Die Moral von der Geschicht‘
Überhaupt spricht The Walking Dead während dieser Zeit für ein Spiel ungewöhnlich ernste und harte Themen an, bricht mit im Medium üblichen Konventionen – und das alles auf eine erwachsene Art, welche die »Härte« nicht zum reinen Selbstzweck verkommen lässt. In dieser Form gab es das in Spielen bisher so gut wie gar nicht. Dabei wird Long Road Ahead nie belehrend, sondern stellt lediglich Situationen und Fragen auf, die auch in der Realität so auftreten könnten.
Was macht man mit Leuten, die auf extreme Weise »aus der Reihe tanzen«, wenn es keine Gesetze und keine Gerichtsbarkeit mehr gibt; nur noch die eigenen, moralischen Werte? Aufknüpfen? Ziehen lassen? Tun, als wäre nichts gewesen? Wie wichtig sind moralische Werte, wenn es ums nackte Überleben geht? Gelingt es den Überlebenden, ihre Menschlichkeit zu bewahren? Was bedeutet »Menschlichkeit« überhaupt? Und ist man bereit, etwas davon einzubüßen, damit es andere nicht müssen? Telltale überlässt es dem Spieler, sich über das Erlebte Gedanken zu machen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Damit beweist The Walking Dead, dass Spiele mehr sein können als simpler Zeitvertreib und mit ernsten Themen auf reife Weise umgehen können.
In anderen Medien wie dem Film mag dies alles schon seit Jahren zum Standard gehören (die erste Folge der TV-Serie hat bereits vieles davon abgehandelt), im Bereich der PC- und Videospiele ist diese Form der Erzählung und Präsentation jedoch noch immer grün hinter den Ohren.
Als wäre das noch nicht genug, rundet Long Road Ahead dieses Paket nun auch in den ruhigeren Momente mit einer kleinen, nie deplatziert wirkenden Prise Humor und sogar einem winzigen Hauch Romantik ab – nur um im nächsten Moment wieder gekonnt auf Spannung und Dramatik umzuschalten. Trotz aller Vorhersehbarkeit war die zweite Episode Starved for Help spannend. Long Road Ahead jedoch ist spannend UND zieht uns regelmäßig den Boden unter den Füßen weg.
Technische Stagnation
Über Sinn und Zweck des Episoden-Formats, vor allem bei Telltale-Spielen, lässt sich durchaus streiten. Wir wollen die Frage trotzdem einmal stellen: Warum? Ein Argument wäre, dass so die Entwickler für die nächste Episode Feintuning an der Spielmechanik und/oder Optik vornehmen können, etwa auf Basis von Fan- und Kritiker-Feedback. Wenn das die Intention von Telltale war, ist der Plan gründlich in die Hose gegangen.
Im Gegensatz zur eigentlichen Handlung herrscht auf der technischen Seite tatsächlich Stagnation – im Guten wie im Schlechten. Noch immer fällt die Steuerung etwas schwammig aus, noch immer sind einige Hotspots ungünstig platziert, noch immer fallen einige stark verwaschene Texturen (gerade bei den Zombies) massiv auf, noch immer leiden die Handlungsorte teils unter Detailarmut.
Einzig bei den »Rätseln« oder sagen wir lieber den »nicht-kämpferischen Tätigkeiten«, wurde eine klitzekleine Prise draufgelegt. Zum Glühen werden die grauen Zellen zwar auch dieses Mal in keinster Weise gebracht, ein wenig mitdenken ist aber durchaus vorteilhaft. Oder zumindest gaukelt uns The Walking Dead halbwegs ordentlich vor, wir wären das ein oder andere Mal ganz von allein auf die zündende Idee gekommen. Doch wie gehabt wollte Telltale ja auch kein klassisches Rätsel-Adventure abliefern, sondern das Genre als Plattform für eine starke Geschichte nutzen. Und das ist auch dieses Mal wieder mit Bravour gelungen.
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