Aus vier Quadraten bestehende Formen fallen in immer schneller werdender Abfolge herab und müssen so auf- und nebeneinander gepuzzelt werden, dass die Bausteine eine durchgehende Reihe von links nach rechts ergeben. Gelingt das, verschwindet sie - werden mehrere Linien gleichzeitig abgeräumt, gibt es Bonuspunkte.
Dieses zeitlose, in zwei knappe Sätze passende Spielprinzip beschreibt natürlich den bekannten Videospiel-Klassiker Tetris, der im Jahr 1984 vom russischen Programmierer Alexei Paschitnow entwickelt wurde. Seitdem hat sich seine Idee weltweit bereits über 100 Millionen Mal auf über 65 verschiedenen Plattformen verkauft.
Man darf sich nun also völlig zu Recht fragen, warum man bei dieser Fülle an Auswahl erneut 40 Euro ausgeben soll, um sich die PS4-exklusive Variante namens Tetris Effect zu kaufen. Der einfache Grund: Tetsuya Mizuguchi. Der japanische Entwickler hat dem 34 Jahre alten Klassiker mit seiner unverkennbaren Handschrift eine nahezu perfekte Liebeserklärung geschrieben.
Tetris Effect ist ohne Übertreibung die beste Tetris-Erfahrung, die man bis dato erleben kann und gehört für uns eindeutig zu den besten Spielen des Jahres.
REZ-urrection: Tetris mit Musik
Der japanischer Spieleentwickler hat in seiner Karriere mit Lumines, Meteos oder Space Channel 5 bereits für einige Klassiker gesorgt. Allen voran sein Railshooter REZ gilt allgemein als Meisterwerk, das Musik und Videospiel in bis dahin unbekannter Weise miteinander vermählt. Genau diese Grundidee macht auch die Einzigartigkeit seines neuen Werks aus.
Wir spielen nicht einfach nur Tetris! Nein: In Tetris Effect sind wir Teil eines Orchesters und stapeln nicht lediglich Puzzleteile übereinander, wir komponieren live eine mehrstimmige Licht- und Effekt-Performance auf unserer Bühne. Passend zum jeweiligen Thema des Levels webt sich alles, was wir tun, zu einem einzigartigen Klang- und Soundteppich zusammen.
Strukturiert ist diese Erlebnisreise in 30 Kapitel, die in ihrer Ausgestaltung abwechslungsreicher nicht sein könnten.
Mal befindet sich unser Spielfeld inmitten eines stilisierten Urwalds, und jedes platzierte Tetrimino lässt den Klang einer Buschtrommel ertönen. Wenige Minuten später schweben wir schwerelos in einem tiefblauen Ozean zu atmosphärischen Klängen und werden von schemenhaften Delphinen aus leuchtenden Partikeln begleitet. Im nächsten Level führen blitzende Dreiecke zu minimalistischen Klängen auf einer Raumstation ein SciFi-Ballet für uns auf. Dabei sind wir Zuschauer und Regisseur im selben Moment.
Auf der Suche nach dem Flow
Das Besondere daran: Den Designern gelingt es, die teils überbordenden Partikel- und Lichteffekte (fast) nie unsere Konzentration oder das Sichtfeld stören zu lassen.
Die immersive Bildsprache, gepaart mit ihrer musikalischen Einbettung erleichtert es uns sogar, in den für Puzzlespiele typischen Flow zu geraten. Damit ist der Zustand gemeint, in dem wir eins werden mit dem Spiel und die Finger intuitiv die richtigen Knöpfe drücken, ohne dass wir aktiv darüber nachdenken.
Puristen können die Effektstärke aber auch ganz nach ihrem Geschmack verringern oder sogar die Originalfarben der Tetris-Bausteine im Optionsmenü anwählen, falls ihnen die thematischen Grafiksets zu unruhig sein sollten. Auch die im modernen Tetris liebgewonnenen Komfortfunktionen wie die Ghost-Anzeige, die bereits beim Herunterfallen die Platzierung anzeigt oder das "Zwischenspeichern" eines Bausteins lassen sich auf Wunsch im Menü jederzeit deaktivieren.
Die Musik gibt den Ton an
Die Musik spielt neben all den optischen Sinneseindrücken klar die Schlüsselrolle in der Präsentation und ihrer so starken Wirkung. Jedes Level hat einen eigenen, markanten Soundtrack.
