Gute sechs Jahre ist es her, da erschien der letzte Teil der Soul Calibur-Reihe. Und schon damals fragten sich die Fans: Entwickelt sich die Serie überhaupt weiter? Das Beat'Em Up setzt seit eh und je auf Zweikämpfe mit Hiebwaffen. Schwerter, Lanzen, Ketten oder sonderbare Mischformen dazwischen - keiner der KämpferInnen geht ohne ein Tötungswerkzeug in den Ring.
Blutig war Soul Calibur trotzdem noch nie. Die Darstellung ist bunt, farbenfroh, und hat einen gehörigen Schuss Anime-Ästhetik. Kein Wunder, denn geboren wurde die Serie in den japanischen Spielhallen. Bei einem kräftigen Hieb mit der Axt verliert niemand seinen Kopf, sondern schlägt einen, vielleicht sogar zwei Saltos rückwärts - um anschließend wieder aufzustehen. Ganz so ernst nahmen sich die Spiele also nie, und das hat sich mit Teil 6 auch nicht geändert.
Geralt kämpft mit
Den "unernsten" Charme zeigt schon der Charakter-Editor, wo ziemlich absurde Kreationen möglich sind. Skelett mit Säbel? Könnt ihr haben. Katzenmädchen mit Ringklinge? Auch kein Problem. Tänzelnder Roboter mit Afro und Peitsche? Yup. Der Editor ist nicht ganz so umfangreich wie bei einem komplexen Rollenspiel, aber es viel Schabernack möglich. Die Kampfstile übernehmt ihr von den Originalfiguren, die selbstverständlich auch wieder mit dabei sind.
Das Roster bietet mit Ivy, Kilik oder Sophitia alte Bekannte. Neuzugänge gibt es zwei: Azwel ist ein Magier, der sich gar nicht erst mit physischen Waffen abgibt. Er lässt einfach Astralversionen durch pure Geisteskraft um sich herum erscheinen. Neu ist auch der mysteriöse Grøh, ein schmaler Mann mit einer Doppelklinge. Er kann sich teleportieren und elektrische Schockwellen abstoßen.
Traditionell gibt es auch wieder einen Gastcharakter, und das ist diesmal niemand geringeres als Gerald von Rivia. Der Hexer aus der Witcher-Serie kämpft mit einer Kombination aus Schwert und einigen Tricks aus der Alchemie. Durch seine mittelalterliche Kleidung passt er auf jeden Fall besser in die Serie als die Star Wars-Charaktere aus den Vorgängern. Mit insgesamt 21 Helden ist die Auswahl diesmal kleiner ausgefallen, aber dafür spielt sich jede Figur auch völlig unterschiedlich.
Genau und direkt
Einmal in den Ring getreten kommt sofort das klassische Soul Calibur-Gefühl auf. Die Steuerung ist auf den Punkt genau, die Charaktere bewegen sich unheimlich flink und die Kollisionsabfrage funktioniert absolut perfekt. Während des Kampfes wirken die akrobatischen Bewegungen so geschmeidig, dass es fast die Ästhetik eines Tanzes hat. Xianghua ist zum Beispiel eine elegante Dame, die sich wie eine Eiskunstläuferin durch die Arena bewegt. Ihr Kostüm hat mehrere Fähnchen, die jede ihrer Bewegungen akzentuieren.
Wuchtigeren Charaktere wie Zasalamel hingegen sieht man bei jeder Aktion die pure Kraft an. Wenn der finstere Kerl mit seiner Sense zuschlägt, braucht dieser erst einmal eine gewisse Zeit zum Ausholen. Wobei "langsam" bei Soul Calibur im Vergleich zu anderen Prüglern noch immer sehr flott ist. Die Spielgeschwindigkeit ist grundlegend hoch, aber durch die absolut präzise Steuerung locker zu bewältigen. Bemerkenswert ist vor allem, wie gut das Kräfteverhältnis jeder Spielfigur und jede ihrer Aktionen aufeinander abgestimmt ist. Selbst wenn sich völlig gegensätzliche Charaktere gegenüber stehen, kann jeder auf seine Art dem anderen den Garaus machen.
DLC-Charaktere
Direkt zum Start wird Soul Calibur 6 mit einem optionalen Season-Pass angeboten, der für eine ganze Reihe von DLCs gilt, die über die nächsten Wochen erscheinen sollen. Die können auch alle einzeln erworben werden, in ihnen sind drei oder vier weitere Charaktere enthalten, von denen nur einer bisher angekündigt wurde: Tira. Der Fanliebling kämpft mit einer Kreisklinge und bewegt sich wie eine Zirkusakrobatin.
