The Inpatient im Test - Der reinste Horror

Mit Until Dawn lieferte Supermassive Games im Jahr 2015 ein packendes Horror-Abenteuer im Stil der Teenie-Slasher-Filme der 90er-Jahre ab. Ihr PSVR-Grusel in der Anstalt führt uns zurück nach Blackwood Pines, enttäuscht aber auf ganzer Linie.

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The Inpatient im Test für PlayStation VR. The Inpatient im Test für PlayStation VR.

Freundlich erkundigt sich der ältere Herr mit der Nickelbrille nach unserem Befinden. Doch will er uns wirklich helfen? "Die Fesseln sind zu Ihrer eigenen Sicherheit," behauptet er. Uns hingegen kommen erste Zweifel an seiner Samariter-Rolle. Die Frage, ob er uns wenige Minuten später ein heilendes Medikament oder vielleicht doch den Absud einer Kräuterhexe spritzt, fördert unser Vertrauen nicht. Der Name des Mannes lautet Jefferson Bragg, er ist Arzt im Sanatorium von Blackwood.

Das alles wissen wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Wie so vieles. Die Diagnose für unsere Spielfigur lautet nämlich Amnesie. Wir verraten, ob euch in The Inpatient, dem neuen Horrorspiel der Macher von Until Dawn, auf der Suche nach den verlorenen Erinnerungen Spannung und Nervenkitzel erwarten, oder ob ihr das Spiel lieber links liegen lassen solltet.

Euphorie kommt vor dem Spannungsabfall

Gedächtnisverlust bildet gerade in Horrorspielen einen beliebten Baustein. Der in Folge dessen oft häppchenweise vermittelte Erkenntnisgewinn bildet eine gute Grundlage, um Spannung zu erzeugen und auf unerwartete Wendungen hinzuarbeiten. Das fehlende Wissen darüber, wer wir und die anderen sind, und wie genau wir ins Sanatorium kamen, funktioniert zu Beginn von The Inpatient gut. Das Spiel weckt Interesse an Figuren wie dem Pfleger Abe, der uns im lockeren Tonfall von seiner Schwärmerei für Schwester Suzanne berichtet. Dass die Handlung in den 50er-Jahren spielt, deuten die Architektur des Sanatoriums oder Abes an einen Oberkellner erinnerndes Outfit an. Gewissheit darüber herrscht allerdings erst, als wir unser Patientenzimmer untersuchen.

Unsere Spielfigur befindet sich im Sanatorium von Blackwood. Doch wie sind wir eigentlich dorthin gekommen? Unsere Spielfigur befindet sich im Sanatorium von Blackwood. Doch wie sind wir eigentlich dorthin gekommen?

Mysteriös wird es spätestens, als Mitpatient Gordon das Nebenbett bezieht. Er deutet immer wieder an, dass Ärzte und Pfleger etwas Böses im Schilde führen und berichtet von rätselhaften Vorkommnissen in einer nahegelegenen Mine. Genau das könnte Spielern von Until Dawn bekannt vorkommen. In den verschneiten Bergen von Blackwood Pines, dem Schauplatz von Supermassive Games' PS4-Exklusivtitel, spielten ein Indianerfluch und das damit verknüpfte Schicksal der Minenarbeiter bereits eine Rolle. In The Inpatient vernehmen wir und Bettnachbar Gordon tagsüber deren Schreie aus den Nebenzimmern, des nachts erleben wir mit wirksamen Jump-Scares gespickte Alpträume unseres Alter Egos. Doch es kommt noch schlimmer: Kaum sind die Schreie verstummt, lassen sich auch Pfleger Abe und Schwester Victoria tagelang nicht mehr blicken. Was zur Hölle ist hier nur los?

Der Nachfolger, der vorher erschien: Until Dawn für PS4 im Test

Die Ausgangssituation nach rund einer Stunde klingt spannend. Was danach in The Inpatient folgt, rechtfertigt die anfängliche Euphorie allerdings nicht. Die Geschichte entpuppt sich als nahezu substanzlos und bisweilen sinnfrei. Unter dem steigenden Desinteresse leidet am Ende vor allem die Atmosphäre.

Schmetterling macht Bruchlandung

Auch die Inszenierung erweist sich als hinderlich. Die meiste Zeit über folgen wir in The Inpatient entweder irgendwelchen austauschbaren Charakteren durch düstere Gänge oder werden an bestimmten Punkten eine gefühlte Ewigkeit dazu verdammt, ihren hohlen Ergüssen zu folgen. Den Niedergang von Spannung und Story verhindert auch das sogenannte Schmetterlings-System nicht, in dessen Rahmen selbst kleinste Entscheidungen den Verlauf der Geschichte maßgeblich beeinflussen sollen. Dabei wählt ihr in den Dialogen (meist in mehreren Stufen) zwischen zwei Alternativen. Schweigen stellt eine dritte Variante dar.

