Der Puzzle-Plattformer Semblance feiert gleich zwei Premieren: Zum einen ist es das erste Spiel eines südafrikanischen Studios auf einer Nintendo-Konsole. Zum anderen fordert Semblance das klassische Rätselprinzip heraus, denn Hauptgegenstand der Puzzles sind hier nicht Klötzchen, Brücken oder Hebel, sondern der Welt selbst.
Unsere Spielfigur ist dabei gleichzeitig unser wichtigstes Werkzeug: Squish ist ein Blob mit runden Kulleraugen, der im Alleingang versucht, die Welt zu retten. Die hat in Semblance nämlich ein Problem. Überall haben sich Kristalle niedergelassen, die nicht nur die Gegend verschandeln, sondern auch wie Parasiten an Bäumen kleben.
Um sie von den Wurzeln der Bäume zu entfernen, hüpft der Blob ins Innere der Pflanzen und sucht dort Lichter, die als einzige die Parasiten von den Pflanzen vertreiben können. Jeder Baum funktioniert wie ein eigener Level, in dem mehrere Lichter versteckt sind. Je mehr wir befreien, desto mehr Kristallwucherungen fallen vom Baum ab.
Das wissen leider auch die Kristalle, weswegen sie die Lichter durch Fallen vom tapferen Blob abgeschirmt haben. Wie gut für den Wobbel, dass er neben seiner Sprung- und Dashfähigkeit auch eine Geheimwaffe hat: die Welt selbst.
Weiche Welt trifft harte Rätsel
Genau wie unser Blob ist auch die Umgebung in Teilen weich und formbar. Wenn ein Abhang zu hoch ist, um ihn raufzuspringen, dashen wir einfach mit vollem Karacho immer wieder in den Berg hinein und erschaffen so kleine Plateaus, an denen wir uns nach oben hangeln können. Liegen zwei Plattformen zu weit voneinander entfernt, stupsen wir sie eben ein bisschen näher zusammen. Feinden weichen wir aus, indem wir einfach ein Loch in den Boden bohren und so weiter.
Die Biegsamkeit hat natürlich ihre Grenzen. Eine Kugel Knete lässt sich schließlich auch nicht bis zum Mond ausdehnen. Zusätzlich haben auch die Kristallparasiten ihre ganz eigenen Abwehrmechanismen, um sich gegen freche Blobs zur Wehr zu setzen. Zwar können uns die Kristalle nicht direkt angreifen. Dafür töten sie uns aber, wenn wir sie berühren. Außerdem können sie Laserstrahlen aus dem Boden scheinen lassen oder einen Nebel produzieren, der uns unsere Fähigkeiten raubt.
Hier gilt es dann, die Kristalle schlau auszutricksen. Ist eine Passage wegen eines Laserstrahls wirklich unbegehbar, oder müssen wir vielleicht nur den Tunnel so verändern, dass uns der Strahl nicht erreicht?
Und wenn alles Weltenformen nicht hilft, verwandelt sich unser Blob eben selbst. Dasht er gegen besonders harte Wände, verformt ihn das wie den Knetball, der er ist. Trifft er die Wand seitlich, wird er lang, dünn und kann höher springen. Trifft er sie von unten, wird er platt wie ein Pfannkuchen, der auch durch die schmalste Lücke passt.
Das spannende an diesen Fähigkeiten ist, dass sie uns niemand zeigt. Vielmehr bringt uns die Umwelt dazu, sie zu entdecken. Die Pfannkuchentransformation lernen wir etwa, weil wir eigentlich gegen eine Fliege dashen wollen, die zufällig direkt vor der entsprechenden Wand schwebt. Nach und nach finden wir so Blobs Formen und Fertigkeiten heraus.
In einem Gebiet beispielsweise senden die Kristalle Strahlen aus, die unsere Knetaktionen bei Kontakt rückgängig machen. Formen wir einen Berg aus einem glatten Podest und die Spitze berührt den Negations-Strahl, schnappt das ganze Plateau wie ein Gummiband zurück in seine ursprüngliche Form. Das können wir jedoch zu unserem Vorteil nutzen, indem wir den Blob mit dem Schwung aus eben dieser Bewegung zu einem vorher unerreichbaren Teil des Levels katapultieren.
Flexibilität ist alles
Um die Rätsel zu lösen, muss nicht nur der Blob flexibel sein, sondern auch unser Denken. Manche der Aufgaben sind nämlich wirklich knifflig. Oft spielen die Puzzle-Passagen mit unseren Erfahrungen aus anderen Titeln und wir suchen Hebel, Timer oder Gegenstände, wie sie uns zum Beispiel in Limbo oder Captain Toad: Treasure Tracker begegnen würden.
Weil wir so darauf trainiert sind, die Grenzen in Puzzles als gegeben anzusehen, starren wir manchmal mehrere Minuten eine Wand an bis wir erkennen, dass wir genau die verbiegen müssen, um das Rätsel zu lösen.
Sollte ein Rätsel trotzdem zu schwer sein, können wir es einfach überspringen und später zurückkehren. Hier fehlt es Semblance jedoch an Überblick, da wir keine Karte haben, die uns bereits erledigte Bäume zeigt. Und auch die Steuerung stoppt bisweilen den Spielfluss: Zwischendurch bleibt unser Blob immer wieder in der Botanik hängen. Gerade bei einem Plattformer, der von einer genauen Steuerung lebt, ist das besonders ärgerlich.
Ansonsten ist Semblance mit seinen klaren Farben, dem atmosphärischem Soundtrack und der ungewöhnlichen Rätselstruktur wie gemacht für die Switch, vor allem im Handheld-Modus. Die Rätsel haben die perfekte Länge für den Weg zur Arbeit und lassen sich problemlos auch nach einer Unterbrechung wieder aufnehmen. Mit kleinen Abzügen in Sachen Steuerung und Übersicht ist der Kampf des kleinen Blobs gegen die Kristallparasiten eine tolle Premiere für südafrikanische Spiele auf der Switch.
Nyamakop und Entwickler in Südafrika
Semblance ist nicht nur das erste südafrikanische Spiel auf der Switch, es ist auch das erste Spiel des Studios Nyamakop. Entwickler wie Nymakop-Gründer Ben Myres und Cukia Kimani haben es in Südafrika schwer, die richtige Ausbildung zu erhalten. Abgesehen von der Universität von Witwatersrand in Johannesburg gibt es nur wenige Förderprogramme, viele Entwickler sind Autodidakten.
Gerade deswegen ist der Switch-Release von Semblance nicht nur ein Erfolg für Nymakop, sondern auch für die dortige Entwicklerszene. Zusammen mit der wachsenden Globalisierung und immer mehr kostenlosen Spiele-Engines wächst der Markt in Südafrika stetig, sodass wir in den kommenden Jahren sehr viel mehr innovative Projekte erwarten können.
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