Nebenjobs mit Hauptjob-Potenzial
Noch dazu können die Helden-Nebenjobs von Dragon Age: Inquisition sehr unterhaltsam sein, zumindest teilweise. So absolvieren wir zwar haufenweise simple Kurier- und Jagdaufträge à la »Bring diesen Brief zu irgendjemandem«, »Suche da drüben vier Leichen« oder »Erschlage den Typen da«, die an ein MMO erinnern. Viele Nebenquests erzählen aber auch interessante Geschichten und führen uns an Schauplätze, mit deren Design sich Bioware kein Quäntchen weniger Mühe gegeben hat als mit der restlichen Welt.
Beispielsweise erkunden wir eine Tempelruine, in der die Zeit eingefroren ist, während sich Magier und Dämonen gegenseitig die Köpfe einschlugen. Ehrensache, dass wir die Zeit und damit die Dämoneninvasion weiterlaufen lassen, sei's auch nur, um einen schicken Zauberstab zu erbeuten. Ein andermal lassen wir das Wasser aus einem Stausee ab, um ein überflutetes Dorf samt Höhlensystem zu erkunden.
Oder wir wagen uns in mal elfische, mal zwergische Ruinen, verhindern finstere Rituale, erstürmen Schneefestungen, jagen Riesen und Drachen. Kurzum: Spannende Aufgaben, die andere Rollenspiele nicht mal in ihrer Hauptquest unterbringen, warten in Inquisition gewissermaßen am Wegesrand. Die oft langen Laufwege verkürzen wir dabei per Karten-Schnellreise zwischen Lagern und Dörfern - oder auf unserem Pferd. Beim Reiten lösen sich allerdings unsere Begleiter aus, sodass wir auf eines der Highlights von Inquisition verzichten müssen: die Zankereien zwischen den Kameraden.
Oh, wo wir gerade die Drachen erwähnt haben: Zehn Feuerspeier hat Bioware in der Inquisition-Welt verteilt, wir müssen sie erst mal finden. Und auch wenn die Viecher einschüchternd groß sind, ist das gar nicht so einfach, denn meist verstecken sie sich in abgelegenen Ecken - oder am Ende von Auftragsketten.
Die Suche lohnt sich aber, die Drachenkämpfe gehören zu den absoluten Highlights von Inquisition, sie sind erstklassig inszeniert und knallhart, dauern schon mal zehn Minuten und spucken großartige Belohnungen aus. Der Sieg über eine der - übrigens todschicken - Schuppenechsen gehört somit zu den befriedigendsten Erfolgen im ganzen Spiel. Nicht schlecht für einen Nebenjob.
Keine Story für Einsteiger
Ist ja gut, wir hören schon die Beschwerden: Was labert ihr da von Nebenquests? Das Wichtige an einem Dragon Age, ach was, die Bioware-Kerndisziplin überhaupt, das ist doch die Story! Ja, das stimmt, angesichts der »neuen« Stärken von Inquisition - der Masse an Inhalt und der verlockenden Welt - tritt die Haupthandlung jedoch etwas in den Hintergrund. Was nicht heißen soll, dass sie mies ist, sie führt durchs Spiel, erschafft einige denkwürdige Momente, hat Wendungen in petto, ist dank Cutscenes und sehenswerter Schauplätze sehr gut inszeniert und nimmt im Spielverlauf immer mehr Fahrt auf. Umso gespannter sind wir, wie's weitergeht.
Dennoch erfüllt die Inquisition-Story erfüllt nicht alles, was wir von einem Dragon Age erwarten, zumindest nicht, wenn es dem ersten Serienteil nacheifern soll. Doch beginnen wir mit dem Anfang: Eine mysteriöse Explosion zerreißt eine Friedenskonferenz zwischen Magiern und Templern und damit auch deren Waffenstillstand, der Krieg eskaliert endgültig.
Äh, Sekunde: Krieg? Magier? Templer? Kirche? Oh, ja: Wer keinen der Vorgänger gespielt hat, versteht vor allem anfangs nur Drachenbahnhof und zuckt auch später bei den Auftritten alter Bekannter nur mit den Schultern. Auch wenn Bioware anderes verspricht, ist die Geschichte von Inquisition nicht gerade einsteigerfreundlich.
So düster wie im ersten Dragon Age ist das Universum allerdings nicht mehr, diesmal werden weder Kinder von Dämonen bessessen noch Bauernfamilien abgeschlachtet – wenn Dragon Age: Origins so rau war wie Game of Thrones, ist Inquisition eher so brav wie Herr der Ringe.
Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Templer und Magier mochten sich noch nie, nach Dragon Age 2 sogar noch weniger, und nach der verhängnisvollen Explosion überhaupt nicht mehr. Zudem klafft nun ein riesiger Dimensionsriss am Himmel, der Dämonen in die Dragon Age-Welt spuckt. Zugleich öffnen sich überall auf der Welt kleinere Portale, aus denen ebenfalls Ungeheuer quellen. Die Templer beschuldigen die Magier, die Magier die Templer, schon fliegen Fäuste und Feuerbälle.
Der Weltenretter - ein Qunari?!
Nur einer überlebt das Desaster: natürlich unser Held, in dessen Hand ein geheimnisvoller Splitter steckt, mit dem er Dimensionsrisse schließen kann. Warum dann nicht gleich beim großen anfangen? Daraus entspinnt sich die handelsübliche Auserwähltengeschichte, in der wir nach rund 10 Stunden auch mal den eigentlichen Bösewicht und Rissverursacher kennenlernen - der Serien-Nichtkennern ebenfalls erst mal nichts sagt.
