch der Film vermittelt.
Die mit einer kleinen Zwischensequenz inszenierte Geburt jedes neuen Parkbewohners ist zwar hübsch, nutzt sich aber schnell ab. Denn sobald Park und Dino-Produktion auf Hochtouren laufen, werden die wissenschaftlichen Wunderwerke schnell zur reinen Statistik. Ob jetzt ein Dracorex oder Edmontosaurus Star im Pflanzenfressergehege ist, macht spielerisch kaum einen Unterschied. Mit zahlreichen Statuswerten - etwa Gesundheit, Hunger, Durst und Sozialleben - erinnern die Dinosaurier zwar an Die Sims, besonders anspruchsvoll sind sie aber nicht. Wenn eine Echse gerne mehr Wald hätte reicht es, irgendwo in einer abgelegenen Ecke des Geheges Bäume zu pflanzen. Die Viecher müssen sich schon sehr unwohl fühlen, um mal einen Ausbruch zu wagen.
Fortschritt ohne Chaos
Passiert das doch einmal, sollte ein Höhepunkt des Spiels folgen. Die realistische Simulation panischer Menschenmassen, die auf einen Schwarm hungriger Raptoren trifft, wäre eine interaktives Experiment mit der Chaostheorie! Tatsächlich beschränkt sich das Krisenmanagement jedoch darauf, die Besucher per Tastendruck in einen Schutzbunker zu ordern und flüchtige Dinosaurier vom Einsatzhubschrauber betäuben zu lassen - wobei man auch selber als Ranger durchs Zielfernrohr schauen kann.
Die schlimmste Konsequenz eines ausgebrochenen T-Rex sind nicht die gefressenen Besucher, sondern die immensen Schadensersatzforderungen der Angehörigen, die den Park schnell in die roten Zahlen treiben können. Deshalb lohnt es sich, immer auf Sicherheit zu bauen und zum Beispiel die Stromversorgung von Elektrozäunen stets im Auge zu haben. Die wirkliche Evolution findet sich im Fortschrittssystem. Schon nach wenigen Spielstunden leitet man gleich mehrere, jeweils auf eigenen Inseln gelegene Parks, die einen vor unterschiedliche Herausforderungen stellen. Die winzige Isla Pena etwa bietet kaum Platz für große Gehege, während die Isla Muerta von Unwettern heimgesucht wird.
Neue Inseln werden verfügbar, sobald der vorherige Park einigermaßen läuft und ein entsprechendes Sternerating erreicht hat - also genau in dem Moment, wenn sich bei vielen Aufbauspielen eine langweilige Routine einschleicht. Beim Wechsel der Insel nimmt man die bisher freigeschalteten Dinosaurier, Verbesserungen und Gebäude mit und startet so immer etwas besser aufgestellt als zuvor. Dabei sorgen Missionen der um Aufmerksamkeit konkurrierenden Abteilungsleiter - Sicherheit, Wissenschaft und Unterhaltung - dafür, immer ein konkretes Ziel zu haben - motivierend!
Der wiederholte Neuanfang auf anderen Inseln kaschiert auch etwas den seichten Management-Teil. Größte Herausforderung ist das Planen und Anlegen der Gehege, Hotels und Forschungseinrichtungen auf dem eingeschränkten Terrain. Schließlich muss man auch für Wege und Stromleitungen sorgen. Hat man dafür eine funktionierende Lösung gefunden, gibt es nicht mehr viel zu tun, außer gelegentlich die Futterstationen nachzufüllen, neue Dinosaurier zu züchten (sowie deren Bedürfnisse zu befriedigen) und den Preis der Merchandise-Artikel zu erhöhen.
Flugsaurier und Geländewagen
Gute Strategiespiele auf Konsolen sind eine rare Spezies, oft hakt die Bedienung. Die Benutzeroberfläche von Jurassic World Evolution funktioniert am Fernseher jedoch wunderbar. Der Controller ist sinnvoll belegt, für häufig benutzte Aktionen wie den Ranger-Jeep oder den Eingreif-Helikopter gibt es Shortcuts. Wer mag kann Jeeps und Helikopter auch direkt steuern und ausgebrochene Dinosaurier selber jagen bzw. kranke Tiere mit Medikamenten beschießen.
Eine aufregende Safari darf man dabei aber nicht erwarten, dafür lenken sich die Jeeps zu schwammig. Und im Helikopter ist man ohnehin nicht Pilot, sondern Schütze. Doch die Aufgaben der Ranger lassen sich ohnehin bequemer an die KI delegieren. Optisch ist Jurassic World Evolution hübsch, aber nicht überragend. Während sich aus der Flugsaurierperspektive Besucherströme durch das üppige Grün der Insel schlängeln, wirken Gebäude, Menschen und Pflanzen von Nahem recht detailarm. Das Gefühl durch einen echten Zoo zu fahren kommt so nicht auf.
Obwohl sie wie füreinander gemacht scheinen, weiß Jurassic World Evolution seine Lizenz nicht so recht auszunutzen. Gelegentlich eingeworfene Filmzitate von Chris Pratt und Jeff Goldblum wirken wie Fremdgene in der Frontier-DNA. Warum etwa verkauft der Souvenir-Shop die Rasiercreme, die im ersten Film eine Rolle spielte? Solch aufgesetzter Fanservice bricht eher mit der Atmosphäre, als zu ihr beizutragen. Jurassic World Evolution trägt einen großen Namen und an diesem muss es sich auch messen lassen. Die Magie der prähistorischen Wesen und das Chaos, wenn sie mal wieder ausbrechen, gehen im Klein-Klein des Tagesgeschäfts unter. Am Ende sind die geklonten Dinosaurier damit nur - wie Dr. Ian Malcolm es in einem sarkastischen Kommentar selbst im Spiel einwirft - kein Wunderwerk des Lebens, sondern bloß ein Produkt.
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