Fazit der Redaktion
Nachdem ich den letzten Boss in Thymesia gelegt hatte und von Glücksgefühlen überwältigt war, stand für mich fest: Das Spiel hat zwar ganz klare Schwächen, aber die kann ich ihm gut verzeihen, da ich mich Hals über Kopf in seine Stärken verliebt habe. Ich bin eigentlich keine Spielerin, die sich gerne auf neue Mechaniken einlässt, sondern eher von der Fraktion “stumpfer Haudrauf”. Thymesia hat es aber geschafft, mich zu motivieren, indem es mir Mechaniken an die Hand gegeben hat, die sich sehr rund und belohnend anfühlen.
Besonders angetan haben’s mir die wunderbaren Bosskämpfe, bei denen ich zuerst ordentlich auseinandergenommen wurde, bevor ich Schritt für Schritt die Choreographie gelernt habe und schließlich voll im Groove war. Bei anderen Aspekten hatte ich dagegen das Gefühl, dass dem Team irgendwann die Ressourcen ausgegangen sind. Würde ich die Bosse als Feinkost für FromSoftware-Fans bezeichnen, so müsste ich die Gebiete Fast Food nennen.
Mich hat das wenig gestört, ich kann es jedoch gut nachvollziehen, falls ihr kein Geld für diese polarisierende Tracht Prügel ausgeben wollt – ganz egal, ob euch die generischen Areale oder die ultrasteile Lernkurve abschrecken. Mich aber hat Thymesia zuerst überrascht, dann richtig abgeholt (auch wenn ich hin und wieder geflucht habe) und mir letztendlich ein Spielerlebnis geboten, über das ich gerne spreche und das ich nicht so schnell vergessen werde.
Ich hätte nie gedacht, dass mir ein Soulslike schon im Tutorial dermaßen den Hintern versohlen würde. In Thymesia reinzukommen war wirklich knifflig, da es von Anfang an erwartet, “richtig” gespielt zu werden – und das bedeutet in meinem Fall, es eben nicht als Soulslike zu verstehen, sondern als düsteren Klon von Sekiro.
Nachdem der Groschen gefallen war, konnte ich mich gut einarbeiten, schon nach kurzer Zeit entwickelte der Titel einen tollen Flow. Agil parierte ich feindliche Attacken, stieg den Gegnern zum Konter auf ihre Köpfe und knallte ihnen meine Seuchenwaffe vor den Latz, sobald ich eine Öffnung in ihrer Deckung erkannte.
Mit seinem hohen Tempo versüßte mir Thymesia vor allem die großartig inszenierten Boss-Fights. Zu jeder Sekunde wurde mein Können gefordert, ich musste all das zuvor Gelernte in den anspruchsvollen Gefechten umsetzen. Dabei entsteht eine Intensität, die ich in der Form schon lange nicht mehr erlebt habe!
Außerhalb der Bosskämpfe hört der Abwechslungsreichtum von Thymesia aber leider auf. Besonders im letzten Drittel wurde der Titel ganz schön dröge, da sich Gegnertypen ständig wiederholen. Außerdem wollte ich alle Obermotze umlegen, dafür muss man allerdings bereits abgeschlossene Areale erneut bereisen, weshalb sich der Abschluss des Spiels für mich ziemlich unbefriedigend anfühlte.
Dennoch überwog bei mir die Freude am wohldurchdachten Kampfsystem. Wenn ihr, genauso wie ich, viel Liebe für Sekiro übrighabt und unbedingt mal wieder euer Rhythmusgefühl und eure Reflexe auf die Probe stellen wollt, dann solltet ihr euch unbedingt Thymesia anschauen!
Thymesia ist alles, nur kein Mainstream. Bevor ihr das Actionspiel kauft, solltet ihr euch daher im Klaren sein, was euch für 30 Euro erwartet. Thymesia ist nämlich einzig für diejenigen geeignet, die Freude an enormen spielerischen Herausforderungen haben, die mehrphasige Bosskämpfe studieren wollen und aus der absurd hohen Lernkurve ihre Befriedigung ziehen. Zudem solltet ihr gleich Sekiro Freude an einem Kampfsystem haben, in dem die Parieren-Taste euer treuester Weggefährte ist.
Ich bin ehrlich mit euch: Hätte ich das Spiel nicht mit Samara und Chris getestet, die mich live angefeuert und motiviert haben, ich wäre bereits beim ersten Boss ausgestiegen – für den ich sechs Stunden gebraucht habe. Ich liebe Herausforderungen, aber was hier verlangt wird, ist selbst für den langjährigen Souls-Fan, der die Spiele aber nicht zwingend für die Bosskämpfe liebt, eine Challenge sondergleichen.
Doch es spricht auch für Thymesia, es spricht für sein packendes Kampfsystem und die toll designten Bosse, dass ich diese Hürde überhaupt auf mich genommen habe. Lernt man die Fights, sind sie wuchtig, spannend und intensiv. Hier liegt die große Stärke des Spiels. Alle anderen Bereiche vom Leveldesign, über die angestaubte Optik bis hin zur limitierten Gegnervielfalt, sind nicht einmal Action-Durchschnittskost. Hier merkt man nur zu oft, wie den Entwicklern die Ressourcen ausgegangen sind. Doch seid ihr der richtige Typ Spieler, könnt darüber hinwegsehen und wollt gefordert werden, könnte Thymesia für euch eines der packendsten Spiele des Jahres werden. Sagt nur am Ende nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.
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