Ich bin seit 28 Jahren begeisterter Diablo-Spieler und auch wenn ich immer wieder Ausflüge in andere Action-RPGs, wie Grim Dawn oder Titan Quest unternahm, kehrte ich immer zu meiner geliebten Reihe von Blizzard zurück. Path of Exile, der größte Diablo-Konkurrent, ging bisher sogar nahezu komplett an mir vorbei, da mich die hohe Komplexität der Charakterentwicklung etwas abgeschreckt hatte.
Nun konnte ich die Kampagne von Path of Exile 2 ausprobieren und habe in 30 Stunden spektakuläre, einzigartige Bosskämpfe gesehen und mich in einem komplexen, aber überaus motivierenden Charaktersystem verloren.
Eine wichtige Info vorab: Meine Eindrücke und auch die Wertungstendenz (siehe Fazit) bezieht sich bislang rein auf die Kampagne von Path of Exile 2 bzw. die ersten 65 Level. Das Endgame werden wir separat testen und später in die finale Wertung zum Full Release einfließen lassen.
Was euch im Endgame erwartet, erfahrt ihr in unserem Early Access-Artikel:
Story zum vergessen, Atmosphäre zum Staunen
Meine Reise beginnt am Galgen. Sechs arme Seelen wurden durch den wahnsinnigen Herrscher Ogham zum Tode verurteilt und warten auf ihre Exekution. Zeit für mich, eine von ihnen und damit meine Klasse zu wählen. Ich entscheide mich für den Söldner, einen starken Fernkämpfer mit Armbrust und bin etwas enttäuscht, dass ich das Aussehen nicht selbst wählen darf.
Nachdem ich den Charakter gewählt habe, zieht der Henker den Hebel. Zum Glück reist mein Seil und ich kann mich gerade so mit einem Sprung ins Meer retten. Angespült an einem Strand voller Zombies greife ich mir eine rostige Armbrust und mache mich auf den Weg ins Unbekannte.
Kurze Zeit später erreiche ich das erste Dorf, spreche mit den ersten NPCs und bekomme verschiedene Aufgaben. So besorge ich für eine Bardin etwa ihre Laute oder helfe, den Wald vor dem Dorf von einem Monster zu befreien.
Was die Story angeht dürft ihr nicht dieselbe Qualität wie in Diablo 4 erwarten. Alle Kapitel haben ihre eigenen kleinen Geschichten, die nur lose zusammengehalten werden. Abgesehen vom animierten Intro, gibt es fast keine Zwischensequenzen (es gibt nur ein paar Zeichnungen zwischen den Akten) oder Charaktere, die euch in Erinnerung bleiben. So verschwindet die Story schnell im Hintergrund.
Das macht die Welt von PoE2 aber keineswegs schlecht. Stattdessen setzt das Spiel auf eine großartige und in Teilen überaus düstere Atmosphäre und wirft mich von einem coolen Szenario ins nächste.
So ist die Stadt des zweiten Kapitels zum Beispiel eine Karawane aus mehreren verbundenen Wagen, die von einer Horde Zombies durch die Wüste gewogen wird. Dann schleiche ich durch alte Gruften, in denen plötzlich Statuen zum Leben erwachen. In einer alten Inka-Stadt versuche ich Blutritualen zu entgehen oder untersuche an anderer Stelle das Verschwinden eines Stamms in durch wackelige Brücken verbundenen Baumhäusern.
Unterstützt von einer (zumindest in der von mir gespielten PC-Version) fantastischen Grafik, passender Beleuchtung und einem stimmigen Soundtrack, habe ich mich komplett in der Welt verloren, die nur so vor Details strotzt.
Kosten und Microtransaktionen
Path of Exile 2 wird zum Release genau wie sein Vorgänger Free-to-Play. Um Zugang zum Early Access zu bekommen, müsst ihr jedoch ungefähr 30 Euro ausgeben, um ein Supporter Pack zu kaufen.