Noch nichtssagender ist unser Held. Der führt später zwar die kirchliche Inquisition an, die Magier und Templer befrieden soll und zugleich gegen die Dämonen ins Feld zieht, bleibt aber merkwürdig steif - und darf auch nicht richtig böse sein. So lässt uns Bioware zwar angenehm oft die Wahl zwischen mehreren Vorgehensweisen, die schlimmsten lassen sich aber meist als »hart, aber gerecht« umreißen. Abgrundtief selbstsüchtig darf der Weltenretter nicht sein, eine schlechte Nachricht für schwarzbeseelte Spieler. Commander Shepard aus Mass Effect durfte den Kotzbrocken deutlicher raushängen lassen. Zudem muss sich der Held mit handzahmen Wattebausch-Dialogen begnügen, nur ganz selten darf er seinem Gegenüber die Meinung geigen.
Unseren Weltenretter beziehungsweise unsere Weltenretterin wählen wir übrigens aus drei Klassen (Krieger, Magier, Schurke) sowie vier Völkern: Menschen, Elfen, Zwerge und gehörnte Qunari. Unsere Klassenwahl spendiert uns neben anderen Kampffähigkeiten auch besondere Dialogoptionen, beispielsweise dürfen wir nur als Magier in einem Gerichtsverfahren gegen einen anderen Zauberkundigen entscheiden, dass der Angeklagte »besänftigt« wird, also seine magischen Fähigkeiten und seine Persönlichkeit verliert. Das kommt der Atmosphäre zugute.
Unsere Rassenwahl wiederum wird gelegentlich in Dialogen erwähnt, unseren Qunari beäugen viele Gesprächspartner misstrauisch - schließlich gehört er einem Kriegervolk an, das sich üblicherweise einen feuchten Kehricht um Menschenprobleme schert. Und das soll der Auserwählte sein?! Doch auch das erklärt das Spiel halbwegs glaubwürdig: Wir sind gewissermaßen ein Qunari-Punk, ein Angehöriger der Tal-Vashoth, die den steifen Qun-Ehrenkodex ablehnen und so leben, wie es ihnen passt.
In einer diplomatischen Mission am orlesianischen Kaiserhof hat unser Qunari zudem einen handfesten Nachteil, weil die Höflinge sein Volk verachten und hinter seinem Rücken vom »Ochsenmenschen« tuscheln. Wir müssen uns also viel mehr um ihre Gunst bemühen, was aber keineswegs nervig, sondern durchaus logisch und stimmungsvoll ist.
Das Ende … na ja, schon okay
Viel wichtiger als unsere Klassen- und Rassenwahl sind aber natürlich unsere Story-Entscheidungen. Wirken die sich denn spürbar aus? Nein, zumindest nicht auf den Handlungsbogen. So dürfen wir zwar mehrmals im Spielverlauf wählen, mit welcher Fraktion wir zusammenarbeiten, was zumindest in einem Fall auch andere Aufträge zur Folge hat. Manchmal merken wir aber auch einfach - gar nichts, die grundsätzlichen Ereignisse treten so oder so ein - vielleicht sehen wir die Folgen unserer Entscheidungen dann ja in Dragon Age 4.
Dass es eine Fortsetzung geben wird, daran lässt eine kleine Abschlussszene nach den Credits keinen Zweifel - ohne Cliffhanger geht's abermals nicht. So lässt uns das Ende etwas unbefriedigt zurück, auch weil wichtige Charaktere plötzlich nichts mehr zu sagen haben. Aber um auch das klar zu sagen: So horrend offen wir das Ende von Dragon Age 2 oder so unbefriedigend wie das Finale von Mass Effect 3 ist der Schlussakt von Dragon Age: Inquisition definitiv nicht.
Denn auch wenn das Ende neue Fragen aufwirft, beantwortet der Schlussakt von Inquisition auch einige alte; nach dem Endkampf wartet zudem noch wie in Dragon Age: Origins ein kleiner Ausklang mit den Begleitern. Und danach gibt's gezeichnete Bilder, die illustrieren, wie sich unsere Entscheidungen weiter auswirken werden - wenn auch nur oberflächlich. Wie die gesamte Story ist das Ende ja okay, aber nicht herausragend, nicht besonders.
Das Ende von Origins ließ uns seinerzeit noch zufriedener zurück, auch weil es mit der, ähem, Morrigan-Entscheidung kurz vor Schluss einen denkwürdigen Meilenstein setzte. Etwas derart Prägnantes kann Inquisition nicht bieten - abgesehen vom abschließenden Cliffhanger, denn der mag zwar nerven, ist aber durchaus interessant und lässt uns nun tatsächlich auf die Fortsetzung warten. Noch dazu dürfen wir nach dem Ende weiterspielen, noch offene Nebenaufträge erfüllen und die Welt erkunden. Auch wenn das angesichts der Ereignisse kurz vor Spielende nicht vollkommen logisch ist, aber das ist nun vollends Kritik auf hohem Niveau.
Dragon Age Keep
Weder auf dem PC noch auf den Konsolen dürfen wir unsere Spielstände aus den Vorgängern importieren. Stattdessen können wir über das Dragon Age Keep, ein Browser-Progrämmchen, unsere Quest-Entscheidungen aus den Vorgängern von Hand einstellen und ins Spiel importieren. Was teilweise ein Elefantengedächtnis erfordert: Wer etwa weiß noch, wem er vor fünf Jahren in Dragon Age: Origins die Leitung der Taverne von Redcliffe überlassen hat? Nicht, dass das übermäßig wichtig wäre, trotzdem wäre das Spielstand-Auslesen komfortabler gewesen. Dafür funktionierte der Keep-Import schon in unserem Test problemlos, auch wenn das Programm in der Beta noch einige Macken hat und etwa Entscheidungskonflikte bekrittelt, wo eigentlich gar keine sind.
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