Telltales Episoden-Adventure The Walking Dead pfeift mit der dritten Episode Long Road Aheadzur Halbzeit. Fängt das Zombie-Abenteuer nach den Erfolgskapiteln A New Dayund Starved for Helpnun an, zu schwächeln? Durchhänger, Abnutzungserscheinungen und Längen zu zeigen?
Es käme nicht von ungefähr, schließlich gibt es viele Buch- oder Filmtrilogien, deren Mittelteil als der schwächste gilt: Die interessanten Charaktere sind eingeführt, das große Finale lässt auf sich warten, die Story plätschert dahin. Was auf eine Trilogie zutreffen kann, kann natürlich genauso auch einer Pentalogie (also einem Fünfteiler) passieren.
Nun, natürlich hat sich mittlerweile ein wenig Routine in die Untoten-Apokalypse eingeschlichen. Nichtsdestotrotz schaffen es die Entwickler im dritten Kapitel, die jeweiligen Stärken der Vorgänger-Episoden, den Überlebenskampf sowie den Konflikt unter den Überlebenden, gekonnt miteinander zu verbinden und reichern das Ganze mit ein paar frischen Elementen an – auch wenn nicht alle davon durchweg gelungen sind. Von »Längen« kann aber auch in Long Road Ahead keine Rede sein.
Kampf der Überlebenden
Mit jeder Episode von The Walking Dead wird es schwieriger, einen Test zu schreiben. Nicht etwa, weil es nichts zu erzählen gäbe – ganz im Gegenteil. Das Problem sind Sie. Ja genau, Sie da vor dem Bildschirm! Denn würden wir über Long Road Ahead aus dem Nähkästchen plaudern, wie wir es gerne täten, dann würden Sie und eine Horde Gleichgesinnter wohl unsere Schreibstube belagern. Bewaffnet mit Fackeln und Mistgabeln – und das völlig zu Recht, aufgrund der wahren Flut an Spoilern.
Denn der Entwickler Telltale hat es auch dieses Mal wieder geschafft, in die etwa dreistündige Episode viele denkwürdige Ereignisse zu packen, obwohl in Sachen Hauptplot eigentlich gar nicht so viel passiert. Mittelteil eben. Andererseits lag auch bei der Comic-Vorlage sowie der TV-Adaption noch nie der Fokus auf der eigentlichen Zombie-Invasion, sondern auf den Überlebenden, die irgendwie miteinander klarkommen müssen, um den nächsten Tag zu erleben.
Das hat sich auch in Long Road Ahead nicht geändert, in dem sich die Gruppe Überlebender rund um den Helden Lee Everett nach wie vor im Motel eingebunkert hat, das bereits zum Ende von Episode 1 bezogen wurde. Also alles wie gehabt? Stagnation? Keinesfalls. Denn sonst würde Long Road Ahead wohl einen anderen Titel tragen. Die »Long Road« ist gleich zum Beginn der Grund für böses Blut innerhalb der Gruppe: Soll der vermeintlich sichere Unterschlupf aufgegeben und weitergezogen werden? Oder doch lieber weiter ausharren und auf bessere Zeiten hoffen?
Zu allem Überfluss verschwinden auch noch hart erkämpfte Vorräte spurlos aus dem Lager. Paranoia und Misstrauen unter den Überlebenden sind da vorprogrammiert und vormals total sympathisch wirkende Charaktere fangen langsam an, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Und als wenn das noch nicht genug wäre, wird auch Lees Vergangenheit mehr Bedeutung zugemessen. Wir erinnern uns: Der Ex-Lehrer war zum Ausbruch der Seuche gerade wegen Mordes auf dem Weg in den Knast …
Nächste Stufe des Storytelling
Wie der Episoden-Titel nahelegt: Die Entscheidung, ob wir bleiben oder weiterziehen, wird uns abgenommen. Das geht in Ordnung, schließlich kann der Entwickler Telltale kaum zig unterschiedliche Orte und parallele Handlungsstränge in seine Geschichte einbauen. Was bereits in Starved for Help durchschimmerte, wird so nun immer deutlicher: maßgeblich Einfluss können wir auf den Handlungsverlauf nicht nehmen. The Walking Dead gleicht sogar einige unserer früheren Einscheidungen aus und lässt sie nun zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommen.
Eine der neuen, nicht zu aufdringlichen Baller-Passagen direkt zum Beginn würgt uns die Linearität der Story aber etwas zu unglaubwürdig rein: Das Spiel gibt uns zwei Optionen, die mehr oder weniger zum selben Ergebnis führen, vom moralischen Dilemma abgesehen. Allerdings liegt noch eine dritte, deutlich abweichende Möglichkeit klar auf der Hand. Das Spiel lässt diese aber auf peinliche und unglaubwürdige Weise nicht zu.
Doch wirklich als Kritikpunkt auslegen kann man dies alles nicht. Denn auch so haben unsere Entscheidungen mehr Einfluss auf die weiteren Geschehnisse als in 99,9 Prozent aller anderen Geschichten. Vielmehr wird auch deutlich, dass wir eben nicht Gott sind, der über Leben und Tod sowie die weiteren Ereignisse frei bestimmt, sondern einfach ein Überlebender unter vielen, der nicht alles kontrolliert.
Wir sind Lee Everett – doch was Lee für ein Mensch ist, das können wir bestimmen und müssen dies allein mit unserem Gewissen vereinbaren. Gelegenheiten in Form von angenehm vielen frischen Schauplätzen, an denen auch (etwas holprig) neue Charaktere eingeführt werden, gibt es dafür nach dem Auszug aus dem Motel genug.
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