Storyschwächen
Gerade weil die Story bei Beyond derart im Vordergrund steht, fallen uns aber auch ihre erzählerischen Schwächen stärker auf in anderen Spielen. Die Szene, in der Jodie der Obdachlosen bei der Geburt hilft, ist intensiv und für ein Spiel ungewohnt - aber sie ist auch klischeehaft, sowohl die Dialoge als auch das pathetische Geschehen an sich könnten aus jedem x-beliebigen Hollywood-Schmalzstreifen stammen. Noch schwerer wiegen Logiklücken, die uns immer wieder ein Runzeln auf die Stirn treiben - vor allem im Bezug auf Aiden. Warum etwa kann der Geist Jodie mit einer »magischen« Schutzblase vor dem Sturz von einem Zugdach retten oder sie nach besagtem Sturz zumindest heilen, ihr aber nicht helfen, wenn wenige Minuten später Wölfe angreifen?
Warum kann er in der einen Szene Menschen erwürgen und lässt in der Jodie in der nächsten schmählich im Stich, wenn sie von mehreren Männern angegriffen wird? Das Spiel erklärt Aidens Verhalten auch später in keinster Weise. So fühlt sich Beyond teilweise sehr künstlich an, wir spüren gewissermaßen die Leine der Entwickler: Aiden greift immer dann ein, wenn Quantic Dream das für sinnvoll hält. Wenn nicht, hält er sich eben zurück. Das ist ein durchaus klassischer Erzählkniff, der uns aber in einem Kinofilm genauso auffallen würde. Noch dazu erklärt Beyond auch viele andere Geschehnisse nicht oder nur unzureichend. Der CIA-Ausbilder Ryan etwa beobachtet Jodie bei ihrem Training - und bereits kurz darauf ist sie in ihn verliebt. Warum? Was ist dazwischen vorgefallen? Die Antworten darauf bleibt das Spiel schuldig - und wir fühlen uns, als hätten wir in einer TV-Serie gerade eine Folge verpasst.
Und das geschieht nicht nur einmal, sondern im Spielverlauf mehrfach. Bitte nicht falsch verstehen: Die Handlung, die Inszenierung von Beyond sind einzigartig; nicht viele Spiele trauen sich, die Erzählung derart in den Vordergrund zu stellen. Und natürlich haben auch andere Spiele erzählerische Lücken und klischeehafte Wendungen (»Aha, der Master Chief mag die leicht bekleidete KI-Dame!«), doch spielerische Stärken trösten in den meisten Fällen darüber hinweg. Bei Beyond erleben wir mangels spielerischer Qualitäten nun mal die »nackte« Erzählung, wie bei einem Film - entsprechend schwerer wiegen deren Schwächen. Zumal wir schon Erzählspiele erlebt haben, die's noch besser machen, etwa Telltales großartiges Episoden-Adventure The Walking Dead. Da darf man auch von einem David Cage inzwischen mehr erwarten.
Mehrere Möglichkeiten
Wie es für Jodie weitergeht, können wir im Verlauf der Story - zumindest teilweise - beeinflussen. Beispielsweise haben wir in den an sich automatisch ablaufenden Gesprächen immerhin die Möglichkeit, unterschiedlich zu antworten. Reagiert Jodie zum Beispiel offen und ehrlich oder aggressiv und gereizt auf eine Frage? In einer Sequenz besucht Jodie eine Geburtstagparty, wird wegen ihrer übernatürlichen Gabe aber gehänselt und eingesperrt. Nachdem sie sich befreit hat, können wir entscheiden, ob wir Rache nehmen wollen oder einfach das Haus verlassen.
Hier packt Beyond allerdings auch den Holzhammer aus und trifft den Spieler unvermittelt: Wieso sollen wir mit dem kleinen, unschuldigen Mädchen, in das wir uns gerade richtig hineinversetzt haben, auf einmal fiese Rache nehmen und das Haus anzünden (Ja, das geht!)? Den Verlauf der Geschichte beeinflusst unsere Wahl allerdings enttäuschend wenig, denn viele Dialoge entwickeln sich trotz mehrerer Antwortmöglichkeiten in eine bestimmte Richtung. Auch bestimmte Ereignisse finden auf jeden Fall statt und lassen sich nicht verhindern, aber wenigstens manchmal hinauszögern. Insgesamt beläuft sich die Spielzeit auf knapp zehn Stunden, der Wiederspielwert ist wegen den unterschiedlichen Möglichkeiten und den insgesamt 23 Enden (von denen wir im Test fünf gesehen haben) ziemlich hoch.
