Shadow of the Colossus im Test - Ein Meisterwerk im zweiten Frühling

Schon wieder ein Remake? Ohne neue Inhalte aber mit moderner Grafik stellt Shadow of the Colossus erneut seinen Klassiker-Status unter Beweis.

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Das erste Aufeinandertreffen mit einem Koloss hat kein bisschen an seiner Wirkung verloren. Das erste Aufeinandertreffen mit einem Koloss hat kein bisschen an seiner Wirkung verloren.

Wer je an der kulturellen Strahlkraft von Shadow of the Colossus gezweifelt hat, muss sich nur an die E3 2015 erinnern. Als Sony damals endlich wieder ein Lebenszeichen von The Last Guardian präsentierte, tobten vor Ort Begeisterungsstürme auf den Rängen und auch im Rest der Welt schlugen die Herzen ein bisschen schneller. Nur hatte das alles recht wenig mit The Last Guardian selbst zu tun, sondern vor allem mit der gigantischen Erwartungshaltung an den Nachfolger von Shadow of the Colossus. Ein Spiel, das 2015 bereits 10 Jahre auf dem Buckel hatte.

Remake aus dem Lehrbuch

Jetzt sind seit dem ursprünglichen Release mittlerweile 13 Jahre vergangen, und Shadow of the Colossus hat es nicht zuletzt dank einer Remastered-Version für die PS3 geschafft, im Gespräch zu bleiben. War die HD-Fassung von 2011 aber noch darauf ausgelegt, das Original im Wesentlichen zu erhalten und lediglich aufzufrischen, steht uns jetzt ein vollständiges Remake für die PS4 ins Haus. Die Befürchtung, dass dabei der Charme von Entwickler-Legende Fumito Ueda verloren geht, ist aber zum Glück unbegründet. Bluepoint Games, die Sony-eigenen Experten für Neuauflagen jeder Art, liefern auf der PS4 die bislang wohl beste Version von Shadow of the Colossus ab.

Shadow of the Colossus - Testvideo zum PS4-Remake Video starten 4:03 Shadow of the Colossus - Testvideo zum PS4-Remake

Das verdanken wir paradoxerweise der Zurückhaltung des Entwicklerteams, denn obwohl das PS4-Remake von Shadow of the Colossus den Klassiker auseinander nimmt und von Grund auf neu aufarbeitet, geschieht das nur in technischer Hinsicht. Inhaltliche Freiheiten oder sogar eine designtechnische Neuinterpretation gibt es nicht. Der alleinige Fokus auf die moderne Optik des Action-Adventures setzt dafür aber auch Qualitäten frei, die auf der PS2 verborgen blieben. Team ICO wollte damals mehr, als technisch möglich war. Genau dieser Anspruch wird jetzt durch die blitzsauberen Texturen und detaillierten Charaktermodelle erfüllt.

Lebendige Ruinen

Als ich mich mit Wander, dem einsamen Protagonisten von Shadow of the Colossus, das erste Mal in das verbotene Land von Dormin reiste, um die leblose Mono zu retten, wirkte die Spielwelt karg und trotz der überwältigenden Weitläufigkeit auch irgendwie klaustrophobisch. Zwar konnte ich schon damals auf der PS2 erkennen, dass die Landschaften um mich herum einst bessere Zeiten erlebt haben mussten. Nach meiner Zeit mit dem Remake habe ich aber nun zum ersten Mal eine Vorstellung davon, wie es hier früher ausgesehen haben muss, und bekomme die eigentliche Leblosigkeit der Welt noch eindrucksvoller präsentiert.

Die Ruinen in der Spielwelt erscheinen auf der PS4 noch einmal zerfallener als ohnehin schon. Die Ruinen in der Spielwelt erscheinen auf der PS4 noch einmal zerfallener als ohnehin schon.

