Regierung forscht an Biokampfstoff, Biokampfstoff erschafft Zombies, Zombies geraten außer Kontrolle, Spezialeinheit greift ein. Man kennt das. Zumindest, wenn man wie ich Filme und Spiele rund um Zombies mag und zumindest schon mal ein oder zwei Teile der Resident-Evil-Reihe gespielt hat.
Daymare: 1998 versetzt einige Monate nach den PC-Besitzern nun auch PS4- und Xbox-One-Spieler in die goldene Ära des Survival-Horrors zurück - oder möchte das zumindest tun. Denn was seine Ursprünge als Fan-Remake von Resident Evil 2 nahm, bedient sich in seiner finalen Form zwar unverhohlen bei den Klassikern des Genres, achtet dabei aber nicht auf Spielbarkeit und eine spannende Geschichte.
Ich habe beim Test jedenfalls über unpräzise Mechaniken geflucht und an den unpassendsten Stellen über die dilettantisch erzählte Geschichte gelacht. Letzteres übt auf mich als Fan guten Trashs eine gewisse Faszination aus, ersteres muss meiner Meinung nach aber nicht sein. Vor allem wenn man so offensichtlich Resident Evil 2 nacheifert, einem der nach wie vor besten Survival-Horrorspiele überhaupt. Aber schauen wir uns doch mal genauer an, was Daymare richtig, und was es falsch macht.
Das haben wir getestet
Basis unseres Tests war eine Vorabversion für die Xbox One, gespielt auf der Xbox One X, die bis zur Veröffentlichung noch von Bugs befreit werden sollte. Ob dieses Vorhaben gelungen ist, können wir derzeit nicht sagen. Nach Release werden wir uns das Spiel noch einmal anschauen.
Huch, ich bin der Böse?
Die Story versetzt euch erwartungsgemäß in die Rolle eines Mitglieds einer Spezialeinheit, die einen Container mit Viren aus der klischeemäßig von Zombies überrannten Forschungseinrichtung bergen soll. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass unser Mann von H.A.D.E.S. alles andere als ein strahlender Held ist. H.A.D.E.S. steht für "Hexacore Advanced Division for Extraction and Search", und das ist nicht der einzige Verweis auf die griechische Mythologie, die das Spiel bereithält.
Getreu den Anweisungen eliminiert Agent Liev in der geheimen Forschungseinrichtung auch alle nicht mutierten Überlebenden, auf die er trifft - ohne dass ich als Spieler irgendwas dagegen tun könnte. Zugegeben, ich entscheide mich eigentlich immer für den "bösen" Weg, wenn ich in Spielen wie Mass Effect oder Bioshock die Wahl habe. Doch dass mich Daymare hier zwingt, in die Haut eines, entschuldigt die Ausdrucksweise, Oberarschlochs zu schlüpfen, hat mich doch etwas irritiert.
Der Ansatz der Entwickler wird allerdings klarer, je weiter man im Spiel vorankommt. Es ist kein Geheimnis, dass es drei Spielercharaktere gibt, deren Sichtweisen auf das Geschehen sich unterscheiden - das Spiel wirbt ja sogar damit. Und entsprechend darf man ab Kapitel zwei (von fünf) abwechselnd den von Halluzinationen geplagten "Everyday Joe" Samuel Walker sowie Raven, das gutmütige Mitglied der Spezialeinheit, steuern. Samuels Halluzinationen bringen einen interessanten Ansatz ins Spiel, denn ihr könnt euch nicht immer sicher sein, ob der angreifende Zombie echt oder nur Einbildung ist - möglicherweise verballert ihr sinnlos Munition.
Die Dreiteilung der Figuren ist zwar gut gemeint, wird aber durch maues Storytelling zunichte gemacht. Die Dialoge könnten dem Geist eines "edgy" eingestellten 15-Jährigen entsprungen sein, der zwar eifrig versucht, seinen Film- und Spielevorbildern gerecht zu werden, aber kläglich scheitert.
Zwischen den Kapiteln klärt zudem wenig spektakulär eine Texttafel mit Geschreibsel, das auch aus der Feder eines untalentierten D&D-Spielleiters stammen könnte, über den zwischenzeitlichen Stand der Geschichte auf. Es ist einfach kein gutes Zeichen, wenn ich etwa bei einer höchst dramatisch gemeinten Szene wegen der Texte und des erbärmlichen (englischen) Sprechers lauthals anfange zu lachen.
