Telefonieren gefährdet ihre Gesundheit
Außerdem bedankt er sich für die Erfindung des Handys, beziehungsweise des mobilen Funkgeräts. Während wir durch die Levels schleichen, stoßen wir nämlich in regelmäßigen Abständen auf Gegner, denen die Bewachung einer einsamen Holzbrücke im burmesischen Dschungel zu langweilig geworden ist und die deswegen lieber mit Oma telefonieren.
Leider müssen wir den netten Plausch rüde unterbrechen, indem wir auf Knopfdruck eine blutige Stealth-Attacke ausführen. Nichts für schwache Nerven ist auch die bereits aus dem Vorgänger bekannte Zeitlupe, die uns gelungene Fernschüsse martialisch präsentiert. Ins Detail geht die Gewaltdarstellung dabei aber nicht: Anders als zeitweise angekündigt, ist es nicht möglich den Gegnern Körperteile abzuschießen. Ursprünglich wollten die Entwickler dieses Feature in einem DLC, zumindest für die internationale Version des Spiels, nachreichen. Davon hat City Interactive aber inzwischen Abstand genommen.
»Martialisch« scheint übrigens auch die Arbeitsanweisung für die Dialogschreiber gewesen zu sein. Neben den genreüblichen, übertrieben markigen Sprüchen kommentieren Held und Spotter das Geschehen regelmäßig mit Ausdrücken, für die uns Mama früher den Mund mit Seife ausgewaschen hätte. Spätestens nach dem fünften »Hurensohn« finden wir das nicht mehr cool oder gar stimmig, sondern bloß noch peinlich.
Wir rufen Clipper! Clipper!
Sniper: Ghost Warrior 2 ist ein echter Blender – und das nicht nur, weil die Lichteffekte hübsch anzusehen sind. Auf den ersten Blick wirkt die Grafik sehr ansprechend. Neben der Lichtstimmung überzeugt auch die gute Weitsicht. Aber eben nur auf den ersten Blick: Sehen wir genauer hin, fallen uns nämlich an allen Ecken und Enden unschöne oder schlicht hässliche Details ins Auge.
So sind die tollen Lichtflecken auf den Felsen teils nur aufgeklatschte Texturen. Clipping-Fehler und Glitches treten nicht vereinzelt, sondern gleich im Rudel auf. Spielfiguren bewegen sich durch Objekte und Pflanzen hindurch, Hände greifen in Leitersprossen und unser Spotter schwebt ein paar Zentimeter über dem Boden. Aus dieser Höhe fallen ihm vielleicht auch die matschigen Bodentexturen nicht so unangenehm auf.
Trotzdem ruckelt Sniper: Ghost Warrior 2 auf der PlayStation 3 zum Teil heftig. Die Xbox-360-Version ist davon zum Glück nicht so stark betroffen, läuft aber auch mit einer sehr geringen Frame-Zahl - das kennen wir schon aus Crysis 3. Auf beiden Systemen stockt das Spiel während des automatischen Speicherns.
Pluralis Majestatis
Auch der deutschen Synchronisation merken wir die fehlende Liebe zum Detail deutlich an. Die gesprochenen Dialoge wirken, als hätte man semi-professionellen Sprechern einen von Google übersetzten Text in die Hand gedrückt und sie mit der Aufforderung »sagt das mal so cool wie möglich« in ein Tonstudio gesperrt.
Das Ergebnis sind Sätze, die völlig unpassend zum aktuellen Spielgeschehen vorgetragen werden. Allein im ersten Level gibt es gleich mehrere Szenen, bei denen wir unwillkürlich den Kopf schütteln mussten. So treffen wir mitten im Dschungel auf das völlig zerstörte Wrack eines abgestürzten Flugzeugs und unser Spotter fragt allen Ernstes: »Kriegen wir das in Gang?« In der englischen Version fragt er hingegen: »Do you think it’s safe to set up?«, und meint damit natürlich, ob wir an diesem Ort unsere Schussposition einrichten können.
Besonders im späteren Spielverlauf scheint unser Partner außerdem an Wahrnehmungsstörungen zu leiden, spricht er uns doch häufig im Plural an, obwohl außer uns weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Vielleicht hat er im Laufe unserer Einsätze aber auch solche Ehrfurcht vor uns entwickelt, dass er den Majestätsplural verwendet – wer will’s ihm verdenken.
Mangelhafter Multiplayer
Wer sich nach der kurzen Kampagne darauf freut, wenigstens im Multiplayer längerfristig Spaß zu haben, wird eine herbe Enttäuschung erleben. Sniper: Ghost Warrior 2 bietet bloß einen einzigen Spielmodus: Team-Deathmatch. Wer sich schon bei Battlefield 3 über campende Sniper aufregt, wird hier vollkommen in den Wahnsinn getrieben.
Da keines der Teams durch Missionsziele zur Offensive gezwungen wird, liegen sich die Spieler in den 20-minütigen Runden den Bauch wund. Um der Langeweile die Krone aufzusetzen, dürfen wir zum Release auf lediglich zwei Karten gegen andere Scharfschützen in die Schlacht ziehen.
Schon kurz nach der Veröffentlichung des Spiels wollen die Entwickler aber immerhin neben neuen Singleplayer-Missionen (»Siberian Strike«-DLC für Ende März angekündigt) auch weitere Multiplayer-Inhalte in (kostenlosen) DLCs nachliefern. Für Ende März sind neben dem Solo-DLC so auch die beiden Karten »Temple Crossing« und »Tower Defense« angekündigt.
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