Schon nach knapp einer Stunde mit Assassin's Creed Chronicles: Russia formte sich ein eigentlich gar nicht mal schlechter Plan: Den alten Assassin's Creed Chronicles: India-Test öffnen, Wortsuche aufklappen, überall im Text den Begriff »Indien« durch »Russland« ersetzen und zack - fertig ist der Test zu Chronicles: Russia. Zurücklehnen und dämlich grinsen. Aber natürlich macht man sowas nicht - der bösartige Witz gäbe wohl mehrmonatiges Schreibverbot.
Also muss es doch ein anständiger Test zum Abschluss der Chronicles-Trilogie werden. Zynismus zurückschrauben und durchatmen. Und die wichtigste Frage zuerst beantworten: Was hat sich seit dem letzten Chronicles-Teil geändert? Seit Chronicles: India? Wann kam das raus? Was? Erst letzten Monat? … Ach herrje - das wird schwerer als gedacht.
Alles so monochrom hier
Auf den ersten Blick hat sich seit Chronicles: India natürlich doch was geändert - nämlich das Setting. Chronicles: Russia spielt in Russland nach der berüchtigten Oktoberrevolution (Absetzung des Zaren und Machtübernahme der Bolschewiken). Im Jahr 1918 steht der entmachtete Zar in Jekaterinburg unter Hausarrest.
Ausgerechnet dort soll sich ein Artefakt befinden, dem mal wieder die beiden Streitparteien der Assassinen und Templer nachjagen. Als russischer Meuchelmörder Nikolai Orelov sind wir diesmal nicht nur auf der Suche nach dem serientypischen MacGuffin, sondern wollen auch einfach nur abhauen - mitsamt der Familie raus aus dem blutigen Revolutionschaos nach Amerika.
Das verspricht zwar eine ganz interessante Geschichte, doch bleiben Handlung und Figuren wie in den Vorgängern auf ein Mindestmaß beschränkt. Wie gehabt gibt's weitere Details zur russischen Historie oder den Charakteren nur in schnöden Menütexten. Geändert hat sich außerdem der Grafikstil.
Grau und Rot geben in der russischen Revolution den Farbton an. Das ist wieder stilsicher und gut gemacht, nutzt sich im Vergleich zum knallbunten Indien und dem Aquarellstil von China aber einen Tick schneller ab.
Sei's drum. Wie schon im Vorgänger sollten die Qualitäten von Chronicles: Russia im Stealth-Spielprinzip liegen. Sollten, wohlgemerkt!
Denn die inzwischen wohlbekannte Sidescroll-Hüpferei ist zwar exakt genauso kurzweilig und befriedigend wie in Indien oder China, beim dritten Mal will die Motivation aber nicht mehr so recht aufkommen.
Gewohnt kurzweilig …
Wie seine beiden Kollegen in China und Indien turnt auch Nikolai (und später auch ein zweiter Charakter) über Dächer, Hauswände, Telefonmasten und meidet tunlichst Soldaten und bewaffnete Bolschewiken - oder meuchelt sie aus dem Hinterhalt. Wieder geht es alle naselang in den Hinter- und Vordergrund der Levels, was ihnen einen Hauch Tiefe und Weite verleiht.
Die Abschnitte kann man sich als kleine Stealth-Puzzles vorstellen: Wachen patrouillieren, Minen liegen im Weg, Lüftungsschächte und Büsche bieten sich als Verstecke an, und wir nutzen Nikolais akrobatisches Talent und seine Spezialausrüstung, um die Herausforderungen zu lösen.
Wie seine chinesischen und indischen Assassinen-Genossen kann Nikolai beispielsweise Gegner durch Pfiffe ablenken, Rauchbomben werfen oder einen Enterhaken benutzen. Da Chronicles: Russia aber zeitlich einen Sprung ins 20. Jahrhundert macht, kommen einige modernere Möglichkeiten dazu.
Mit seinem Gewehr kann der russische Assassine den Wachen auch einfach eine Kugel in den Kopf jagen, oder er benutzt Telefone, um die Schergen mit Scherzanrufen abzulenken.
So entsteht die Illusion spielerischer Freiheit: Obwohl die Abschnitte ziemlich linear sind, kann man sie auf verschiedene Arten lösen.
… aber wieder gewohnt problematisch
Alles wie gehabt also. Und genau da liegt der Hund begraben. Weil sich die drei Chronicles-Teile dermaßen gleichen - im Positiven wie im Negativen - spielen wir zum dritten Mal dasselbe Spiel. Und wenn wir wieder über dieselben Probleme stolpern, ist das irgendwann einfach nur noch ermüdend.
Wie gehabt gibt es ab und an Wartezeiten durch ewige Laufwege einzelner Wachen. Wie in den Vorgängern ist die Steuerung etwas fummelig, und ebenso ist eine brutalere Vorgehensweise kaum sinnvoll, da Gewalt auf die Stealth-Wertung am Ende des Levels drückt und wir dadurch weniger Upgrades für unser Equipment freischalten.
Selbst die kleinen Einlagen abseits des Kernspielprinzips zünden nicht so wie in den Vorgängern. Nikolai zückt zwar manchmal sein Scharfschützengewehr, um Feinde durch ein Fadenkreuz aus der Distanz auszuknipsen, nach einem oder zwei dieser Abschnitte fühlt sich es sich aber wie eine Moorhuhnjagd an.
Später wechseln wir in diesen Sequenzen auch zu Anastasia, einer russischen Prinzessin, die für Nikolai Fenster öffnet, um ihm freies Schussfeld zu ermöglichen. Das ist quasi Koop für Solospieler und dementsprechend auch nicht sonderlich prickelnd.
Weniger wäre mehr gewesen
Rückblickend ist Russia somit der schwächste Teil der Trilogie - kein Knalleffekt zum Abschluss, keine Überraschungen und ein solides Spielprinzip, das in der wenig originellen Wiederholung einfach ernüchtert.
Das klingt aber ziemlich deprimierend. Um nicht so bitter zu enden, sei allen Stealth-Interessierten mit Schleich-Mangelerscheinungen dennoch gesagt: Einen der Chronicles-Teile kann man sich auf jeden Fall genehmigen! Welchen, ist aber ganz schön egal.
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