Erfolgreiche Anime-Marken gibt es viele. Erfolgreiche Anime-Marken, die auch fast 30 Jahre nach ihrem Debüt kein bisschen an Strahlkraft verloren haben, gibt es wenige. Captain Tsubasa gehört definitiv zur zweiten Gruppe. Neben der anhaltenden Manga-Reihe (aktuell "Rising Sun") sowie einer neuen TV-Serie, kommt mit Captain Tsubasa: Rise of New Champions nun endlich auch wieder ein großes Videospiel hinzu.
Entwickler Tamsoft bleibt der Vorlage treu und probiert sich in Rise of New Champions an einem Mix aus actionreicher Fußballsimulation und dramatischen Geschichten. Eine Mischung, die oft funktioniert, aber ebenso ihre Tücken hat.
11 Freunde, Rivalen und Erzfeinde müsst ihr sein
Es dürfte niemanden überraschen, dass Rise of New Champions klar für die Fans von Fußball-Wunderkind Tsubasa Ohzora gedacht ist. Die Anime-Vorlage stand in jeder Hinsicht Pate, was am stärksten beim Look des Spiels zu merken ist. Das Art Design setzt auf den RTL2-Wiedererkennungswert und auf das Gefühl, die TV-Folgen selber nachspielen zu dürfen - nur eben in 16:9 und HD. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die erzählte Geschichte selbst.
Eine neue Storyline gibt es nämlich nicht, stattdessen setzt Captain Tsubasa: Rise of New Champions auf die Ereignisse, die bereits aus den Serien bekannt sind. Gleich zwei spielbare Story-Kampagnen sind enthalten:
- Episode: Tsubasa - Eine etwas kürzere Geschichte (ca. 5 Stunden), die mit Tutorials unterfüttert ist, und Tsubasa als Mittelschüler zeigt, der in einem landesweiten Turnier gegen andere Schulen (und alte Freunde) antreten muss.
- Episode: Neuer Held - Die deutlich längere Geschichte (ca. 15 Stunden) mit mehr spielerischem Anspruch, in der wir selber einen (männlichen) Charakter erstellen und aus dessen Perspektive auf die internationale (Jugend-)Ebene wechseln. Hier treten dann auch die Weltstars wie Karl-Heinz Schneider, Louis Napoleon oder Alan Pascal auf den Plan.
Die beiden Story-Modi laufen allerdings recht ähnlich ab. Beide rücken ein Fußballturnier in den Mittelpunkt, dessen einzelne Matches als Akte dienen. Vor und nach den Spielen gibt es jede Menge Gespräche, die sich meist um Ehrgeiz, Arroganz oder persönliche Probleme drehen, die der eigenen Performance auf dem Rasen vielleicht im Wege stehen könnten. In Episode: Tsubasa laufen die Dialoge automatisch ab, in Episode: Neuer Held gibt es anwählbare Antwortmöglichkeiten, die aber keinen Einfluss auf die Geschichte nehmen, sondern nur unterschiedliche Reaktionen des Gesprächspartners provozieren.
Was Captain Tsubasa: Rise of New Champions besonders macht, ist die Tatsache, dass die Story mit dem Anpfiff keine Pause einlegt. Ganz im Gegenteil sogar, denn auch während der Matches kommt es zu Zwischensequenzen, die den Spielverlauf dramatisieren. So verletzt sich Tsubasa beispielsweise in einer Szene an der Schulter, um einen gefährlichen (und anime-typisch akrobatischen) Spezialschuss abzuwehren. Diese Verletzung macht sich sowohl im Spiel als auch im restlichen Turnier immer wieder bemerkbar.
Das Gameplay wird durch diese Momente zwar unterbrochen, aber da sie nur vereinzelt vorkommen, wird das nicht zum Problem. Viel eher werden die einzelnen Matches dadurch eher zu einer Art Bosskampf, in der sich Obermotz und Held während des Scharmützels noch ein paar unterhaltsame Sprüche um die Ohren hauen.