Doch wie spielt sich ein Titel, dass sich nicht so recht zwischen den Medien Film und Spiel entscheiden kann? Ziemlich simpel, oft sogar zu simpel, auch wenn deutlich mehr Spiel in Beyond: Two Souls steckt, als noch in Heavy Rain. Meistens läuft es folgendermaßen ab: Jede der 26 Sequenzen (die zwischen 5 und 30 Minuten dauern können) beginnt mit einer längeren Zwischensequenz, danach können wir Jodie frei steuern. »Frei« bedeutet in diesem Fall aber lediglich »in die vorgegebene Richtung«, denn meistens gibt uns Beyond eine Art Korridor vor, den wir zu durchlaufen haben. So stellt Quantic Dream natürlich sicher, dass wir jederzeit das zu sehen bekommen, was die Entwickler uns zeigen wollen. Es führt aber auch zu einem gewissen Einengungsgefühl. Interaktionsobjekte markiert das Spiel mit einem weißen Punkt.
Dort können wir mithilfe des rechten Sticks eine Aktion ausführen, zum Beispiel Türen öffnen oder Gegenstände benutzen. Mehr als eine kurze Stickbewegung braucht es nicht, die Möglichkeiten in einem Abschnitt sind zudem sehr begrenzt. An manchen Stellen müssen wir zudem auf bestimmte Knöpfe hämmern oder sie länger gedrückt halten - zum Beispiel, um gegen eine Tür zu klopfen. Und um eine Weinflasche zu öffnen, müssen wir den rechten Stick erst drehen und dann durch ein kurzes Anheben des Controllers den Korken herausziehen.
Ähnlich verhält es sich bei den Kämpfen, denn Jodie wird im Verlauf des Spiels in die eine oder andere Prügelei verwickelt. Hier müssen wir den Stick in die Richtung ihrer Bewegung (die Kämpfe laufen automatisch ab) drücken, sobald sich das Spielgeschehen kurz verlangsamt. Ärgerlich: manchmal passiert alles derart schnell, dass nicht wirklich klar ist, in welche Richtung wir genau drücken müssen. Beim Test haben wir deswegen den ein oder anderen ungewollten Hieb einstecken müssen. Das ist in letzter Konsequenz aber kein Problem, denn sterben oder komplett scheitern kann Jodie im Verlauf des Spiels nicht. Das nimmt zwar eine Menge Druck vom Spieler, allerdings fehlt so auch das Fünkchen Motivation, zumal wir auch eine spezielle Anfängersteuerung einstellen können, bei der uns dann die genauen Eingaben angezeigt werden.
Besonders hakelig sind die Abschnitte, in denen Jodie im Third-Person-Shooter-Stil Gegner ausschalten und hinter Mauern in Deckung gehen muss. Dort wird das Anlehnen an eine Wand (mit der X-Taste) oft zum Glücksspiel und Ausrufe wie »Was soll das denn?« oder »Ach bitte!« waren beim Test keine Seltenheit, zumal wir auch eine Sprint- oder zumindest Schneller-Gehen-Taste vermissen. Klar, Beyond setzt seine Schwerpunkte woanders, wir hätten dennoch erwartet, dass die überschaubaren spielerischen Elemente zumindest reibungslos funktionieren.
Zweispieler-Modus
Beyond: Two Souls lässt sich auch zu zweit spielen. Dafür benötigt ihr einen zweiten Controller - oder ein unterstütztes Smartphone oder Tablet - und stellt im Hauptmenü den Spielmodus auf »Dual«. Nun steuert ein Spieler Jodie, der andere Aiden. Allerdings funktioniert das nicht gleichzeitig bzw. im Splitscreen, sondern lediglich nacheinander. Steht Spieler 1 also vor einer verschlossenen Tür, muss er zu Aiden wechseln, erst dann kann sich Spieler 2 bewegen.
Was zunächst wie ein Gimmick klingt, funktioniert erstaunlich gut. Das liegt daran, dass hier Spielmechanik und Story direkt in einander greifen: Für Jodie ist ihr Geist nämlich Fluch und Segen zugleich; zwar hilft er ihr oft in brenzligen Situationen aber gleichzeitig verhindert er, dass sie ein normales Leben führen kann. Und obwohl er oft in Jodies Interesse handelt, kann sie ihn nicht direkt kontrollieren - er hat einen eigenen Willen. Und genau diesen Zwiespalt spürt man im Dualmodus selber.
Wenn man als Spieler 1 auf der besagten Geburtstagsparty Aiden entfesselt um sich für die Hänselei zu rächen, kann man ab diesem Zeitpunkt nur noch zusehen. Und wenn man dann miterlebt, wie der Mitspieler sich auf die anderen Teenager stürzt, mit Messern um sich wirft und das Haus in Brand setzt statt wie geplant lediglich die Torte umzuwerfen, dann versteht man Jodies Dilemma besser als nach 20 Zwischensequenzen. Wer einen Mitspieler zur Hand hat, sollte den innovativen Dual-Modus also ausprobieren.
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