Klassisch, aber auch taktisch
Es wird aber nicht nur geredet, sondern auch gekämpft. Und das geschieht in Dragon Quest 11 gemäß der Serientradition mit der Hilfe eines taktischen Kampfsystems, das uns rundenbasiert Attacken auswählen lässt. Während die Konkurrenz fast zur Gänze auf Echtzeit-Kämpfe umgestiegen ist, fühlen sich die Scharmützel hier noch immer so an wie damals. Das ist mittlerweile wieder eine willkommene Abwechslung, manchmal aber auch etwas langatmig, wenn wir bereits wissen, wie der Kampf gegen eine bestimmte Gegnergruppe ablaufen wird.
Wer will, darf in den Einstellungen die "Freie Bewegung" als Kampfmodus aktivieren. Dieser erlaubt es, die Gruppenmitglieder auf dem Schlachtfeld zu bewegen und die Kameraperspektiven selbst zu wählen. Was nach mehr Dynamik klingt, ist aber vollkommen unnötig, da Positionierung und Abstand zum Gegner keinen Einfluss auf die Kämpfe haben. Mit der klassischen Kamera werden die Angriffe besser inszeniert und die Gefechte sind deutlich übersichtlicher.
Diese Übersicht braucht es auch, denn die Kämpfe werden zunehmend taktischer und wer nicht mit den richtigen Buffs arbeitet, Kameraden auswechselt und die richtigen Schwachstellen ausnutzt, beißt sich spätestens bei den knackigen Bosskämpfen gegen menschenfressende Riesenspinnen oder legendäre Ritter die Zähne aus. Wer sich allerdings ein wenig reinfuchst und auf seinen Reisen den (jederzeit sichtbaren) Monstern nicht nur ausweicht, hat eigentlich immer eine faire Chance. Die Lernkurve wirkt deutlich ausgewogener als in Dragon Quest 8, das genre- und eigentlich serientypische Grinding wurde im elften Teil auf ein auch für westliche Rollenspieler verträgliches Minimum reduziert.
Zweihandschwert, selbstgemacht
Der Charakterfortschritt erfolgt hinsichtlich der Attribute und manchen Fähigkeiten zwar automatisch, doch Dragon Quest 11 bietet auch Raum für Spezialisierungen. Im Charakter-Baukasten können Fertigkeitspunkte in kleine Talentbäume investiert werden. Hier gibt es pro Kämpfer immer mindestens einen alternativen Waffenpfad und Freischaltungen von Fähigkeiten, Zaubern und passiven Boni. Wer seine Entscheidungen bereut, kann in der Kirche Geld dafür zahlen, um bestimmte Talentbäume zurückzusetzen.
Ebenfalls wichtig für die Vorbereitung auf harte Auseinandersetzungen ist die "Pfiffige Schmiede", also das obligatorische Crafting-System. Überall in der Welt und in den Taschen diverser Gegner sind Ressourcen versteckt, mit denen wir an der Schmiede starke Ausrüstung herstellen können. Die Rezepte dafür müssen aber ebenfalls erst einmal gefunden werden. Wer keine neuen Items braucht, kann auch bestehende Waffen oder Rüstungen aufwerten.
Damit das gelingt, gilt es, ein Mini-Spiel erfolgreich abzuschließen. Mit begrenzten Hammerschlägen müssen wir die Bestandteile der Gegenstände bearbeiten und die Schmiedeleiste füllen, bis sie den grünen Bereich erreicht. Das ist anfangs noch sehr leicht, doch je stärker die Ausrüstung, desto wichtiger sind taktische Hammerschläge und der Gebrauch von bestimmten Schmiedetechniken, die erst erlernt werden müssen. Der Nervenkitzel macht das perfekt geschmiedete Breitschwert dabei noch wertvoller.
Zu viel des Alten
Obwohl sich Dragon Quest 11 bemüht, altbackene Mechaniken zu modernisieren, ohne dabei den markanten Oldschool-Charme zu verlieren, gibt es dann aber doch ein paar Designentscheidungen, die den Spielfluss zu sehr bremsen, als dass sie als Retro-Bonus durchgehen. So kehrt auch die berüchtigte Kirche zurück, in der wir nicht nur speichern, sondern in die auch wesentliches Party-Management ausgelagert ist.
Wer erfahren möchte, wann seine Charaktere im Level aufsteigen, braucht einen Priester. Wer gefallene Party-Mitglieder (Yggdrasil-Blätter sind viel zu selten) wiederbeleben möchte, muss ebenfalls in die Kirche. Gleiches gilt für Flüche und Vergiftungen, für die es zumindest zu Beginn noch keine Gegenzauber oder ausreichend Items gibt. Fast jeder Gang ins Gotteshaus fühlt sich aufgezwungen und lästig an.
Selbst die automatische Speicherung funktioniert nur, wenn wir ein neues Gebiet betreten. Wer also eine Stunde lang einen Dungeon durchsucht und Gegner bekämpft hat, muss erst das nächste Lager aufsuchen oder den Ort kurz verlassen, damit der Spielstand gesichert ist. Ein plötzlicher Tod durch Unachtsamkeit kostet immer mal wieder kleinere Mengen des Spielfortschritts.
Das (bislang) beste Dragon Quest
Aber über diese Unbequemlichkeiten kann ich hinwegsehen. Dragon Quest 11 ist ein forderndes JRPG der alten Schule, das den besonderen Stil von Dragon-Ball-Erfinder Akira Toriyama noch kunstvoller in Szene setzt, als je zuvor. Die unterschiedlichen Städte, die wir auf unserer Reise besuchen, sind stets einzigartig und versprühen durch Akzente der NPCs und Architektur-Stile immer auch ein bisschen Lokalkolorit.
Zwar sind die meisten Designs der Gegner schon aus den Vorgängern bekannt, doch Neuzugänge sowie Neuinterpretationen sorgen für frisches Eintauchen in die Franchise-Historie. Schade dagegen: der Soundtrack ist wie in der US-Version nicht orchestriert, die Orchester-Versionen der Musikstücke gibt es nur auf dem separaten Symphonic Suite Soundtrack der Collector's Edition.
Dragon Quest 11: Streiter des Schicksal baut auf den Stärken der traditionsreichen Reihe auf und öffnet das starre Spielkonzept dabei genug, um auch westliche Spieler endlich von den Qualitäten der Marke überzeugen zu können. Ein besseren Einstiegspunkt für bisherige Skeptiker könnte es jedenfalls kaum geben.
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