Dazu gibt es einen Ingame-Shop. Den konnte ich aber nicht in meiner Vorab-Version am PC einsehen. Der Entwickler Grinding Gear Games hat aber schon angekündigt, was alles im Shop verfügbar sein wird. Was genau das sein wird und wieviel das kostet, hat für euch Kollege Kevin näher unter die Lupe genommen.
Einfacher Einstieg, der schnell anzieht
Was für viele aber ohnehin wichtiger ist: Wie spielt sich das Ganze denn nun?
Leicht hat es mir Path of Exile 2 nicht gemacht. Denn während die Zombies am Strand schon nach einem einzigen Schuss umfallen, so hatte es schon der erste Boss durchaus in sich.
Ein gewaltiger Zombie mit Hammer, der mich mit nur einem mächtigen Schlag aus den Socken hauen kann. Hier lernte ich eine wichtige Lektion: Wer nicht ausweicht, stirbt! Das ist aber gar nicht so einfach, obwohl die Ausweichrolle im Gegensatz zu Diablo nicht mal eine Abklingzeit hat.
Selbst Nahkämpfer haben hier ein böses Erwachen, wenn sie nicht geschickt Schaden vermeiden – das gilt gleichermaßen für die Bosse, aber auch für große Monsterhorden. Das Spiel erfordert fast die ganze Zeit meine volle Aufmerksamkeit und Konzentration.
Dafür belohnt mich das ARPG aber auch mit dutzenden einzigartigen Kämpfen. Schon normale Monster haben das ein oder andere Ass im Ärmel. So verstecken sie sich in Rauchwolken, explodieren bei Tod, haken mich mit Harpunen am Boden fest oder zerschmettern mich, nachdem sie mich eingefroren haben.
So steht es um die Technik im Early Access
In unserer PC-Version hatten wir kaum technische Probleme. Zwei Mal stürzte das Spiel ab und musste neu gestartet werden. An anderer Stelle hängten sich mal die Animationen eines Bosses auf. Außerdem verschwanden einige Fähigkeiten nach einem Update aus unserem Skillbuch. Für einen Early Access läuft Path of Exile 2 jedoch erstaunlich rund.
Wie es um die Technik auf Konsolen steht, konnten wir vor Release mangels Keys leider nicht testen. Sollten sich hier Auffälligkeiten ergeben, werden wir euch darüber informieren.
Dazu führt das Spiel eine enorme Menge an coolen Bossen ins Feld. Die sind nicht nur alle durchweg spektakulär in Szene gesetzt und haben oft mehrere Phasen, sondern sind auch stets sehr einzigartig.
So zum Beispiel eine riesige Vogelkreatur, die nach dem Verlust eines Drittels ihrer Lebenspunkte durch den Level flieht und sich eine gewaltige Glocke schnappt, die sie im weiteren Kampf als Waffe nutzt. Nach noch einem Drittel flieht sie erneut, nur um mich danach in einer Arena mit dornigen Ranken herauszufordern, in der ich nicht mehr so gut ausweichen kann.
Um das nochmal ganz deutlich zu machen: Gerade die Bosse in Kapitel drei haben mich fast zum Aufgeben gebracht. Nachdem ich sie dann doch nach einigen Versuchen besiegt hatte, stellte sich aber derselbe Siegesrausch wie bei manch Titel von From Software wie beispielsweise Dark Souls ein.
Seid ihr vor allem die unteren Schwierigkeitsstufen aus Diablo 4 gewohnt, wird euch Path of Exile 2 von Anfang an herausfordern.
Großartige Charakterentwicklung mit Erklärungsbedarf
Um den Gegnerhorden etwas entgegenzusetzen, musste ich tief in das Charaktersystem von Path of Exile einsteigen, das trotz seiner Komplexität erstaunlich zugänglich ausgefallen ist.
Das beginnt mit dem gewaltigen Skilltree, der über 1.500 passive Fähigkeiten beinhaltet. Die verbessern eure Zauber, Blitzschaden, geben euren Attacken eine Chance auf Bluten oder einen sich regenerierenden Schild. Was mir zu Beginn wie ein unüberwindliches Hindernis erschien, war dann aber doch überraschend eingängig.
