Respektiert, gefürchtet und verehrt. Ex-Yakuza Kazuma Kiryu ist bekannt dafür, seine Fäuste für die Gerechtigkeit zu schwingen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit! Eigentlich ist der mittlerweile in die Jahre gekommene Raufbold nämlich ein kleiner Schlawiner! Livechats mit Stripperinnen, alkoholgetränkte Besuche bei Hostessen und feucht-fröhliche Karaoke-Sessions: Der Drache von Dojima kennt die heißesten Freizeitaktivitäten des fiktiven Kamurocho. Auf dem Weg dazwischen hilft er Bürgern aus der Patsche oder flößt großmauligen Möchtegern-Straßengängstern Respekt ein. Yakuza 6 - Das Lied des Lebens rüttelt nicht an den altbewährten Säulen der Serie.
Ein wichtiger Wendepunkt
Trotzdem ist dieser Teil eine wichtige Zäsur. Zum einen wird der Held der Serie langsam richtig alt. Kiryu knackt bald die 50er-Marke, und das sieht man seinem Gesicht auch an. Erschöpfte Augen, tiefe Falten: Verbraucht und gezeichnet sieht der gute Mann mittlerweile aus. Passend also, dass Yakuza 6 das letzte Kapitel von Kazuma Kiryu sein soll. Der Fokus liegt voll auf ihm und es gibt keine weiteren spielbaren Figuren. Der Titel möchte die Geschichte zum Abschluss bringen, die sich immerhin über mehr als 30 Jahre erstreckt.
Das klingt für Neulinge der Serie nach einem schweren Einstieg, doch Yakuza 6 bietet einen schick inszenierten Prolog mit ein paar Rückblenden. Serienveteranen packen am besten gleich die Taschentücher aus! Wer die Charaktere schon durch die Vorgänger ins Herz geschlossen hat, wird bereits in der ersten Stunde emotionale Momente erleben. Schnüff.
Schöner zum Schluss
Doch auch technisch wird mit diesem Spiel eine neue Ära eingeläutet. Die Entwickler haben eine frische Engine entwickelt, die speziell für diese Konsolengeneration angepasst worden ist. Die unverkennbare Ästhetik der Serie ist geblieben, doch die Vorteile werden vor allem durch den Wegfall der Ladezeiten spürbar. Kiryu betritt nun sämtliche Gebäude ohne Unterbrechung, was die ohnehin schon sehr lebendige Welt noch ein kleines Stück glaubwürdiger macht. Allerdings sind dafür ein paar Nebenstraßen von Kamurocho abgesperrt und weitere Handlungsorte wie Hiroshima nicht besonders weitläufig.
Mehr:Kolumne zu Yakuza 0: Der perfekte Japan-Simulator
Die Stärke von Yakuza lag aber ohnehin schon immer in der hohen Detaildichte und die Blockaden werden in der Geschichte auch gut begründet. Trotzdem konnten wir den Eindruck nicht abschütteln, das diese Restriktionen ein Resultat von Zeitdruck während der Entwicklung sind. Das gilt auch für Kinderkrankheiten der Engine. Zum Beispiel das Kantenflimmern. Wenn Oberleitungen, Kachelwände oder Werbetafeln vor sich hinflackern, nagt das doch an der Atmosphäre. Da die Auflösung nun auch etwas geringer ist, wirkt die Grafik nicht mehr ganz so klar wie etwa in Yakuza Zero.
Doch dann bricht in Kamurocho die Nacht ein und die dynamischen Lichteffekte hauen uns regelrecht um! Die blinkenden Neontafeln über den Geschäften, die Reflektionen auf dem nassen Asphalt - Die Yakuza-Welt ist ein ganzes Stück in Richtung Fotorealismus gerückt. Dazu noch Animationen, die lebensechter wirken, und der Ärger über ein paar technische Makel ist fast vergessen. Kiryu kann sogar den Fotomodus seines Smartphones verwenden, in dem er sich zumindest in Schrittgeschwindkeit fortbewegen kann. Zugegeben, ein umständlicher Weg die Welt des Spiels auch aus der Ich-Perspektive erleben zu dürfen. Aber so fühlt man sich tatsächlich fast ins ferne Nippon teleportiert. Als wir ein Selfie machen, fotobombt ein Passant mit V-Handzeichen unser Bild. Es sind Kleinigkeiten wie diese, die Yakuza seit jeher lebendig machen.
Die Physik der Fäuste
Durch den neuen technischen Unterbau profitiert eine besonders wichtige Sache: die Kämpfe! Jeder Schlag, jeder Tritt, jeder Wurf hat nun deutlich mehr Gewicht. Zu Waffen umfunktionierbare Objekte haben nun eine nachvollziehbare Physik. Einen Kontrahenten in eine Reihe Fahrräder zu katapultieren, die daraufhin wie Dominosteine umfallen, ist ein großer Spaß. Kiryu holt nun auch im größeren Stil aus. Körperdrehungen oder Schlagabfolgen brauchen etwas mehr Zeit, bis sie ausgeführt werden, aber das macht das Körpergefühl des eigenen Avatars nur nachvollziehbarer.
Im Gegensatz zu den Vorgängern greift Kiryu nun auch nur noch auf einen einzelnen Kampfstil zurück, der sich mit neuen Kombos erweitern lässt. Trotz der Änderungen sind die Kloppereien nach wie vor alles andere als realistisch. Vor allem wenn die Burst-Anzeige aufgeladen ist, kann Kiryu wieder völlig übertriebene Moves ausführen. Da werden Vorschlaghammer in Gesichter geschleudert, Werbetafeln mit Wrestling-Moves kombiniert oder buntes Merchandise als Waffe zweckentfremdet. Blutfontänen, knackende Knochen und herumschleudernder Backenzähne zum Trotz stirbt hier trotzdem niemand. Hach, Videospiele!
Mehr: Yakuza Kiwami im GamePro-Test
Die Feder der Autoren entscheidet
Der alte Wahnsinn in neuer Technik also. Sogar die Nebenaktivitäten wurden verfeinert und würden als eigene Spiele durchgehen. Das reicht nicht? Wie wäre es denn mit einer Runde mit dem Puzzle-Klassiker Puyopuyo? Oder einer Partie Virtua Fighter 5 Final Showdown? Beide Spiele sind komplett in Yakuza 6 enthalten und über die Sega-Arcades von Kamurochoerreichbar. Es scheint, als könne man wieder viel Zeit in die Erforschung des virtuellen Japans investieren.
Ob die Geschichte von Kiryu aber mit Würde zu Ende gebracht wird, wird sich selbstverständlich noch zeigen müssen. An der Qualität des Spiels haben wir keine Zweifel, aber zur nicht minder wichtigen Handlung können wir nach drei Stunden schlicht und ergreifend kaum etwas sagen. Die Zwischensequenzen sind wie immer professionell inszeniert, die Übersetzung wirkt gelungen und der Prolog ist ergreifend, doch danach wird (hoffentlich) noch viel passieren. In der Vergangenheit wusste jeder Teil der Yakuza-Reihe zu bewegen, ja, sogar zu überraschen. Trotz der vielen verrückten Dinge, die im Spiel geschehen, haben die Autoren ihre Figuren immer ernst genommen. Im März werden wir uns endlich vergewissern können, ob dies auch bei Kiryus Abschied der Fall sein wird.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.