Snipen macht Spaß!
Die gute Nachricht: Das Kern-Gameplay - nämlich das Snipen - ist CI Games erfreulicherweise solide gelungen und macht stellenweise sogar richtig Spaß. In vielen Missionen müssen wir zunächst auf eine erhöhte Position kraxeln, anschließend lassen wir eine Drohne in den Himmel steigen und markieren Gegner im Zielgebiet. Danach passen wir mit zwei Rädchen an unserer Wumme die Distanz und die Zoom-Stufe ein, achten auf den Windeinfluss, halten den Atem an und schicken eine Kugel auf die Reise, die dann im besten Fall effektvoll (die brutal-detaillierte Bullet-Cam ist auch wieder mit dabei) ihr Ziel findet.
Für Anfänger gibt es wie schon in den Vorgängern Zielhilfen, zum Beispiel einen roten Punkt, der anzeigt, wo die Kugel genau landen wird. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden fehlen Anzeigen und Hilfestellungen, insbesondere Abschüsse aus mehreren hundert Metern Entfernung fühlen sich dann aber auch enorm befriedigend an und auch die Schleichpassagen machen wegen ihrer soliden Mechanik (Gegner lassen sich zum Beispiel durch Steinwürfe ablenken) eine gute Figur.
Die offenere Ausrichtung von Ghost Warrior 3 ermöglicht zudem unterschiedliche Herangehensweisen. Wenn wir zum Beispiel in einem von Feinden besetzten maroden Hotelkomplex eine Zielperson ausschalten müssen, können wir den Burschen entweder mit Fernrohr und Drohne ausfindig machen (Sniper), schwer bewaffnet alles niederballern (Warrior) oder uns durch die Gänge zu schleichen, Kameras hacken und Spuren lesen, bis wir den Bösewicht erreicht haben (Ghost). Je nachdem, wie wir uns entscheiden, bekommen wir für jede der drei Vorgehensweisen Erfahrungspunkte, die wir dann auf drei recht rudimentäre Talentbäume verteilen dürfen - zum Beispiel stärkere Heilungsmittel, bessere Sicht oder längeres Atemanhalten. Das sind nette Anreize, große spielerische Auswirkungen haben die Perks allerdings nicht.
Sniper-Alternative:Sniper Elite 4 im Test
Die KI: Mal hui, mal pfui
Allerdings konterkarieren einige Missionen diese prinzipiell sehr angenehme Routenwahl, denn sie geben zum Beispiel vor, dass wir keinen Alarm auslösen dürfen, wodurch die Vorgehensweise als Warrior schon mal wegfällt. Außerdem lassen sich die Hauptmissionen nicht wiederholen, ein möglicher alternativer Weg nach einem Missionserfolg dementsprechend nicht mehr ausprobieren. Deswegen läuft es meist auf dieselbe Vorgehensweise heraus, im Test hat sich eine Mischform aus Sniping und Kämpfen als besonders effektiv erwiesen. Wir picken also aus der Distanz erst einige Feinde weg und erledigen den Rest dann im Nahkampf.
Die KI wirkt auf dem normalen Schwierigkeitsgrad ziemlich wechsel- und fehlerhaft, mal sehen die bösen Buben unsere Drohne aus mehreren hundert Metern Entfernung und schlagen Alarm, andere Bösewichte stört es dagegen nicht einmal, wenn wir mit dem Auto direkt vor ihre Basis fahren und aussteigen. Oder sie laufen uns hübsch nacheinander vor die Flinte.
Generell bleibt das Missionsdesign von Ghost Warrior 3 recht generisch. Mal geht es darum, einen bestimmten Separatisten zu erledigen, dann wieder müssen wir wertvolle Güter wiederbeschaffen oder zerstören. Es gibt aber auch positive Ausreißer, zum Beispiel einen Auftrag, in dem wir drei Antennen neu ausrichten müssen, oder eine Mission, in der wir einen Agenten retten sollen, der auf einem alten Schlachthof gefangen gehalten wird.
Trotzdem fehlt Ghost Warrior 3 ganz eindeutig die Abwechslung. Es gibt beispielsweise keine einzige Mission, in der wir uns mit gegnerischen Fahrzeugen auseinandersetzen müssen - und das obwohl bei einer Munitionsart darauf hingewiesen wird, dass sie besonders gegen gepanzerte Fahrzeuge geeignet ist. Deshalb lohnt es sich nur bedingt, andere Munitionstypen wie panzerbrechende Kugeln zu kaufen oder zu craften, lediglich in den Akten drei und vier sind sie gegen bestimmte Gegnertypen hilfreich.
Moment mal, war da eben von Crafting die Rede? Ganz genau, unser Scharfschütze kann sich nämlich Munition und Ausrüstung aus Ressourcen wie explosiven oder mechanischen Teile selbst zusammenbasteln. Was auf dem Papier interessant klingt, ist in der Praxis aber nicht mal ansatzweise notwendig, denn durch erledigte Hauptmissionen oder das Abklappern von Interessenspunkten haben wir stets genug Moneten, um neue Waffen, Upgrades oder Heilitems zu kaufen.
Technik-Fail
Was bis hierhin klingt wie ein solider bis durchwachsener Shooter klingt, wird auf den Konsolen durch die stellenweise katastrophale technische Anpassung und das fehlende Polishing zum Rohrkrepierer. Sniper: Ghost Warrior 3 läuft auf der Cry Engine 3, was für die typischen schicken Licht- und Wettereffekte sorgt. Nasse Felsen im Regen sehen zum Beispiel klasse aus. Darüber hinaus gibt's bei der Optik aber nur wenig Grund zur Freude, das virtuelle Georgien hat enorm mit Matschtexturen und Pop-Ups zu kämpfen.
Außerdem ärgern wir uns über hakelige und hüftsteife Animationen sowie ausdruckslose Puppengesichter bei den Charakteren. Besonders nervig ist allerdings die schwankende Framerate. Wenn wir beispielsweise mit der Drohne ein Gebiet absuchen, geht die Bildrate spürbar in die Knie, ebenso wie bei vielen Kämpfen auf mittlere Distanz. Unspielbar wird Ghost Warrior 3 dadurch zwar nicht, den Spielspaß schmälert die miese Technik aber dennoch enorm.
Zudem nerven einige Designentscheidungen, lange Ladezeiten (bis zu sechs Minuten) und etliche Bugs. Wir können zum Beispiel ausschließlich in unserem Unterschlupf neue Aufträge annehmen, was trotz Schnellreisemöglichkeit nerviges Hin- und Herspringen unumgänglich macht. Bei einem Respawn ändert sich oft die Tageszeit, was besonders dann ärgerlich ist, wenn man diese vor der Mission extra nach seinen Wünschen angepasst hat. Darüber hinaus stürzte das Spiel bei unseren Testsessions mehrfach komplett ab, außerdem blieben wir an einer Stelle so unglücklich auf einem Balkon hängen, dass nur das Laden des letzten Checkpoints Abhilfe schaffen konnte. Wie bereits erwähnt: Noch eine Verschiebung hätte dem Spiel absolut nicht geschadet.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.