Rock Band gegen Guitar Hero: Da ist es endlich wieder, dieses fast schon vergessen geglaubte Duell der beiden einstigen Tonkünstler-denn 2015 markiert die Rückkehr der Musikspiele. Rock Band 4 machte in unserem Test zwar eine gute Figur, schreckte aber vor gravierenden Neuerungen zurück. Ganz anders Guitar Hero Live: Entwickler Freestyle Games (DJ Hero) rüttelt an den Grundfesten der Klampfen-Reihe und verändert sogar den traditionellen Gitarren-Controller. So befinden sich am Hals des mitgelieferten Instruments (für die Nutzung wird der beiliegende USB-Dongle benötigt) nunmehr sechs Tasten, angeordnet in zweiübereinander liegenden Dreierreihen.
Das bedeutet vor allem zwei Dinge: Zum einen muss man sich hinsichtlich der Fingerhaltung enorm umgewöhnen, zum anderen ist alte Guitar-Hero-Hardware inkompatibel. Auch das Interface hat sich entsprechend verändert: Auf dem Noten-Highway schwirren nun schwarze (obere Tastenreihe) und weiße Icons (untere Tastenreihe) in Plektron-Form heran. Was anfangs noch verwirrt, ist dank Tutorial und fünf sanft abgestufter Schwierigkeitsgrade jedoch schnell erlernt. Erst ab der dritten Stufe (Normal) werden die einzelnen Passagen wirklich herausfordernd.
Wer im Bandgefüge lieber ein anderes Instrument bedienen will, der muss zwangsweise auf Rock Band 4 ausweichen, denn Guitar Hero Live bietet weder Bass- noch Schlagzeug-Funktionalitäten. Und auch die Gesangsintegration per USB-Mikro wirkt eher halbherzig. Wer mitträllern möchte, bekommt zwar Text sowie Tonhöhen angezeigt und wird separat bewertet, das Ergebnis hat allerdings keinerlei Auswirkungen auf die Karriere. Hinzu kommt, dass sich die Gesangsspur weder runterregeln oder gar ausschalten lässt.
Der große Konkurrent: Rock Band 4 im Test
Musiker sind eben Egoisten
Der Karriere-Modus von Guitar Hero Live hebt sich in seiner Inszenierung stark von allen bisherigen Musikspielen ab. Denn hier ist man tatsächlich mittendrin statt nur dabei: Sämtliche Auftritte werden aus der Ich-Perspektive des Gitarristen gezeigt, man blickt Bandkollegen und Publikum also direkt in die Augen. Dabei kommt keine abstrakte Polygon-Optik zum Einsatz, sondern real gefilmte Videosequenzen!
Durch pfiffige Technik-Tricks schafft es Freestyle Games, den Konzert-Clips so etwas wie Interaktivität einzuhauchen: Denn jede Szene wurde gleich mehrmals aufgenommen. Je nachdem, wie gut man gerade agiert, wird auch das passende Feedback der Zuschauer abgespielt-ein kurzer Verwischeffekt sorgt dafür, dass dieübergänge zwischen Jubel und Buh-Rufen geschmeidig ablaufen.
Guitar Hero Live - Screenshots ansehen
Der enorme Produktionsaufwand hat jedoch seinen Preis: Bandkollegen und Konzertlocation sind für jeden Song vorgegeben-dadurch stellt sich schon bald ein Ermüdungseffekt ein. Generell fehlt es der Karriere an Langzeitmotivation. Die fiktiven Festival-Auftritte hängen nur lose zusammen, eine Story oder gar entscheidende Wahlmöglichkeiten wie bei Rock Band 4 gibt es nicht. So wechselt man schon bald in den Online-Bereich des Spiels - der hat es dafür wahrlich in sich!
Das MTV für Videospieler
Die Songauswahl von Guitar Hero Live wirkt zu Beginn enttäuschend: Gerade mal 42 Stücke werden im Karriere- und Quick-Play-Bereich angeboten-darunter zwar Hits von Green Day, den Rolling Stones und Queen, aber eben auch Pop-Unsinn der Marke Katy Perry! Wo sind also die im Vorfeld so vollmundig angekündigten»über 200 Lieder«? Im Online-Segment namens Guitar Hero TV!
Tatsächlich funktioniert die Mischung aus Mehrspieler- und Zwischendurch-Modus wie ein Fernsehsender. Zum Start sind zwei Kanäle verfügbar, auf denen rund um die Uhr originale Musikvideos berühmter Bands (meist aus dem Rock-Genre) laufen-und die kann man einfach auf der Plastikgitarre mitschrammeln.
Als Motivationshilfe werden dabei stets die Leistungen anderer Online-Spieler in einer kleinen Rangliste angezeigt, wirkliche Multiplayer-Modi hat Guitar Hero Live jedoch nicht zu bieten. So kann zwar jederzeit ein zweiter Gitarrist ins lokale Geschehen eingreifen, vernünftig durchdesignte Duell- oder gar Koop-Spielarten fehlen aber unverständlicherweise im Konzertprogramm.
Free2PlayHero
Ebenso dubios: Activision bedient sich für Guitar Hero TV bei den ungeliebten Geschäftsideen von typischen Gar-nicht-mal-so-Free2play-Titeln. Denn wer einen bestimmten Song spielen will, der muss dafür Ingame-Währung bezahlen - und ist die mal aufgebraucht, so bleibt nur der Griff ins echte DLC-Portemonnaie. Im Rahmen unseres Tests ergab sich dieses Problem jedoch kaum, denn das Spiel spuckt in schöner Regelmäßigkeit Gratis-Tokens aus, etwa wenn man eine Stufe aufsteigt oder gewisse Meilensteine erreicht. Letztere werden zudem mit netten Extras wie Skins für den Noten-Highway belohnt.
Außerdem erhält man im Laufe der Online-Spielzeit immer neue Varianten der nunmehr Hero Power genannten Spezialfähigkeit, die durch das senkrechte Hochreißen der Gitarre aktiviert wird. Allerdings wirken diese Power-Ups teilweise viel zu mächtig und unpassend-die Bombe sprengt beispielsweise alle Noten des aktuellen Segments einfach vom Bildschirm. Nichtsdestotrotz ist Guitar Hero TV ein echter Zugewinn für Wohnzimmer-Musiker, denn in den kommenden Wochen und Monaten werden stetig neue Songs und Premium-Events (also Online-Herausforderungen) angeboten, und das laut Activision komplett kostenlos.
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