Taktisch und vielschichtig
Der Clou: Schwache Standardangriffe lassen uns temporäre Kraftreserven ansammeln, die sich auf den bestehenden Manapool addieren. Diese Mechanik sorgt für fortlaufend spannende und facettenreiche Entscheidungen im Kampf: Greifen wir Gegner direkt mit unseren stärksten Spezialfähigkeiten an und verbrauchen so kostbare Manavorräte? Oder versuchen wir erst ein paar Standardattacken zu landen, um mehr kostenlose Energiereserven zu horten?
Da reguläre Attacken deutlich weniger Schaden austeilen, kommen die Feinde unweigerlich öfter zum Zug, um ihrerseits Angriffe zu starten. Das Timing und die Reihenfolge der Aktionen spielen dabei eine entscheidende Rolle in den taktischen Überlegungen.
Starke Hiebe, die mehrere Feinde auf einmal schwächen oder mit Elementarschäden belegen, benötigen Vorbereitungszeit. Weniger starke Angriffe werden dagegen unmittelbar ausgeführt und generieren obendrein kostenlos Bonus-Mana.
Das System kann dazu führen, dass ein Charakter in der Vorbereitungsphase eines alles erschütternden Großangriffs durch zwei simple Standarattacken kampfunfähig gemacht wird. Nicht immer sind die stärksten Angriffe deshalb die richtige Entscheidung.
Nach dem Kampf gibt's Erfahrungspunkte und Crafting-Materialien. Erstere lassen uns im Level aufsteigen und ermöglichen immer neue Fertigkeiten, die wir in zwei Pfaden ausbauen können. Letztere brauchen wir, um Ausrüstung für die Truppe zu schmieden bzw. Tränke zu brauen. Gegenstände kann man zwar auch in Läden kaufen, aber das ist verhältnismäßig teuer.
Moderner Remix
Sich kumulierende und aufeinander aufbauende Status-Effekte und ein kontinuierlich ansteigender Schwierigkeitsgrad halten das per se eher behäbige Kampfgeschehen spannend und fordernd. Die insgesamt acht Dungeons können zusätzlich in höheren Schwierigkeitsgraden jederzeit erneut betreten werden.
Dank der 153 unterschiedlichen Gegnertypen und beeindruckenden Kampfanimationen ist auch optisch sehr viel Abwechslung geboten. Sind wir stark genug, nerven uns auch kleine Standardmobs auf der Karte nicht mehr unnötig. Das Spiel fragt uns dann, ob wir diese "unwürdigen Gegner" überhaupt angreifen wollen.
Was lange währt ...
Die Entstehungsgeschichte des Rollenspiels Battle Chasers: Nightwar beginnt mit dem Ende der eingestellten Comic-Reihe Battle Chasers aus dem Jahr 1998 von Joe Madureira. Der als "Joe Mad" bekannt gewordene Zeichner ist nach seinem Ausstieg aus der Comic-Branche auch in Videospielkreisen kein Unbekannter mehr. Nach einer ersten Station bei NCSoft gründete Madureira die Firma Vigil Games. Das Studio wurde im März 2006 von THQ übernommen und 2010 erschien das erste Darksiders, das Madureira als künstlerischer Leiter verantwortete. Nach der Insolvenz von THQ musste auch Vigil Games 2013 schließen, also gründete Madureira und ehemalige Kollegen 2015 das Nachfolge-Studio Airship Syndicate. Über Kickstarter schließlich wurde daraufhin die Entwicklung des Spiels Battle Chasers: Nightwar auf Basis seines Comics erneut aufgegriffen und auch erfolgreich mit 856.354 US-Dollar von 14.175 Unterstützern finanziert. Nun erscheint das Spiel passenderweise mit Hilfe des Publishers THQ Nordic, die übrigens auch die Rechte an Darksiders aus der THQ-Konkursmasse übernommen haben.
Besonders gut gefallen hat uns der selbstbewusste Umgang der Entwickler mit Genrekonventionen und wie diese mit neuen Ideen und Konzepten sinnvoll ergänzt und verbessert wurden. Auch der Bruch mit den Erwartungshaltungen der Spieler macht Spaß: Gully, das junge Teenager-Mädchen mit dem grünen Umhang, trägt Kampfhandschuhe, die fast größer sind als sie selbst und ist der unangefochtene "Tank" der Gruppe.
Der riesige, mechanische Kampfgolem Calibretto dagegen zeigt seine weiche Seite und ist der naturverbundene Heiler, auf dessen Schulter nach jedem Kampf drei Vögel landen. Lediglich das für Kämpfe völlig ungeeignete Klischee-Bikini-Outfit und die jedem Gesetz der Schwerkraft widerstehenden Brüste der Roten Monika hätten gerne in den 90er Jahren bleiben dürfen.
Wer Rundenstrategie-Kämpfen bisher wenig abgewinnen konnte, wird sicherlich auch mit Battle Chasers kein Fan dieser Mechanik mehr. Wen dagegen die actionlastige Weiterentwicklung moderner JRPGs wenig anspricht, wird in diesem Rollenspiel-Geheimtipp viele alte Tugenden vorfinden, die mit cleveren Neuerungen und Variationen angereichert wurden und die sich sehr harmonisch mit der wunderschönen Comic-Welt von Joe Madureiras verbinden.
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