Unnötig verkompliziert
Abseits der Story macht Daymare: 1998 allerdings ein paar Dinge richtig. Man spürt förmlich den Geist der klassischen Resident Evils durch den Programmcode spuken, wenn man etwa Zylinder gleich hoch mit Flüssigkeit füllen, Hebel in der korrekten Reihenfolge ziehen oder Lösungshinweise zu Passwörtern auf Gemälden suchen muss. Dieser "zurück zu den Wurzeln"-Ansatz zeigt sich auch beim Inventar, das beinahe 1:1 aus Capcoms Horror-Klassikern übernommen wurde. Man fühlt sich als Fan quasi sofort zuhause.
Eine Neuerung macht das Überleben im Zombieland jedoch schwer: Das Spiel begnügt sich nicht damit, dass ihr Munition für eure Waffen im Inventar tragt, wenn ihr nachladen wollt. Ihr seid auf zusätzliche Magazine angewiesen, die ihr über das Menü manuell mit Patronen befüllen müsst, um sie verwenden zu können. Angenommen, euer Charakter trägt zwei volle Magazine mit sich herum, dann könnt ihr die während des laufenden Spiels benutzen, um die Waffe nachzuladen.
Sind sie jedoch leergeschossen, müsst ihr ins Inventar zurück, um sie umständlich wieder zu befüllen. Dabei wird allerdings das Spiel nicht angehalten, und etwaige herumstreunende Zombies und Mutanten können euch an die Gurgel springen. Das ist insbesondere bei Bosskämpfen mitunter tödlich und frustrierend.
Kein Ding, könnte man sagen, schließlich hat die Spielfigur auch einen Nahkampfangriff, um Gegner abzuwehren. Ja, der Schlag mit dem Gewehrkolben ist zwar gut gemeint, aber durch seine verzögerte Ausführung und die etwas schwammige Trefferwirkung nicht immer praktikabel. Klar, man gewöhnt sich nach ein paar Versuchen an das merkwürdige Timing, aber dann ist da noch der Ausdauer-Balken, der mit jedem Schlag abnimmt. Ohne sich ein entsprechendes Mittelchen zur Ausdauersteigerung zu spritzen, sind gerade mal drei Schläge möglich, bevor die Zombies einen umarmen und wildes Knöpfchenhämmern angesagt ist. Das etwas träge Verhalten der Spielfigur ist da ebenfalls nicht unbedingt hilfreich.
Holprige Zeitreise
Grafisch gibt sich die Zombieapokalypse etwas bieder. So survivalt ihr euch etwa durch ziemlich sterile Innenabschnitte oder durchaus atmosphärische Ausflüge in eine zerstörte Stadt - Resident Evil 3 nicht ganz unähnlich. Die Unreal Engine 4 setzt beispielsweise Feuersbrünste um verunfallte Fahrzeuge recht gut in Szene, man kann die Flammen beinahe spüren.
In einem Waldabschnitt lässt sie aber den Bodenbewuchs sichtbar wachsen und braucht teils ein paar Sekunden, um Texturen nachzuladen. Beim Test einer laut Publisher noch unoptimierten Version auf der Xbox One X kam es auch während Zwischensequenzen zu sehr starken Rucklern, und in einer Situation verkeilte sich mein Charakter im Wrack eines Feuerwehr-Trucks - entkommen unmöglich, Neustart unausweichlich. Dazu kommt eine ständig schwankende Framerate wie zu besten PlayStation-1-Zeiten. Die finale Version soll sauberer laufen, doch das bleibt natürlich abzuwarten.
Daymare: 1998 hat sich zum Ziel gesetzt, die Spieler in die 90er-Jahre zurückzuversetzen. Das gelingt spielerisch durchaus zu weiten Teilen, allerdings wäre noch enorm viel Feinschliff nötig gewesen, um diese Zeitreise wirklich angenehm zu machen. Story? Wegwerfen und neu schreiben! Munitions-Management und Inventarsystem? Siehe Story! So bleibt es ein Fall für leidensfähige Fans von Oldschool-Survival-Horror, die mit den vielen Makeln des Spiels leben können.
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