Wer Papiertaschentücher meint, sagt Tempo. Und wer Handheld-Konsole meint, sagt Game Boy. Zumindest war das lange Jahre so, denn kaum eine Konsole hat so sehr Eingang in den Alltag (auch von Nichtspielern) gefunden als der graue Kasten. Dabei übt sich Nintendos zweiter Abstecher in die Handheld-Welt (nach den Game&Watch-Spielen) technisch zunächst in Bescheidenheit: Statt Farbe bietet der Game Boy nur vier Graustufen (oder besser gesagt Dunkelgrün), der Arbeitsspeicher ist mit je 8 KB Haupt- bzw. Videospeicher überschaubar, und bei flotterer Action verschmiert dank LCD-Technik die Optik. Was aber sowieso nur bei guten Lichtverhältnissen zu erkennen ist - schließlich spart sich Nintendo eine Hintergrundbeleuchtung für den Flüssigkristall-Bildschirm.
Die Konkurrenz von Sega, Atari und NEC legt sich technisch schon etwas mehr ins Zeug, zieht aber nicht zuletzt gerade deswegen den Kürzeren gegenüber Nintendos grauem Spieleklotz. Im Gegensatz zu Game Gear, Lynx und PC Engine GT ist der kompakt designte Game Boy wirklich tragbar und lässt sich zur Not (mit etwas Quetschen) sogar in die Hosentasche stecken. Mit nur vier AA-Batterien läuft er bis zu 30 Stunden lang - die Konkurrenzkonsolen sind froh, wenn sie mit sechs Batterien ein Sechstel dieser Zeit auskommen. Und der Game Boy ist, einer alten Nintendo-Tugend folgend, vergleichsweise günstig: 169 Mark (für die jüngeren Leser: so hieß früher unser Geld, die Summe entspricht rund 85 Euro) machen die Mobilkonsole beim (gut ein Jahr nach der Veröffentlichung 1989 in Japan und den USA erfolgenden) Europa-Start im September 1990 zum billigsten Handheld – und einer auch abseits von Geburtstag oder Weihnachten vertretbaren Anschaffung für Jung und Alt.
Sammlerecke
Endlich ein erschwingliches Nintendo-System: Während die Preise für NES- und SNES-Hard- bzw. Software gerade kontinuierlich irrwitziger werden, ist der Game Boy halbwegs bezahlbar und preisstabil. Ein Classic-Gerät gibt's bereits ab 15 bis 20 Euro, Allerweltsmodule für einen bis wenige Euro. Selbst in Originalverpackung werden Gerät und Spiele nicht unbezahlbar – auch wenn populäre Nintendo-Marken wie Zelda oder Metroid natürlich überproportional teuer sind (wobei man mit etwas Glück selbst ein verpacktes Link's Awakening für 15 Euro ergattern kann).
Auch Game Boy Pocket und Game Boy Color sind noch ein bezahlbares sowie – in puncto Hardware – auch vielfältiges und spannendes Sammelgebiet: Die zahlreichen Farbvarianten machen sich gut in Regal und Vitrine. Eine dreistellige Summe kann allerdings der Game Boy Light kosten, eine 1998 nur in Japan erschienene, Hintergrund-beleuchtete Variante des Handhelds. Und auch diverse japanische Sondereditionen des Game Boy Pocket, die Logos und/oder Schriftzüge von Famitsu (Spielezeitschrift), Ana (Fluglinie) oder Lions (Baseball-Team) tragen, werden vergleichsweise teuer gehandelt.
Handheld-Evolution
Bereits ein knappes Jahrzehnt vor dem Start des Game Boy setzt Nintendo zum ersten Vorstoß in den Mobilspiel-Bereich an und versucht dabei, vornehmlich erwachsene Daumen zu erreichen – erobert stattdessen aber die Herzen einer ganzen Schülergeneration.
Ab 1980 erscheinen die ersten Game&Watch-Geräte, schicke und vergleichsweise teure LCD-Geschicklichkeitstests, klein, flach und unauffällig nutzbar. Nintendos brillanter Spielzeug-Macher Gunpei Yokoi erfindet die Game&Watch-Handhelds, die in den Folgejahren größere Dimensionen verpasst bekommen, mit einem zweiten Bildschirm ausgestattet werden und sich weiter entwickeln zu kleinen Spielautomaten (Tabletop) oder faszinierenden Gaming-Gadgets mit durchsichtigem Bildschirm (Crystal Screen). Die rund 60 verschiedenen Game&Watch-Modelle sind weltweit erfolgreich und bereiten zusammen mit der populären NES-Konsole den Boden für Yokois erfolgreichste Kreation: den Game Boy.
Yokoi und seine Mitarbeiter von Nintendos Research & Development 1-Team adaptieren den Controller der 8-Bit-Heimkonsole für den mobilen Gebrauch: Dank schwarzem D-Pad (das von Yokoi ursprünglich 1982 für das Donkey Kong-Game & Watch designt worden war), zwei weinroten Action-Buttons sowie den länglichen Select- und Start-Tasten müssen sich Nintendo-Fans nicht umgewöhnen, und die Adaption von NES-Titeln fällt leicht – zumindest in Bezug auf die Bedienung. Bei der Grafik sieht das schon anders aus: Die bescheidenen vier Schattierungen stellen die Raffinesse der Grafiker ebenso auf den Prüfstand wie die im Vergleich zur Heimkonsole wenig üppige 160x144 Pixel-Auflösung des Displays. Dafür ist vor allem die britische Entwicklerszene glücklich über die CPU: Der individuelle 8-Bit-Prozessor des Game Boy ist dem im Heimcomputer ZX Spectrum werkelnden Z80 recht ähnlich.
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