Unser wahlweise männlicher oder weiblicher Held beginnt, sich zu erinnern. Dank gelungener Jump-Scares sorgen die spielbaren Alpträume für Atmosphäre. Unser wahlweise männlicher oder weiblicher Held beginnt, sich zu erinnern. Dank gelungener Jump-Scares sorgen die spielbaren Alpträume für Atmosphäre.

Habt ihr die "richtigen" Entscheidungen getroffen, zeigt euch The Inpatient durch einen Schmetterlingsschwarm an, dass sich etwas verändern wird - das kennen Spieler von Until Dawn bereits in ähnlicher Form. So undurchsichtig und im Nachhinein oft auch nicht völlig nachvollziehbar das System generell ist, dürft ihr euch aber ohnehin nicht zu viel davon erhoffen. Zumeist sind die Auswirkungen marginal und ändern am Kernverlauf der Handlung nichts. Anlass für einen zweiten oder gar dritten Spieldurchgang ergeben sich daraus kaum. An anderen Punkten nimmt man unmittelbarer Einfluss auf die Ereignisse. Drückt ihr einen Knopf nicht rechtzeitig oder haltet nicht still, wenn das Spiel es will, müsst ihr den Konsequenzen ins Auge blicken. An einigen Stellen können sie auch mit dem Tod eines NPCs einhergehen. Während man jedoch in Until Dawn, um beim Vergleich damit zu bleiben, bereitwillig Dinge tat oder unterließ, um Charaktere zu retten oder sterben zu lassen, herrscht bei The Inpatient in ähnlichen Situationen beinahe so etwas wie Gleichgültigkeit.

Vom Triggern und Quasseln

Abseits des nicht sonderlich tiefgehenden Entscheidungssystems präsentiert sich die Spielmechanik allgemein dünn. Hier und dort gibt es in den Nebenräumen zwar auch Erinnerungsobjekte zu finden, allzu viel Raum zur Erkundung oder zur Vertiefung der Story gibt das Spiel aber nicht her. Vor allem gilt es, Trigger auszulösen. Das geschieht durch das Erreichen eines Raums oder die Untersuchung bestimmter Objekte, die in vielen Fällen durch einen leuchtenden Punkt hervorgehoben werden.

Käfer gefällig? Mitpatient Gordon bietet eine Mahlzeit an. Werdet ihr zuschlagen? Käfer gefällig? Mitpatient Gordon bietet eine Mahlzeit an. Werdet ihr zuschlagen?

Manchmal triggert ihr Ereignisse auch durch das Anschauen bestimmter Personen. Das Spiel macht euch in solchen Situationen nicht klar, dass noch irgendwas fehlt, und ihr wartet unter Umständen in etwa so, wie es Estragon und Wladimir auf Godot taten. Sehr gut funktioniert in jedem Fall die Spracherkennung. Wer die aktiviert, darf sich auch durch das Vorlesen eines Dialogsatzes dafür entscheiden. Während das absolut tadellos funktioniert, gilt das für viele andere Steuerungselemente nicht.

Das beginnt mit dem Tracking des Controllers, den wir oft seltsam halten müssen, um damit den Schein der Taschenlampe zu lenken. Auch beim Öffnen von Türen oder dem Fokussieren eines Interaktionspunkts kommt es immer wieder zu groben Ungenauigkeiten. Am nervigsten aber fällt die Fortbewegung aus, denn immer wieder bleibt die Spielfigur an Objekten hängen. Ohne zunächst wieder in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, lässt sich das Problem so gut wie nie beheben. Die Drehung per Stick (wahlweise frei oder in Achtelschritten) funktioniert an sich präzise. Wer den Stick aber minimal zu weit unter die Mitte bewegt, vollzieht unfreiwillig eine 180-Grad-Wende - und das passiert oft. Das schadet dem Mittendringefühl sehr, weshalb das Spiel nur begrenzt vom guten Sound und der (für VR) detailreichen Grafik profitieren kann.

The Inpatient - Story-Trailer verrät Release-Termin des Until Dawn-Prequels Video starten 0:57 The Inpatient - Story-Trailer verrät Release-Termin des Until Dawn-Prequels

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