Sie ist seit den frühen Serienteilen der Serie im Roster und war sogar im Beta-Test von Soul Calibur 6 vertreten. In der Basisversion des Spiels ist der Charakter aber nicht mehr freigeschaltet. Kein Wunder, dass die Soul Calibur-Enthusiasten sich nun verschaukelt vorkommen. Mittlerweile ist es bei Prügelspielen üblich geworden, Charaktere auszukoppeln, damit Publisher noch einmal extra absahnen können. Das hat bei Street Fighter 5, Injustice 2 oder BlazBlue: Cross Tag Battle schließlich auch funktioniert. Gut finden wir diese spielerfeindliche Geschäftspolitik natürlich nicht, sie drückt auf die Wertung.
Combos sind wie bei jeder guten Klopperei möglich, aber sie arten nicht in endlose Ketten aus und können mit etwas Übung vom Gegenüber unterbrochen werden. Mit dem richtigen Timing sind somit selbst Profis nicht unantastbar.
Verbesserungen in der Abwehr
Mit den sogenannten Reversal Edges legt Soul Calibur 6 in einem entscheidenden Punkt nach: Den Möglichkeiten bei der Abwehr. Grundsätzliches Blocken und eine Parade mit Waffen waren schon vorher möglich, aber jetzt kommt dieses Mini-Spiel hinzu: Wird der Reversal Edge ausgelöst, verlangsamt sich die Zeit, und beide Opponenten können parallel eine Aktion ausführen. Bei einem Fehlschlag ist man für eine Sekunde verwundbar, weshalb man das Risiko immer abwägen muss.
Wenn ein Treffer gelingt, funktioniert der Reversal Edge anschließend nach Stein-Schere-Papier-Prinzip. Das ist deutlich dynamischer als die vergleichbare Mechanik in Injustice 2. Die Charaktere können in dieser kurzen Zeitlupe auch mal aneinander vorbei schlagen. Und in diesem Modus einem Tritt oder Schlag gekonnt auszuweichen, sieht einfach immer nach einem Triumph aus.
Diese Feinjustierungen helfen dabei, das Spiel im Genrevergleich ganz vorne mitprügeln zu lassen, auch wenn sich auf dem ersten Blick nicht viel geändert zu haben scheint. Andere Titel haben zum Beispiel Tag-Battle-Optionen, bei denen während des Kampfes die Figur gewechselt werden darf. Davon möchte Soul Calibur 6 nichts wissen und bietet lediglich den Zweikampf an. In seinen Spielmodi ist es ebenso schnörkellos: Arcade, Training, 2-Spieler und ein Online-Modus mit Rangliste. Die eigentlichen Matches mit anderen Spielern aus der ganzen Welt liefen während unserer Tests gut. Trotzdem bereitete das Matchmaking Probleme. Es dauerte oft mehrere Minuten, bis sich eine Verbindung zu einem Kontrahenten aufbaute - aber das könnte sich durch Patches und natürlich der Spieleranzahl ändern.
Wer allein unterwegs ist, hat die Wahl aus gleich zwei umfangreichen Einzelspieler-Kampagnen. Die "Seelen-Chronik" erzählt die Hintergrundgeschichte aller Originalcharaktere und fasst sie in einer Zeitlinie zusammen. Das fühlt sich an wie der klassische Storymodus in Prügelspielen, der bei Soul Calibur durch Zeitreisen, Dimensions- und Weltenwechsel epischen Flair aufbaut.
Ein kleines Rollenspiel
Neuartig ist "Waage der Seelen". Dort könnt ihr euren selbst erstellten Charakter - sagen wir, den tänzelnden Roboter mit Afro - in eine durchaus spannende Geschichte rund um die namensgebende Seelenklinge einflechten. Dieser Modus hat leichte Rollenspielelemente. Ihr bewegt euch über eine Karte von Kampf zu Kampf und könnt dabei zwischen Haupt- und Nebenmissionen wählen. Für jeden Erfolg gibt es Erfahrungspunkte, neue Waffen und Gold. Letzteres ist für die Fortbewegung eine wichtige Ressource, denn je weiter die Reise, desto mehr Geld kostet sie.
"Waage der Seelen" entpuppt sich nach etwas Einarbeitung als erstaunlich umfangreich und kann für einige Stunden beschäftigen. Nur bombastische Zwischensequenzen dürft ihr nicht erwarten, die Handlung wird im Stil einer nicht vertonten Visual Novel erzählt. Die Animationen sind also sparsam, aber die meisten Illustrationen sind liebevoll gemacht. Der zweite Einzelspieler-Modus ist also eine echte Überraschung und eine gelungene Bereicherung für das ohnehin schon sehr gelungene Soul Calibur 6.
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