Vielbeschäftigt
Ob ihr euch in einer Karaoke-Bar austobt, eine Runde Dart spielt oder in einem Nachtclub Hostessen bezirzt: Yakuza 6 inszeniert all diese Nebenbeschäftigungen mit einem Augenzwinkern (siehe Extrakasten). Und einer gehörigen Portion Absurdität, die in einem starken Kontrast zu der todernsten Haupthandlung steht. Die Nebenbeschäftigungen sind dabei in den meisten Fällen so gut ausgearbeitet, dass sie beinahe als eigene Spiele durchgehen.
Teils sogar wortwörtlich, denn in Spielhallen stehen Automaten mit kompletten Versionen von Sega-Klassikern wie Puyo Puyo, Space Harrier oder sogar Virtua Fighter 5. Andere Beschäftigungen wie das Fitness-Training oder der Sexchat geben sich mit ein paar einfachen Tasteneingaben zufrieden. Unterhaltsam sind sie aber allesamt, zumal sie die Atmosphäre von Kamurocho glaubwürdiger machen.
Nebenhandlungen mit Popkultur
Verrückt sind nicht nur die Mini-Spiele. Auch die vielen, vielen optionalen Nebenaufgaben erzählen skurrile, aber auch wundersame Geschichten, die erst auf dem zweiten Blick thematisch mit dem Hauptplot verwoben sind. Kazuma trifft zum Beispiel auf Menschen, die auf unterschiedliche Weise von Haruka's Pop-Idol-Karriere beeinflusst wurden.
Junge Mädchen streben zum Beispiel ebenfalls eine Showbiz-Karriere an. Davon sind deren Eltern nicht begeistert, da Harukas Ziehvater schließlich mit der Yakuza zu tun hatte. Amüsant, wenn sie sich ihr Maul nichtsahnend zerreißen, während Kazuma ein paar Meter daneben steht und lauscht. So etwas kann er quasi an jeder Straßenecke tun, denn überall gibt es zwar schrullige, aber doch liebenswerte Nebenfiguren zu entdecken.
Liebenswerte Nebenfiguren
Etwa der Nerd, der viel zu viel Zeit in Sexchats verbringt und deshalb Schwierigkeiten mit seiner echten Freundin hat. Oder der Junge, der die ganze Zeit mit seinem Selfiestick durch die Straßen rennt und hofft, eine Internet-Berühmtheit zu werden. Und dann ist da noch ein Mädchen, das behauptet eine Zeitreisende zu sein. Eine Referenz an den japanischen Anime »Das Mädchen, das durch die Zeit sprang«.
Für Kazuma wirken manche Verhaltensweisen der jüngeren Mitmenschen komisch, doch immerhin kommt er mit seinem neuen Smartphone gut zurecht, das ähnlich wie in GTA 5 als Hauptmenü fungiert. Über die App Troublr kann Kazuma zum Beispiel Bürger finden, die Hilfe benötigen. Neben einer detaillierten Karte verwaltet das Smartphone auch Haupt- und Nebenaufgaben sowie alle wichtigen Informationen, die während der Handlung aufkommen.
Ach, und Selfies kann Kazuma natürlich auch machen. Besonders lustig sind Selbstportraits, wenn gerade ein wütender Mob im Hintergrund angelaufen kommt. Die Gegner könnt ihr erstmals in der Serie schon vorab auf dem Radar sehen, um ihnen auszuweichen. Oder um gute Fotos zu planen.
Bud Spencer wäre stolz
Auch wenn ihr keine Fahrzeuge fahren und nur im begrenztem Umfang Rumballern dürft, kommt die Action durch die zahlreichen Kloppereien nicht zu kurz. Kazuma wird immer wieder von Straßengangstern oder Gangmitgliedern angegriffen, die gleich in großen Gruppen auftauchen. Ihr lasst dabei nicht nur eure Fäuste sprechen, sondern bezieht die Umgebung mit in eure Kämpfe ein. Reklameschilder, Verkehrshüte, Fahrräder, quasi alles, was nicht niet- und nagelfest ist, kann als Waffe zweckentfremdet werden. Da ihr nun ohne Ladezeit übergangslos Gebäude betreten könnt, verfolgen euch Feinde sogar mit hinein.
Einrichtungsgegenstände eines Cafés werden dann interaktiv und ihr könnt euch zum Beispiel mit einem Sessel verteidigen. Oder mit einem Barhocker. Oder mit was auch immer in Griffweite ist. Ladenbesitzer sind darüber selbstverständlich nicht sonderlich begeistert und weigern sich daraufhin eine Zeitlang, euch zu bedienen.