So ist der Tempel von Dormin mit dichtem Moos bewachsen, auf den kargen Steppen weht das Gras im Wind, und Jahre der Witterung sind auf den Mauern der Ruinen zu erkennen. So ehemals und vergangen die gigantischen Bauten in der Welt von Shadow of the Colossus jetzt aussehen, so kraftvoll wirken aber nun auch die dichten Wälder, die steilen Klippen und die reißenden Sturzbäche, die ich auf meinen Wegen zum nächsten Koloss passieren muss. Obwohl Shadow of the Colossus objektiv hübscher geworden ist, durchdringt die atmosphärische Leere auch auf der PS4 noch immer alles.

Sanfte Riesen

Und ohne diese Leere könnte das tragische Abenteuer auch nicht wirken, denn erst die leblose Spielwelt verhilft den brachialen Auftritten der Kolosse zu ihrer Durchschlagskraft. Glücklicherweise haben es die Entwickler von Bluepoint Games auch bei den stillen Giganten geschafft, die Gratwanderung zwischen Empathie und Furcht zu halten, die beim Kampf gegen die 16 Riesen vorherrschend ist. So wirken die neuen Animationen der Attacken und Abschüttlungsversuche der Kolosse durch die neue Technik noch bedrohlicher, noch gefährlicher. Aber gleichzeitig ist das Fell der Kolosse dichter geworden, und wenn Wander in den Pelz greift, um nicht in die Tiefe zu stürzen, fällt es noch schwerer, die Titanen als bloße Kletterwände zu betrachten.

Wer sich nicht lange genug am dichten Fell der Kolosse festhält, riskiert, in die Tiefe geschleudert zu werden. Wer sich nicht lange genug am dichten Fell der Kolosse festhält, riskiert, in die Tiefe geschleudert zu werden.

Diese neue Echtheit der Kolosse macht sich im Remake dann am stärksten bemerkbar, wenn ich mein magisches Schwert zum letzten Mal in die Schädeldecke meiner Gegner ramme und sie tot zusammenbrechen. In Shadow of the Colossus gibt es keine Freude über den Sieg, sondern nur die schrittweise Bewusstwerdung, welche Dinge man bereit ist zu tun, wenn Verzweiflung und Trauer überhand nehmen. Hier macht der Remake-Ansatz den Klassiker nicht einfach nur wieder spielbar, sondern erneuert die Kernbotschaft von Shadow of the Colossus. Der Tod bekommt neues Gewicht und dieses Gewicht kann ziemlich niederschmetternd sein.

Vererbte Schwächen

Allerdings sind nicht alle Modernisierungen wirklich geglückt. An manchen Ecken und Enden ist die hakelige Steuerung und die wirre Kameraführung des Originals noch immer zu spüren. Zwar dürfen wir jetzt auch zu einem Button Layout greifen, das leichter von der Hand gehen soll, doch auch hier stehen unpräzise Sprünge und nicht nachvollziehbare Drehungen um die eigene Achse auf der Tagesordnung. Das ist vor allem dann frustrierend, wenn Kletterpassagen wiederholt werden müssen, weil es da diese eine Plattform gibt, an der Wander ständig vorbei hüpft. Und wenn seine Ausdauer zur Neige geht, weil er in die falsche Richtung kraxelt, wirft uns das mitunter weit zurück.

Das Gefühl, den Kolossen stets unterlegen zu sein, reißt auch im Remake nicht ab - ganz im Gegenteil. Das Gefühl, den Kolossen stets unterlegen zu sein, reißt auch im Remake nicht ab - ganz im Gegenteil.

In der PS2-Ära war es ambitioniert, auf eine offene Spielwelt zu setzen, die der Spieler erkunden darf. Da wurde so manche Einschränkung noch in Kauf genommen und verziehen. Doch auf der PS4, auf der die Open World zum Standard geworden ist und wir ohne jede Hindernisse durch die Ebenen reiten, fällt es plötzlich auf, dass Agro in Wäldern nur auf festen Pfaden galoppiert und klaffende Lücken zwischen den Bäumen als nicht passierbar betrachtet. In diesen Momenten werden wir daran erinnert, dass dieses atemberaubende Spiel noch immer seinen Ursprung auf einer "alten" Konsole in sich trägt, der nicht kaschiert werden kann. Aber das ist nicht schlimm, denn damals wie heute ist Shadow of the Colossus ein Meisterwerk.

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