Mal spielen wir zu gut gelaunten, ohrwurmverdächtigen Popsongs, wechseln nahtlos zu treibenden Drum&Bass-Stücken bis hin zu melodiösen Trance-Tracks. Auch nach etlichen Stunden wurden wir der hochklassig produzierten Musikstücke nicht überdrüssig.
Einer der spielerisch wohl besten Kniffe von Tetris Effect: Anders als in allen vorherigen Versionen des Puzzleklassikers wird die Spielgeschwindigkeit nicht automatisch schneller und die Level somit linear schwerer.
Hier bestimmt die Musik das Tempo. So hören und spüren wir den drohenden Anstieg im Schwierigkeitsgrad schon früh durch die anschwellende Musik und den immer schneller vibrierenden Controller. Wir ertappen uns dabei, wie wir schwitzend und kopfnickend die auf uns hereinprasselnden Teile im Takt platzieren, um den Flow zu halten. Großartig!
Meistern wir solche kurzen Stressmomente, setzt daraufhin ein unglaublich starkes Gefühl der Befriedigung ein, das musikalisch und optisch kongenial begleitet wird. Der treibende Beat löst sich zusammen mit dem bestandenen Levelabschnitt in seine Partikel auf, und uns empfängt ein warmer, melodiöser Klangteppich, der unsere Sinne regelrecht mit einer Welle der Erleichterung flutet.
Sinnvolle Neuerung: Die Zone
Neben all den optischen und akustischen Upgrades gibt es in Tetris Effect auch eine spielerische Neuerung: die Zone.
So funktioniert's: Haben wir genügend Energie durch das Abbauen von Linien gesammelt, können wir auf Tastendruck eine Spezialattacke zünden. Daraufhin wird für eine kurze Zeitspanne die aktuelle Geschwindigkeit auf Null gesetzt. Das kann uns in besonders hektischen Phasen vor einem drohenden GameOver retten, allerdings zählen die in diesem SlowMo-Modus abgebauten Linien nicht für unser aktuelles Levelziel. Die Punkte dafür gibt es aber trotzdem.
Versierte Highscorejäger können auf diese Weise noch höhere Punktzahlen erreichen. Erstmals lassen sich so auch mehr als vier Linien gleichzeitig abräumen, da erst zum Ablauf des Countdowns alle vollständigen Linien gesprengt werden.
Alternativ zum Abenteuermodus, der alle Szenarien in einer linearen Abfolge miteinander verbindet und in drei Schwierigkeitsgraden verfügbar ist, gibt es auch den Menüpunkt "Effektmodi".
Hier stehen weitere Tetris-Varianten zur direkten Anwahl zur Verfügung. Die Bandbreite reicht von klassischen Spielzielen wie "Schaffe in möglichst kurzer Zeit 150 Linien" über Zeit-Challenges bis hin zu Rätsel-Modi, die auch geübte Spieler vor neue Herausforderungen stellen.
Besonders unterhaltsam ist der Mystery-Modus. Er bricht mit allen üblichen Konventionen und wirft uns zufällig eingestreute Stolpersteine in den Weg. So müssen wir auf einmal mit überdimensionalen und unüblich geformten Tetriminos oder mit einer spiegelverkehrten Steuerung auf einem kopfstehenden Spielfeld klarkommen. Wer es lieber entspannt haben möchte, wählt eine der dafür vorgesehen Relax-Playlisten, die keinen Game Over haben.
Extra immersiv mit PSVR
Einziger Wermutstropfen: Tetris Effect bietet keinerlei Multiplayer-Modi. Weder lokal noch online können wir gegen andere Spieler antreten. Abseits davon können wir dieses Spiel nahezu allen Puzzle-Fans uneingeschränkt empfehlen.
Tetris Effect entfaltet zwar zusammen mit einer guten Soundanlage (noch besser: Kopfhörer!) auch auf dem flachen Bildschirm seine Wirkung, wer allerdings in der glücklichen Lage ist, Sonys PSVR zur Hand zu haben, dem empfehlen wir dringend, das komplette Tetris-Erlebnis in der virtuellen Realität auszuprobieren.
Inhaltlich ändert sich nichts, aber die durch die Brille verstärkte Abschottung von allen äußeren Sinneseindrücken verstärkt die audiovisuelle Kraft des Spiels um ein Vielfaches.
Auch empfindsame und ungeübte Mägen können Tetris Effect problemlos in VR spielen, da es sich um ein größtenteils statisches Erlebnis handelt. Besitzer einer PSVR dürfen also gerne noch 1 bis 2 virtuelle Wertungspunkte draufschlagen.
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