Wie setzt man George R. R. Martins großartiges Fantasy-Epos »Das Lied von Eis und Feuer« vernünftig als Spiel um? Prinzipiell so wie das Rollenspiel Game of Thrones: mit einer packenden, wendungsreichen Geschichte, glaubhaften Figuren und viel Westeros-Atmosphäre. Denn obwohl Game of Thrones von einem der Vorlage angemessenen Rollenspiel-Epos mindestens ein halbes Budget weit entfernt ist und uns mit allerlei großen und kleinen Ärgernissen piesackt, fängt es die Stimmung der Romane und TV-Serie wunderbar ein.
Wer sich durch etliche Routine-Keilereien mit den immer gleichen Gegnern beißt und sich dabei allenthalben auch vom doofen Radar (wir nennen es liebevoll »den Umwegfinder«) nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird für die Mühe tatsächlich belohnt – fast so wie früher, als einem Mama ein Eis spendierte, wenn man beim Zahnarzt tapfer war.
Der Schlächter und der Priester
Die Handlung von Game of Thrones setzt quasi zeitgleich mit dem ersten Roman beziehungsweise der ersten Folge der gleichnamigen TV-Serie ein. Im hohen Norden von Westeros übernehmen wir die Rolle von Mors Westford, einem Grenzer der Nachtwache und Veteranen des Bürgerkrieges, bei dem sich der aktuelle König Robert an die Macht geputscht hat.
Mors ist kein typischer Rollenspiel-Held; er ist ein alter, von Krieg und Entbehrung gezeichneter Mann. Die Wildlinge jenseits der Mauer, jenem urgewaltigen Bollwerk, das die Sieben Königslande im Norden vor dem freien Volk (und Legenden zufolge auch noch vor weitaus schlimmeren Dingen) schützt, nennen ihn »den Schlächter«.
In den südlichen Flusslanden wiederum schlüpfen wir in die Haut des roten Priesters Alester Sorwyck, gerade zurückgekehrt aus einem selbst auferlegten Exil, um an der Beerdigung seines Vaters teilzunehmen, dem Lord von Flussrath.
Es ist ein ungewöhnliches Helden-Tandem, der Schlächter und der Priester, und auf den ersten Blick haben ihre Handlungsstränge nichts gemein; mehr noch, auf den ersten Blick haben beide eigentlichen keinen Handlungsstrang. Wie ein guter Roman führt Game of Thrones die handelnden Figuren behutsam ein, gibt ihnen eine charakterliche Tiefe, bevor sie schließlich unvermittelt in ein Netz aus Intrigen, Lügen und Verrat stolpern, das Spiel um Throne eben.
Haus Bara-was?
Es ist ein wenig paradox, dass wir die große Stärke von Game of Thrones, seinen Plot, nur über solch vage Umschreibungen vermitteln können, aber jedes präzise Wort wäre ein zu viel gesagtes. Mehr noch als andere storylastige Spiele lebt Game of Thrones von seinen überraschenden, aber immer plausiblen Wendungen sowie dem Umstand, dass wir unsere Helden im Laufe des Spiels erst kennenlernen – und uns wie bei Figuren aus einer griechischen Tragödie fragen, inwiefern sie überhaupt Helden sind.
Was wir schon kennen sollten, ist allerdings die Vorlage: Zwar sammeln wir im rund 30-stündigen Spielverlauf immer neue Archiv-Einträge, die den Hintergrund und die Geschichte der Spielwelt beleuchten, Einsteiger in das Fantasy-Epos bleiben potenziell aber trotzdem auf der Strecke – sie werden von Informationen, Namen und historischen Zusammenhängen schlicht erschlagen.
Als Serien-Kenner sind wir unseren Protagonisten bisweilen einen Tick voraus (wir wissen zum Beispiel längst, welches Geheimnis Königin Cersei mit allen Mitteln unter Verschluss halten will), aber das stört die Spannung nicht im Geringsten. Game of Thrones erzählt letztlich eine eigenständige und sehr intime Geschichte, die mit entsprechenden Vorkenntnissen viel mehr gewinnt als sie verliert.
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