Akrobatischer Fantasy-Fußball
Diese Story-Häppchen, die in das Fußball-Gameplay eingebunden sind, kennen Fans aus dem Anime. In Captain Tsubasa: Rise of New Champions schauen wir aber nicht einfach nur zu, sondern tragen selbst zum Erfolg bei. Denn bei aller Geschichte und Anime-Ästhetik bleibt Rise of New Champions noch immer ein Fußballspiel. Wer dabei an PES oder FIFA denkt, liegt allerdings falsch. Statt einer realistischen Simulationen, die auf Taktik setzt, geht es hier um Arcade-Action.
Klar, Pässe spielen, Flanken schlagen und Torschüsse absetzen, können wir ebenfalls. Geschicklichkeit ist insgesamt jedoch weniger gefragt als das Haushalten von Ressourcen. Jeder Spieler auf dem Platz verfügt nämlich über eine Art Ausdauer-Leiste, die den Willen des Kickers repräsentieren soll. Besondere Dribbel-Manöver oder Superschüsse zehren an der Leiste und die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Ball abgeluchst bekommen, steigt.
Wie viel Fußball steckt in Captain Tsubasa: Rise of New Champions?
Größtenteils orientiert sich das Spiel am Rasensport, nimmt sich aber auch Freiheiten. So dauert eine Halbzeit nur 30 Minuten, statt 45 (in Echtzeit etwa 6 Minuten). Einen Schiedsrichter gibt es nicht, was selbst die Blutgrätsche als letzter Mann zu einer legitimen Option macht. Ins Abseits laufen können wir jedoch trotzdem. Und wer mag kann vor dem Match die Aufstellung anpassen und jederzeit taktische Feineinstellungen vornehmen, wie etwa den Aufruf zum Konter bei der Balleroberung in der eigenen Hälfte.
Im direkten Aufeinandertreffen zweier Spieler, sagen wir Stürmer und Innenverteidiger, entscheiden zwar auch die individuellen Angriffs- und Abwehr-Werte, wie das Duell ausgeht, der Willen spielt aber letztlich die größte Rolle. Selbst als Superstar Tsubasa haben wir keine Chance, in den Strafraum vorzudringen, wenn wir unseren Willen schon vorher durch andere Zaubertricks aufgebraucht haben. Da hilft nur: Lücke suchen und rechtzeitig abspielen.
Die Spezialaktionen, die unseren Willen kosten, sind stets mit aufwändig animierten Szenen dargestellt. Mal ist es ein schneller Übersteiger, der blaue Blitze erzeugt, mal ist es die Grätsche, mit der wir in Zeitlupe den Ball zurückerobern. Da jeder (wichtige) Charakter seine eigenen Fertigkeiten hat, laufen wir auch nur selten Gefahr, dass uns die immergleichen Animationen langweilen.
In Captain Tsubasa: Rise of New Champions ist Fußball fast schon Martial Arts und dementsprechend erinnert das Gameplay oft an Fighting Games. Wenn die Tachibana-Zwillinge zu ihrem "Skylab-Hurrikan"-Kopfball ansetzen, dann ist das halt eher Street Fighter und weniger Pro Evolution Soccer.
Die teils hakelige Steuerung und hölzernen Animationen der Spieler können so mancher Abwehraktion aber auch einen Strich durch die Rechnung machen. Die Präzision echter Fußballsimulationen erreicht Captain Tsubasa: Rise of New Champions nicht. Dadurch kann manchmal, gerade wenn viele Spieler auf einmal an den Ball wollen, die Übersicht flöten gehen.
Das Runde will einfach nicht ins Eckige
Die Willens-Mechanik funktioniert überraschend gut und motiviert dazu, das eigene Team besser zu verstehen und zu wissen, wo der nächste, noch frische Anspielpartner steht. Einzelaktionen sind selten, was sie dann allerdings besonders macht. Allerdings hat das System einen großen Nachteil: Torwarte haben ebenfalls eine Willen-Leiste. Und ja, ein Tor erzielen können wir erst, wenn dessen Leiste fast komplett erschöpft ist. Um das zu erreichen, müssen wir den Torwart mit mehreren Schüssen zu Glanzparaden zwingen.
Was auf dem Papier vielleicht Sinn ergibt, führt im Spiel dazu, dass ich mich mühsam in den Strafraum vorarbeite, endlich einen guten Torschuss absetzen kann, nur um gleichzeitig zu wissen, dass der Ball mit Sicherheit gehalten wird. Am Ende bin ich gezwungen, erst drei oder vier Mal auf das Tor zu schießen, bevor ich mir überhaupt Hoffnung machen kann, tatsächlich ein Tor zu erzielen.
