Dicke Laser, die aus Händen schießen, bildschirmfüllende Energiebälle und Schockwellen, die ganze Planeten erschüttern - bei Animes sind völlig übertriebene Kampfeffekte keine Seltenheit. In gezeichneter Form hat man das schon oft gesehen. Aber was würde passieren, wenn dieser Wahnsinn einen Sprung in unsere Realität machen würde?
Genau das geschieht bei Jump Force: Zum 50. Jubiläum von Shonen Jump statten uns die beliebtesten Helden des traditionsreichen japanischen Verlagshauses einen Besuch ab. Plötzlich tragen Son Goku und Vegeta vor dem Triumphbogen in Paris einen Streit aus. Ein paar Kilometer weiter duellieren sich Sasuke und Kakashi am Fuße des Matterhorns.
Oder Ichigo und Sanji messen sich auf dem Times Square in New York. Das alles in einem 3D-Arena-Prügelspiel, dass der direkte Nachfolger zu J-Stars Victory Versus s+ ist. Heißt: Es treten 3er-Tag-Teams gegeneinander an und das Kampfsystem ist einsteigerfreundlich zugänglich statt verwirrend komplex.
Anime-Charaktere in echt
Warum die Welten miteinander verschmelzen weiß niemand so genau, aber irgendwie scheint Bösewicht Freezer dahinter zu stecken. Um Schlimmeres zu verhindern formiert sich die J-Force, eine Gruppe aus diversen Manga-Helden. Gegründet wurde sie von Direktor Glover. Ihr habt noch nie von dem Mann gehört? Kein Wunder, denn er wurde eigens für dieses Spiel entworfen.
Und zwar von niemand anderem als Akira Toriyama, dem Dragon Ball-Zeichner selbst! Wo er schon dabei war, hat er auch gleich die beiden Bösewichte Kane und Galena aus der Taufe gehoben. Die sind zwar nicht spielbar, aber trotzdem: Jump Force ist ein Geburtstagsgeschenk an die Fans von Shonen Jump, die sich auf mehr als 40 Charaktere des Verlagsuniversums freuen dürfen.
Neben den populären Reihen wie One Piece, Naruto oder Bleach sind ebenso viele Figuren aus hierzulande weniger bekannten Werken dabei. Zum Beispiel Izuku Midoriya, er ist der Protagonist aus der noch jungen Serie My Hero Academia. Fans von Prügelspielen haben vielleicht schon Bekanntschaft mit Dio Brando und Jotaro Kujo gemacht.
Die beiden schrägen Vögel kommen aus Jojo's Bizarre Adventure. Und auch Kenshiro ist kein Unbekannter für Spieler: Der Meister des Hokuto Shinken war kürzlich mit Fist of the North Star: Lost Paradise schon auf der PlayStation 4 vertreten.
Gewöhnungsbedürftiger Stilwechsel
Ob Saint Saya, Dragon Quest, Yu-Gi-Oh oder Hunter x Hunter: Jeder der Kämpfer ist mit einer großen Detailverliebtheit inszeniert. Allesamt bringen die Recken ihre Fähigkeiten aus ihren jeweiligen Vorlagen mit. Natürlich haut Goku deshalb sein Kamehameha raus. Ruffy dehnt und streckt sich durch die Kraft der Gum-Gum-Frucht. Die Doppelgänger von Naruto, die er mit seinem Kage Bunshin no Jutsu erzeugt, sind ebenso dabei. Das umfangreiche Roster ist eines der stärksten Aspekte des Spiels und es ist eine Wonne, die ehemals gezeichneten Charaktere in vollem 3D zu sehen.
Technische Probleme bei der Xbox One:
Gegenüber der PS4-Version hat Jump Force auf der Xbox One mit zusätzlichen technischen Problemen zu kämpfen. Obwohl wir das Spiel auf einer Xbox One X getestet haben, waren die Ladezeiten dort im Schnitt ein paar Sekunden länger. Ärgerlicher sind aber die Framerate-Einbrüche. Wenn besonders viel auf dem Bildschirm los ist - und das passiert nunmal häufig - kommt es zu kleineren Rucklern. Unspielbar wird das Geschehen deshalb jedoch nicht und die Bewegungsunschärfe kann das meistens ganz gut kaschieren. Trotzdem fehlt der Xbox One X-Version noch Optimierung. Immerhin: Gegenüber der PS4-Version gibt es weniger Kantenflimmern und das Bild sieht besonders in 4K etwas sauberer aus. Jump Force visiert auf beiden Systemen 30fps an., hält diese aber nur auf PS4 Pro. Obwohl 60fps für Prügelspiele eigentlich wünschenswert sind, ist Jump Force mit seinen 30fps trotzdem gut spielbar.
Dabei ist der neue Look trotzdem erst einmal gewöhnungsbedürftig. Die Hintergründe sehen fast fotorealistisch aus, und die Helden wirken, als seien sie einem CGI-Film entsprungen. Die Animationen profitieren davon besonders. Egal wie absurd oder überdimensional ein Angriffsmanöver auch sein mag: Es wird zu jeder Zeit geschmeidig auf den Bildschirm gezaubert. Das irre Gewitter an Partikeleffekten, Explosionen und Farben ist erst einmal schwer zu fassen, aber weniger wäre den mächtigen Kampftechniken auch nicht würdig gewesen.