Knoten, die zusammengehören, bilden zusammen Sternbilder, an denen man sich orientieren kann. Wenn ich zum Beispiel meine Armbrust verbessern will, dann muss ich nur nach Knoten suchen, die eine Armbrust bilden. Der Fernkampfschaden wird dort erhöht, wo die einzelnen Talente einen Pfeil bilden. Bin ich mit einer Entscheidung nicht zufrieden, nehme ich etwas Gold in die Hand und verteile gewünschte Punkte einfach um.
Aktive Fähigkeiten erhalte ich hier allerdings nicht. Die stelle ich aus Edelsteinen her, die von Gegnern fallengelassen und danach in einem Menü ausgerüstet werden. Für jede Fähigkeit gibt es kleine Videos, die mir nicht nur den Skill in Aktion zeigen, sondern auch erklären, ob sie mit anderen Fähigkeiten zusammenwirken. Allerdings sind noch nicht alle Skills mit Videos versehen, was sich wohl erst im Laufe des Early Access ändern wird.
Zusätzlich gibt es noch sogenannte Support-Steine, mit denen ich meine Fähigkeiten anpassen kann. So werden aus einer Granate etwa drei oder durch meinen Frostbolzen eingefrorene Gegner erzeugen ein zusätzliches Eisfeld, das weitere Feinde unterkühlt.
Das lädt zum Experimentieren ein, weil sich die Unterstützungs-Gemmen einfach zwischen Fähigkeiten hin- und her tauschen lassen.
Alles Wichtige zum Koop gibt's von Samara
Ich habe Path of Exile 2 auf Couch Koop-Tauglichkeit abgeklopft und hatte richtig viel Spaß dabei! Praktisch ist schon allein, dass mein Mitspieler einfach nur einen zweiten Controller verbinden und sich nicht mit einem eigenen Account anmelden muss. Auch Kosten für ein zweites Unterstützerpaket fallen damit weg.
Schön ist zudem, dass wir uns, genau wie bei Diablo 4, zeitgleich im Ausrüstungsmenü austoben können, was absolut notwendig ist, weil das dauern kann. In Diablo 3 entstand dagegen immer eine nervige “Zwangskaffeepause”, wenn der Koop-Partner das Menü öffnete.
Zu zweit lässt sich auch schön taktieren. Beispielsweise dann, wenn der Nahkampfcharakter, der fürs Töten von Feinden Gesundheit zurückerlangt, die Adds in Schach hält, während die Fernkämpferin den Boss mit Pfeilen malträtiert.
Wir hatten den Eindruck, dass das ARPG zu zweit ein ganzes Stück leichter wird, schon allein, weil wir nicht die ganze Zeit unter Beschuss sind, sondern Verschnaufpausen bekommen – und uns nach überraschenden One Hits gegenseitig wiederbeleben können. Ganz so gemütlich wie bei Diablo 4, bei dem mein Partner und ich gerne Podcasts hören, während wir uns durch Monsterhorden mähen, wird es aber trotzdem nicht.
Leider werden aber nicht alle Systeme gut erklärt. So konnte sich mein Söldner später mit einer Aszendenz (Unterklasse) spezialisieren und zum Hexenjäger aufsteigen. Darauf bin ich allerdings nur zufällig gestoßen.
Auch das Waffenwechsel-System, das mir ermöglicht Fähigkeiten oder sogar einzelne Skillpunkte aus dem passiven Skilltree an eine bestimmte Waffe zu binden, wurde mir nicht ausreichend näher gebracht.
Trotzdem haben mir die Komplexität und die damit verbundenen Möglichkeiten eine Menge Freude bereitet. Wer jedoch ein eher reduziertes und eingängiges Charaktersystem, wie in Diablo 4 erwartet, könnte hier durchaus enttäuscht oder überfordert werden.
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