Essen müsst ihr dann in einem anderen Supermarkt, Schnellimbiss oder Restaurant besorgen. Kazuma kann nicht verhungern oder dick werden, aber Essen regeneriert Lebensenergie und spendiert Erfahrungspunkte. Diese bekommt ihr auch bei erfolgreich abgeschlossenen Aufgaben oder erreichte Ziele in den Freizeitbeschäftigungen.
Terence Hill auch
Erfahrungspunkte investiert ihr in die Fähigkeiten von Kazuma. Zum Beispiel könnt ihr die soziale Kompetenz von Kazuma verbessern, damit er sich in Gesprächen besser anstellt. Zentral sind aber die Werte für die körperliche Fitness. Sie sind unterteilt in Kraft, Geschwindigkeit, Lebensenergie und Intellekt, die allesamt die Kampffähigkeiten beeinflussen. Ebenso könnt ihr Kombos freischalten, wobei diese sich nicht separat aufwerten lassen. Einmal erworben und fertig.
Im Gegensatz zu Yakuza: Zero oder Yakuza: Kiwami gibt es keine unterschiedlichen Kampfstile, sondern nur noch einen, der umfassend verbessert werden kann. Geblieben sind die sogenannten Heat Actions. Das sind Sonderattacken, die Kazuma unter bestimmten Bedingungen durchführen kann. Er nutzt dann Wände oder gar Fahrzeuge, um Gegner mit Schmackes hinein zu dreschen.
Auch mit Hiebwaffen oder Gegenständen funktionieren diese Heat Actions, die jedes Mal eine unfassbar absurde Animation zeigen. Yakuza 6 arbeitet da mit abstrakter Videospiel-Logik: Die Kämpfe sind unfassbar übertrieben und lassen die Knochen knacken, trotzdem stirbt dabei kein Mensch. Neu in Yakuza 6 ist der Extreme Heat Mode, mit dem sich noch einmal besondere, effektivere Heat Actions abfeuern lassen.
Die wirkliche Neuerung am Kampfsystem ist allerdings, wie es sich anfühlt. Ihr habt nun den Eindruck, dass die Charaktere tatsächlich Körperkontakt haben. Die sehr gute Kollisionsabfrage, das ausgezeichnete Trefferfeedback und das vermittelte Gewicht bei Ausholbewegungen geben jedem Schlag, jedem Kopfstoß, jedem Tritt ordentlich Wucht. Gegner haut es entsprechend von den Füßen. Wenn sie weggeschleudert werden und in Mülltonnen oder auf abgestellten Fahrrädern landen, tut schon das Zuschauen weh.
Wie aus einer Fotografie
Zwar nicht ohne Prügeleien, aber dafür trotzdem ein wenig entspannter ist Hiroshima. Das ist der zweite Handlungsort, der als klassische Hafenstadt weitaus beschaulicher als Kamurocho wirkt. Es ist eine Gegend der Traditionen, der Andacht, und das Klima ist für ältere Menschen geeignet. Viele junge Menschen dort sehnen sich nach einem aufregenden Leben in der Großstadt, während sich Rentner dort zur Ruhe setzen. Im Vergleich zum schnelllebigen Kamurocho scheint hier die Zeit still zu stehen. Weitere Orte gibt es nicht, was auf dem ersten Blick wie ein Rückschritt gegenüber den Vorgängern wirken mag.
Tatsächlich liegt der Fokus aber - typisch Yakuza-Serie - auf den Details, statt auf einer großen Fläche. Sowohl in Hiroshima als auch in Kamurocho sind die Umgebungsgrafiken so detailliert, dass sie ein ganzes Stück in Richtung Fotorealismus gerückt sind. Die Architektur beider Städte wurde überzeugend in das Spiel übertragen und die Texturen sind so scharf, dass ihr die kleinen Schilder lesen könnt. Keine Ecke, keine Gasse, nicht der kleinste Winkel im Spiel ähnelt dem anderen.
Selbst wenn ihr bloß an einer Kreuzung stehen bleibt, gibt es Unmengen zu entdecken. Passanten mit einem Eigenleben, witzige Details auf den Werbeplakaten, oder diesen kleinen Nebeneingang, den ihr über Stunden hinweg vielleicht übersehen habt. Yakuza 6 protzt nicht mit einer gigantischen Spielfläche, dafür mit einer Liebe zum Detail. Und das nicht nur bei der Optik, sondern eben auch beim Innenleben seines ambivalenten Helden Kazuma Kiryu, der mit diesem Spiel ein würdiges Finale bekommen hat.
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