Seite 4: Rage - Shooter plus X

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Spagat für id Software

Wozu dann eigentlich das ganze Drumherum, wenn all die Neuerungen letztendlich optional bleiben? Man merkt Rage an, wie sehr id Software nach einer Balance zwischen geöffnetem Konzept und alter Shooter-Schule sucht: Ist schon alles neu, aber im Zweifel eben doch nicht. So bedeutet Wahlfreiheit in Rage also auch, auf jede Wahl verzichten zu können und es weitgehend wie einen klassischen Shooter zu spielen. Zum Kompromiss gehört zum Beispiel, dass id ein automatisches Deckungssystem, wie es viele neuere Spiel von GTA 4 bis Mass Effect 2 besitzen, fertig eingebaut hatte und dann doch wieder entfernte: »Hat das Spiel zu sehr ausgebremst«, begründet Tim Willits.

Viele offene Flächen gibt's auch in der Wüste nicht. Viele offene Flächen gibt's auch in der Wüste nicht.

Trotz der Verzweigung der Außenwelt waren alle Innenlevels, die wir bislang gespielt haben, linear aufgebaut. Wer erst mal einen Clan-Unterschlupf betreten hat, folgt klaren Pfaden von A nach B. In Keller und Bunker, von denen es natürlich genügend gibt, fehlt dann tatsächlich nicht mehr viel zum Doom-Flair. Wer sich von der offenen Spielwelt und all den Nebenaufgaben große Entdeckungsfreude verspricht, der sollte wissen, dass Rage in den Außenarealen (nicht aber in den Innenlevels) alle aktuellen Zielorte und interessanten Punkte auf einer Minimap markiert.

Das Mehr in Rage steckt nicht deshalb darin, um es zu einem anspruchsvolleren Shooter zu machen, sondern – im Gegenteil – um es aus der Hardcore-Nische herauszuheben und so abseits perfekter Spielmechanik ein lebendigeres Erlebnis zu schaffen. Das muss auch für Old-School- Shooter-Fans kein Nachteil sein, wenn die Vielfalt die Spielerfahrung bereichert.

Werbung für die id Tech 5

Für id Software ist Rage gleichzeitig das Aushängeschild für id Tech 5, die neueste Inkarnation der hauseigenen Grafiktechnologie. Deren Herzstück ist, wie schon in der Vorversion, die so genannte »Megatexture«, die im Prinzip die gesamte Spielwelt mit einer einzigen, durchgehenden Textur überzieht. Die Technik entstand, als John Carmack mit den 2005 veröffentlichten NASA-Daten der Mondoberfläche experimentierte.

Die Ladezeiten der Texturen sollen im fertigen Spiel kaum auffallen. Die Ladezeiten der Texturen sollen im fertigen Spiel kaum auffallen.

Tatsächlich war die Megatexture der Auslöser für die Entwicklung von Rage: »Wir hatten auf einmal Landschaften mit großen, offenen Flächen und dachten uns: Da könnte man doch ein Spiel daraus machen, eins mit Autos«, erzählt Tim Willits. Zum bislang einzigen Mal fand die Megatexture 2007 in Splash Damages Multiplayer-Shooter Enemy Territory: Quake WarsAnwendung. Auch deshalb soll Rage beweisen, was die Technologie kann.

Das leistet das Spiel eindrucksvoll: In den Landschaften sind keine Texturwiederholungen zu sehen, jede Felswand, jedes Gebäude sieht anders aus. In den Städten ähnelt kein Einwohner einem zweiten (was zwar nichts mit der Megatexture zu tun hat, aber hier trotzdem erwähnt werden soll). Das optische Ergebnis ist brillant, Rage deklassiert in seinen besten Momenten jedes andere 3D-Spiel. Bei unserer Spielsitzung zeigten sich aber auch sehr augenfällige Probleme: Aus der Nähe waren Texturoberflächen grob aufgelöst, in der Ferne bauten sie sich bei schnellen Drehungen störend auf. Der Grund dafür, so versicherte man uns, sei simpel: Während wir bei id Software spielten, wurde die Megatexture aus dem Firmennetzwerk geladen statt von der Festplatte. Denn id Software arbeitet in der Cloud; während wir Banditen erschossen, feilten mehrere Grafiker parallel an anderer Stelle der Welt an den Oberflächen. Im fertigen Spiel soll das Textur-Streaming wesentlich schneller gehen.

In Zeiten, in denen das Call of Duty-Modell des dramaturgisch durchinszenierten Story-Actionspiels das Shooter-Genre beherrscht, wirkt Rage wie ein Gegenentwurf, auch wenn das sicher nie der Plan war. Es entbehrt dennoch nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Meister des linearen Shooters nun der Masse der linearen Shooter entgegentreten. Skripts und dramatische Zwischensequenzen haben wir in Rage bislang nicht entdecken können. Als Ersatz müssen, da bleibt sich id Software dann doch treu, alte Werte herhalten. »Wenn du dem Spieler so viele verschiedene Waffen und Gegenstände gibst, musst du sicherstellen, dass die Gegner clever reagieren«, sagt Tim Willits. Da wären wir also wieder: Mann gegen Monster.

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