Die Gesichter aber sind schon schwieriger: Wenn zweidimensionale Anime-Augen auf 3D-Modelle mit realistischen Shadern gepappt werden - ja, das wirkt erst einmal komisch. Vereinzelte Charaktere sehen deshalb in der Nahaufnahme eher aus wie lebendig gewordene Puppen. Insgesamt überwiegt aber der positive Eindruck, zumal die Kamera die Helden auf dem Schlachtfeld immer gut in Szene zu setzen weiß. Bei besonderen Attacken wählt sie selbstständig einen eigenen Winkel, um filmreife Dramatik zu erzeugen.
Winzige Frauenquote
Merkwürdig an dem Roster ist aber: Warum sind nur drei weibliche Charaktere dabei? Wo sind Nami oder Sakura? Es sind lediglich Boa Hancock (One Piece), Rukia Kuchiki (Bleach) und Kaguya Ootsutsuki (Naruto) mit von der Partie. Und das, obwohl das Shonen Jump-Universum voller cooler Kämpferinnen ist, die eine tragende Rolle spielen. Namco Bandai hat bereits einen Season Pass angekündigt, in dem DLCs für neun weitere Charaktere enthalten sind. Gut möglich also, dass weitere Heldinnen nachrücken.
Um dem Männerüberhang etwas entgegen zu wirken, darf man immerhin seinen eigenen Avatar als Frau gestalten. Den können wir uns gleich zu Beginn des Spiels erstellen. An Gestaltungsoptionen gibt es keinen Mangel: Frisur, Gesichtsmerkmale, Hautfarbe - alles lässt sich verändern, sogar die Farbe der einzelnen Pupillen. Wirklich interessant wird es aber erst mit den Fähigkeiten.
Durch Erfahrungspunkte kann man Kampftechniken erwerben, die den »echten« Helden entliehen sind. So darf man sich mit der Zeit einen idealen Kämpfer entwerfen, dessen Repertoire aus den liebsten Signature Moves zusammengesetzt ist.
Damit trägt Jump Force seinem Konzept Rechnung, das Shonen Jump-Universum näher zum Fan zu rücken. Und das funktioniert gut: Mit jedem Kampf gibt es neue Erfahrungspunkte. Stück für Stück wächst der eigene Avatar mit. Schon bald hat man das Gefühl, selbst integraler Teil der J-Force zu sein. Damit in Multiplayer-Gefechten gleiche Verhältnisse gelten, kann der Erfahrungslevel dort deaktiviert werden. Dann hat niemand in Aspekten wie Geschwindigkeit oder Kraft einen Vorteil. Im Singleplayer-Modus kann man die Levelunterschiede aber nicht ignorieren.
Hier in den optionalen Missionen mit Level 5 in einen Level 15 Kampf zu gehen ist waghalsig, wenn auch nicht unmöglich. Die Kampagne läuft aber fast linear. Fast, weil mit jedem neuem Kapitel gleich ein ganzer Satz an Story-Missionen freigeschaltet wird, die ihr in der beliebigen Reihenfolge aus dem Tresen-Menü anwählen könnt. Ausgenommen sind Schlüsselmissionen, die dann das nächste Kapitel freischalten.
Simpel, aber nicht einfach
Auf dem eigentlichen Schlachtfeld ist aller Anfang schwer. Der Einstieg in das Kampfsystem ist vor allem für Spieler von traditionellen 2D-Prügelspielen erst einmal eine Umgewöhnung. In den breiten 3D-Arenen herrscht völlige Bewegungsfreiheit, während der Konkurrent immer automatisch anvisiert bleibt.
Jeder Teilnehmer ist übermenschlich, also gibt sich Jump Force erst gar nicht mit normalen Attacken zufrieden. Schon Standardangriffe mit Hand und Fuß schleudern deshalb den Gegner quer durch die Arena. Bombastischer wird es bei den Sonderattacken, die mentale Energie verbrauchen. Die werden nicht über komplizierte Tastenkombinationen ausgelöst, sondern es reicht, sie über ein Menü aufzurufen.
Das erscheint, sobald man die rechte Schultertaste auf dem Gamepad gedrückt hält. So lange man keine Aktion aus dem Menü auswählt, fokussiert bzw. sammelt der Kämpfer Energie. Eingesteckte Treffer führen ebenso dazu, dass die Energie-Balken sich füllen. Sind sie voll genug, steht noch einmal ein besonders schwerer Ultimate-Angriff zur Verfügung.
Oder sogar eine alternative Form, die sich mit Druck auf den rechten Analogstick hervorrufen lässt. Manga-Fans wissen: Das ist eine mächtigere, noch stärkere Gestalt des Helden, der dann eine glühende, farbige Aura erhält. Damit haben Spieler, die viel einstecken, immer eine ausgleichende Trumpfkarte in der Hand.
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