Für wen hat Valve eigentlich das Steam Deck konzipiert? Einige Monate vor dem Release ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. In der Redaktion ist die Begeisterung groß, endlich bekommt Nintendo mal wieder etwas Konkurrenz, die riesige Steam-Bibliothek lädt schon jetzt zum Träumen ein. Von der Realität ist diese Vorstellung weit entfernt, denn Valves tragbarer Mini-PC könnte genau die Tugenden vernachlässigen, auf die Konsolenspieler*innen eigentlich Wert legen: Zugänglichkeit und Komfort.
Dieser Artikel ist Teil unserer Find Your Next Game: Hardware-Edition Woche, in der sich auf GamePro.de, GameStar.de und Mein-MMO.de alles um das Thema Hardware dreht. Noch mehr Artikel findet ihr auf unserer Übersichtsseite.
SteamOS macht viele PC-Titel kompatibel, aber eben nicht alle
Valve verwendet beim Steam Deck eine angepasste Version des auf Linux basierenden SteamOS-Betriebssystems. Die große Mehrheit aller Computerspiele verwendet jedoch Microsofts Schnittstelle Direct3D, welche nicht mit Linux kompatibel ist. Daher werkelt Valve seit einigen Jahren an „Proton“, einer zusätzlichen Softwareschicht, die Direct3D-Befehle für den offenen Standard „Vulkan“ übersetzt.
Die allermeisten DirectX-Titel funktionieren damit sehr gut und bieten eine ebenbürtige Performance. Einige Spiele können aber auch Probleme bereiten, was sich unter anderem durch eine niedrige Framerate, Grafikfehler oder Input Lag äußert. Dann muss an den richtigen Stellen nachjustiert werden, Workarounds sind zum Teil sehr technisch.
Aktuell betrifft das laut der Datenbank ProtonDB noch besonders Multiplayer-Spiele. Gut 85% der beliebtesten Singleplayer-Titel auf Steam sind aber hervorragend spielbar, nur ab und an sind Anpassungen erforderlich.
Daran kann sich aber noch viel ändern: Proton wird kontinuierlich weiterentwickelt. Optimierungen für Steam Deck könnten einfacher implementiert werden, da es sich bislang um lediglich ein festes Hardware-Design handelt.
Viele native Linux-Titel
Sortieren wir die gesamte Steam-Bibliothek nach Spielen mit echten Linux-Versionen, verkleinert sich die Auswahl von knapp 58.000 Titeln auf “schmale” 8.500. Darunter befinden sich viele PC-Exclusives wie FTL: Faster Than Light, RimWorld und Factorio. Großproduktionen entdecken wir hingegen vornehmlich aus den Bereichen Strategie, lediglich die moderne Tomb-Raider-Reihe und Metro: Exodus bieten technisch aufwendige Action-Feuerwerke.
Es ist nahezu ausgeschlossen, dass sich an dieser Situation etwas ändert, da Linux für die meisten Publisher eine Nische darstellt und sich der Mehraufwand finanziell betrachtet nicht auszahlt. Für kleine Studios oder PC-typische Genres kann sich die Zielgruppenerweiterung hingegen lohnen, weshalb der Nachschub nicht so schnell versiegen wird.
Ein verständlicher Store ist elementar: Valve verspricht die Kompatibilität zu Steam Deck mithilfe von vier Einstufungen im Store zu visualisieren: "perfekt spielbar", "mit Anpassungen spielbar", "nicht unterstützt" und "unbekannt". Die Verifizierung nimmt ein internes Test-Team vor. Wie viele Spiele der gigantischen Steam-Bibliothek eine Bewertung erhalten, ist aber noch unklar. Eine Integration von ProtonDB könnte als zusätzliche Kaufhilfe dienen, vor allem bei Titeln, die von Valve keine Bewertung erhalten haben. Die Community sammelt seit Jahren zahlreiche Workarounds für die gröbsten Kompatibilitätsmängel und nimmt detaillierte Einstufungen vor.
Hier haben wir alle Infos zusammengefasst, wie die Kompatibilität eines Spiels in SteamOS hinterlegt ist:
Grafikeinstellungen sind nervtötend
Da wir immer PC-Versionen der Spiele auf dem Handheld installieren, kommen wir zwangsläufig mit Einstellungsoptionen in Kontakt, die für reine Konsolenspieler völlig neu und somit unter Umständen auch störend sind. Die Auflösung des Display wird glücklicherweise automatisch gefunden, alles weitere müssen wir jedoch selbst festlegen.
Textur-Details auf Mittel? Schatten lieber auf niedrig? Profitiert das Spiel von einer aufwendigen Umgebungsverdeckung? Was ist das überhaupt? Während PC-Spieler sich mit solchen Begrifflichkeiten bereits bestens auskennen und ungefähr wissen, was welche Einstellung bewirkt, kamen Konsolenspieler selten oder noch nie damit in Berührung.
Presets könnten helfen: Der Idealfall wäre also, dass die Entwickler*innen Vorgaben implementieren, die perfekt für Steam Deck geeignet sind. Damit werden sich aber wohl nur wenige Studios beschäftigen, denn einerseits ist der Erfolg von Steam Deck nicht garantiert, andererseits ist damit ein großer Testaufwand verbunden.
Viele PC-Spiele bieten zwar ungefähre Empfehlungen für eine Vielzahl von Hardware-Konfigurationen, treffsicher sind diese aber nur in seltenen Fällen. Zumal es gar nicht so leicht ist, die Balance zwischen hoher Bildqualität, einer flüssigen Framerate und (im Mobilsegment) der Akkuleistung zu finden.
Aus dem Steam Deck lässt sich viel herausholen - wenn ihr ein wenig technisch veranlagt seid
Die Stärke des Steam Deck liegt nicht bei der vorinstallierten Software, sondern den Möglichkeiten, die uns die offene Plattform offenbart. Valve verkauft einen mobilen PC, wir können darauf installieren, was wir möchten.
Windows 11 etwa, womit sich dann auch die Kompatibilitätsfrage erledigt hätte. Das Betriebssystem ist für die mobile Nutzung entworfen, wir starten einfach von dort Spiele in Steam. In Sachen Performance werden wir auch keine Abstriche hinnehmen müssen; Steam Deck wird ein Alleskönner, ohne systemspezifische Optimierungen. Eine Steigerung der Bildwiederholrate ist aufgrund der DirectX-Programmierung der meisten Spiele sogar realistischer.
Ein alternatives Betriebssystem öffnet uns darüber hinaus den Zugang zu zusätzlichen Programmen. Sound-Enthusiasten können unter Windows Raumklangsimulationen wie DTS Headphone:X und Dolby Atmos for Headphone einstellen, Retro-Fans genießen ihre Sammelstücke auf Emulatoren und Cineasten stehen zig Multimedia-Apps zur Verfügung.
Valves Spiele-Store ist also nur ein Teil der Steam-Deck-Faszination. Als offene Plattform bieten sich uns schier unendliche viele Möglichkeiten – genau diese Offenheit könnte für Konsolenspieler aber zu einer veritablen Hürde werden.
Seht ihr eher das Potential von Steam Deck oder stößt euch das offene Konzept ab?
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