Das nimmt jedem noch so toll in Szene gesetztem Spezialschuss seinen Reiz, denn ich schieße immer mit dem Wissen, dass ich damit nur den Torwart schwächen kann. Und wenn es beim auf's Tor schießen nicht um den Spaß geht, auch Tore zu schießen, verkommt jeder Angriff zur mühseligen Fleißarbeit, die sich vielleicht irgendwann einmal auszahlt. In letzter Minute noch überraschend den Ausgleichstreffer zu erzielen, fällt hier weg. Ich weiß immer schon, wann ich kurz vor einem Tor bin oder Gefahr laufe, ein Gegentor zu erzielen.
In den Story-Kampagnen leidet die Spannung noch zusätzlich, weil es die Geschichte manchmal einfach vorsieht, dass ich ein Gegentor kassiere - egal wie gut ich spiele. Den Rückstand aufzuholen macht dann nur wenig Spaß. Denn wenn ich schon so hart für ein Tor arbeiten muss, dann will ich damit wenigstens in Führung gehen dürfen. Eine reine Trefferwahrscheinlichkeit, die auf dem Willen des Schützen basiert, hätte Captain Tsubasa: Rise of New Champions deutlich besser gestanden.
Mit dem Online-Modus in die Verlängerung
Wer möchte, kann in Captain Tsubasa: Rise of New Champions auf die Geschichte verzichten und sich allein auf den Fußball konzentrieren. Auf Wunsch können wir Offline-Partien mit bis zu vier Freunden wagen oder uns in den Online-Modus stürzen. Über den Dream-Team-Modus erstellen wir ein eigenes Team (inklusive Trikot- und Emblem-Design) und füllen den Kader mit unseren Lieblingsspielern und deren Spezialfertigkeiten.
Die Ligaspiele erfolgen dann online-typisch in Seasons und wir können je nach unseren Fähigkeiten auf- und wieder absteigen. Da zum Zeitpunkt des Tests natürlich noch die Online-Gegner fehlen, lässt sich zu den Live-Bedingungen des Modus' nichts sagen. Das Tor-Problem von Captain Tsubasa: Rise of New Champions ist aber im Duell mit echten Spielern ebenso eine mögliche Spaßbremse.
Sammler kommen ebenso auf ihre Kosten. So lassen sich im Verlauf der Story-Kampagne kleine Videos freischalten, die die Vorgeschichte des Animes erzählen und mit den sogenannten Freundschaftskarten gibt es Panini-artige Sammelbilder. Letztere bilden die nationalen und internationalen Stars ab und lassen sich über die Ingame-Währung in Karten-Packs kaufen. Wer die Sammelbilder doppelt hat, stuft sie damit auf und kann die Spezialfertigkeiten der Kicker freischalten, um sie dann selbst erstellten Spielern hinzuzufügen.
Bolzen mit Freunden statt Fußball auf Weltniveau
Captain Tsubasa: Rise of New Champions fängt das Gefühl der Vorlage wunderbar ein. Sowohl optisch als auch erzählerisch kommen Fans auf ihre Kosten. Aber selbst wer keine Ahnung von Taro Misaki, Ken Wakashimazu oder Hermann Kaltz hat, wird der Geschichte folgen können und Spaß am überdrehten Arcade-Fußball haben. Das experimentelle Gameplay hat allerdings seine Schattenseiten und am Ende macht das Passspiel im Mittelfeld mehr Spaß als das Tore schießen - und das sollte eigentlich nicht so sein.
Wer sich damit anfreunden kann, bekommt überraschend strategisches Gameplay geboten, das durch die Story-Einbindung locker 20 bis 30 Stunden Unterhaltung bietet. Wer dann noch Lust hat, kann sich online austoben und seine Traumelf perfektionieren. Die meisten werden sich wohl mit den Singleplayer-Kampagnen zufrieden geben und das ist vollkommen in Ordnung. Wem das Kicken selbst wichtiger ist als seine Gegner zu dominieren, wird hier Fußball erleben, der einfach Spaß machen darf - egal wie verrückt er manchmal ist.
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