Risen 3: Titan Lords beginnt belanglos: Als namenloser Piratenkapitän befinden wir uns nach einem kurzen Tutorial zusammen mit Schwester Patty auf Schatzsuche an der Krabbenküste. Gähn! Doch dann folgt der Knall: Statt Gold finden wir eine Höhle und ein mysteriöses Kristallportal, aus dem ein Schattenlord erscheint und dem armen Kapitän die Seele aus dem Leib saugt. Bäm, tot!
Eine Beerdigung und drei Wochen später wirkt ein gewisser Bones - Serienveteranen kennen den Kerl noch aus Risen 2 - seinen Voodoo über unserem Grab und stellt den Helden wieder auf die Beine. Zwar haben wir immer noch keine Seele (im Spiel übrigens »Geist« genannt, was die regelmäßige Bezugnahme auf die »Geistlosigkeit« des Helden unfreiwillig komisch macht), aber immerhin eine sehr persönliche Aufgabe: Während sich unsere Seele im Schattenreich befindet, müssen wir nämlich Angst haben, zu einem Schergen dieses Schattenreichs zu werden. Zumindest sagt Bones, dass wir davor Angst haben sollen. Spürbar wird das leider zu keinem Zeitpunkt, unser Held nimmt sein Schicksal mit der Teilnahmslosigkeit einer Parkuhr hin.
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Verwirrende Freiheit
Nach dem mäßigen Start präsentiert sich Risen 3 aber gereift: Die vergleichsweise lineare Spielführung des zweiten Teils weicht der spielerischen Freiheit eines Gothic. Im Anschluss an das erste Gespräch mit Bones steht uns die gesamte Südsee offen. Das schließt übrigens die Insel der Diebe sowie die Nebelinsel ein, zwei Gebiete, die zum Release ausschließlich für Vorbesteller verfügbar sind. Um unseren Geist wiederzuerlangen, brauchen wir mächtige Magie. Suchen wir die zuerst bei den Eingeborenen auf Kila? Oder doch lieber bei den Magiern auf Taranis? Oder schauen wir mal bei den Dämonenjägern auf Calador vorbei? Die Freiheit ist groß.
Allerdings beißt sich dieser Ansatz mit dem seelischen Problem des Helden. Während wir über die Inseln streifen und eine im Grunde nebensächliche Aufgabe nach der anderen erledigen, könnte ihm das eigene Schicksal kaum gleichgültiger sein. Die Autoren versuchen zwar, durch regelmäßige Albtraumsequenzen im Schattenreich einen Spannungsbogen aufzubauen, bloß funktioniert das bestenfalls leidlich.
Legen wir uns nicht ins Bett, dann sind wir auch nie im Schattenreich unterwegs und können nicht mit bestimmten Geistern sprechen und ihnen magere Informationen oder die Position von Schätzen entlocken. Legen wir uns doch ins Bett (was aufgrund eines schier unerschöpflichen Proviantvorrats nur zur gezielten Zeitbeschleunigung notwendig ist - heilen können wir uns auch bequem unterwegs), dann empfinden wir die Albträume meist eher als lästige Unterbrechung.
Diese Inkonsequenz zieht sich durch die gesamte Geschichte, und einige Handlungselemente werden mit ganz heißer Nadel gestrickt. Warum etwa weiß Margoloth, das angeblich älteste (und vielleicht auch ekligste) Wesen der Welt, nichts über die Anwesenheit eines Schattenlords in der Höhle direkt nebenan? Andere Handlungsansätze wiederum verschenken viel Potenzial. So hätte der Konflikt zwischen Magiern und Inquisition genug Nährstoff für eine eigene kleine Geschichte geboten, bleibt stattdessen aber völlig belanglos.
Charakterlose Charaktere
War es im ersten, nur für PC erschienenen Gothic noch sehr erfrischend, dass Figuren in einem Computerspiel plötzlich ungeniert »scheiße« oder »Arschloch« sagten und damit den typischen High-Fantasy-Duktus des Genres konterkarierten, wirkt das beim sechsten Mal längst nicht mehr so originell. Zumal die zahlreichen Kraftausdrücke nicht kaschieren können, dass (fast) keine Figur - am wenigsten der namenlose Held selbst - eine Persönlichkeit entwickelt. Man könnte nahezu sämtliche Charaktere des Spiels in eine der folgenden drei Kategorien stecken: Kotzbrocken, Weicheier und Kotzbrocken, die in Wirklichkeit Weicheier sind.
»Hast du es schon mal mit ehrlicher Arbeit versucht?«, fragt der Held an einer Stelle einen dieser Kotzbrocken. Seine Antwort (»Wo ich herkomme, ist es ehrliche Arbeit, Leuten aufs Maul zu hauen.«) fasst das Dilemma von Risen 3 wunderbar zusammen: Hinter dem auf Krawall gebürsteten Humor steckt keine Tiefe, entweder mag man den derben Charme oder nicht. Auf das Dialogsystem wurde zudem noch ein unnötiges Moralsystem gesetzt. Sind wir lieb und nett, gibt's Pluspunkte aufs Seelenkonto, halten wir's mit boshafter Frechheit, purzeln die Punkte. Mit eingesammeltem Seelenstaub können wir uns die Menschlichkeit bei einem späteren Begleiter aber unkompliziert wieder zurückkaufen - was das System ad absurdum führt.
Die qualitative Berg- und Talfahrt der Story wird jedoch durch die Fraktionswahl abgefedert: Wir dürfen wahlweise Wächter, Dämonenjäger oder Voodoo-Pirat werden. Der Beitritt zu einer Gemeinschaft erschließt jeweils neue Fähigkeiten und Zauber, allerdings müssen wir ihn uns erst verdienen. Jede Fraktion besitzt eine eigene Karriereleiter, die wir durch das Erledigen von fraktionsspezifischen Aufgaben erklettern.
Werden wir schließlich befördert, erfahren wir die Befriedigung, die der eigentlichen Handlung weitgehend fehlt: das Gefühl, etwas Bedeutendes erreicht zu haben. Hier schlummert auch der Wiederspielwert von Risen 3, denn der Fraktionsbeitritt hat handfeste Auswirkungen auf die Spielweise, nach dem ersten Durchgang juckt es uns in den Fingern, die anderen Gemeinschaften auch noch auszuprobieren.
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