Bei Rage kommt id Software vom Weg ab – mit Absicht. Die Erfinder von Doom, die Erfinder des Ego-Shooters wollen mehr. Und deshalb rennen wir in Rage nicht mehr nur durch dunkle Gänge und schießen wie in Doom 3 – dem letzten id-Spiel von 2004 – auf Höllendämonen. Diesmal erkunden wir eine vergleichsweise offene Endzeit-Spielwelt, fahren Auto-Rennen im Stil von Mad Max, erfüllen Quests und führen jede Menge Gespräche.
Geschossen wird natürlich trotzdem; auf Mutanten, Banditen und Regierungssoldaten. Das sind die besten Momente von Rage, denn id hat zwar einst den Ego-Shooter aus der Taufe gehoben, doch das Genre hat sich in den letzten 20 Jahren spürbar weiterentwickelt – weg vom Einzelkämpfer, der Raum für Raum von Monstern säubert, hin zum spektakulären Blockbuster-Bombast à la Call of Duty: Black Ops oder zum erzählerisch herausragenden Ego-Abenteuer nach BioShock-Manier. Rage erreicht weder den Knallfaktor noch die Erzähltiefe dieser Vorbilder. Ein gutes Spiel ist es trotzdem.
Shooter-Prinzip: laufen und ballern
Denn Rage ist ein Ego-Shooter, und id Software kann Ego-Shooter. Zumindest klassische, denn die Ballereien von Rage spielen meist in klassischen, engen Levels. Statt Bombast-Kämpfe vor dynamischen Kulissen zu bestreiten, säubern wir im Alleingang einen Raum nach dem nächsten von Gegnern.
Das mag altmodisch oder gar dröge klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Die Schießereien in Rage machen einen Heidenspaß, besonders weil die hervorragende KI in Bewegung bleibt, je nach Gegnertyp unterschiedlich angreift und wir immer wieder tolle Animationen zu sehen bekommen. Da hechten Soldaten über Geländer oder schnell in Deckung, während Banditen auf uns zustürmen und dabei halb an Wänden entlanglaufen. Mutanten hangeln sich manchmal sogar an der Decke auf uns zu. Jeder Schuss, der ins Schwarze geht, wird mit einer gelungenen Animation belohnt – das Treffer-Feedback ist id-typisch exzellent.
Während das Waffenarsenal recht konventionell ausfällt, sorgen unterschiedliche Munitionsarten für Abwechslung. Panzerbrechende Kugeln durchschlagen auch dick gepolsterte Regierungssoldaten, Energiebolzen lassen Schilde ausfallen, und die Granatenmunition für die Schrottflinte legt ganze Gegnergruppen flach. Besonders fies ist der Hypnosebolzen. Wenn wir damit einen Gegner treffen, können wir ihn fernsteuern, am besten auf einen weiteren Feind zu. Wenn wir die Steuerung dann aufgeben, explodiert der ferngelenkte Feind und nimmt seinen Kollegen mit in die digitalen Jagdgründe.
Der Rollenspiel-Elemente: Baukasten und Waffen-Upgrades
Solche Sondermunition können wir in den Siedlungen kaufen oder unterwegs selbst aus gefundenen Komponenten bauen. So konstruieren wir auch elektronische Türöffner, ferngesteuerte Mini-Autobomben und Wingsticks. Letztere sind Bumerangs mit drei Klingen, die wir als Alternativwaffe jederzeit werfen können und die besonders gern von der Last ihrer Häupter befreien.
Besonders cool: Wir können auch kleine Geschütz-Spinnenbots bauen, die an unserer Seite kämpfen und Gegner auch mal direkt anfallen. Besonders schade: Regelmäßig müssen wir die sympathischen Helfer zurücklassen, weil sie irgendein Hindernis nicht überwinden können. Immerhin dürfen wir sie zerlegen und so ein paar der Bauteile zurückgewinnen.
Die Bastelei passt bestens ins Endzeit-Szenario und erinnert angenehm an die Fallout-Serie. Ein Rollenspiel ist Rage allerdings längst nicht. Denn in Rollenspielen sorgen das Sammeln von Erfahrung und Aufrüst-Optionen für Motivation. Rage hingegen bietet nur die anfängliche Wahl zwischen drei unterschiedlichen Rüstungstypen, die sich nicht spürbar auswirken. Und dann gibt es noch eine Handvoll Upgrades für Waffen, Autos und Ausrüstungsgegenstände.
Gegnerische Schießprügel können wir indes nicht aufsammeln, die Schießeisen verschwinden vor unseren Augen. Warum? Damit wir neue Waffen als Belohnung für erfüllt Haupt- und Nebenquests bekommen können. Ein kruder Kunstgriff, der zeigt, wie wenig sich id Software auf die Spielwelt und die Figuren als Motivationsfaktor verlassen wollte. Wobei nicht einmal die Waffen-Upgrades richtig motivieren, weil es nur wenige gibt und sich nicht jeder Schießprügel beliebig aufrüsten lässt. Ein vielschichtiges Ausrüst-System à la Borderlands hätte hier Wunder gewirkt.
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