Rennspiel-Prinzip: rasen und ballern
Im Kern ist Rage ein Ego-Shooter, aber id Software baut einiges um die Ballermomente herum. So rennen wir nicht nur gradlinig durch Schlauchlevels à la Call of Duty oder Crysis 2, sondern holen uns auch von unterschiedlichen Figuren Aufträge ab. Zwei Drittel der Spielzeit starten wir dabei von der kleinen Siedlung Wellspring aus (wo wir uns die Zeit auch mit Minispielen totschlagen können) und sollen mal Schalter umlegen, mal Bauteile besorgen und oft auch einfach nur alle Gegner töten.
Mit den Missionsbeschreibungen in der Tasche geht es zu Fuß oder mit einem von vier Fahrzeugen in die Canyons rund um Wellspring. Dabei wird schnell klar: die offene Welt von Rage ist übersichtlich, wir fahren ständig die gleichen Strecken ab. Für Abwechslung sorgen Banditen, die uns mit ihren bewaffneten Fahrzeugen angreifen.
Unsere eigene Karre können wir mit Maschinengewehren, Raketen und einer Energiewaffe aufrüsten. Auch bessere Panzerungen oder Stachelreifen stehen zur Wahl. Das nötige Kleingeld für die Upgrades verdienen wir bei optionalen Autorennen, mal gegen die Zeit, mal gegen bis zu drei KI-Gegner – mit oder ohne Waffen. Rage ist damit zwar kein vollwertiges Autorennspiel vom Schlage eines Need for Speed, aber die Rasereien sind tadellos umgesetzt, steuern sich bestens und machen immer Spaß. Das Autofahren macht bis zu einem Drittel der Spielzeit von Rage aus, der Rest sind Gespräche mit Auftraggebern und Ballerei. Die offenen Canyons dienen also eher als Rennstrecken und »Oberwelt«.
Das Leveldesign: hübsch aber höhepunktsarm
So lebt Rage meist alleine von seinen unbestreitbaren Shooter-Qualitäten. Das funktioniert auch, solange wir mitten im Kampf und ordentlich beschäftigt sind. Problematisch wird es zwischen den Ballereien. Dann fällt uns nämlich auf, dass es den hübschen Levels an spielerischen Höhepunkten fehlt. Mal ganz davon abgesehen, dass wir für manche Aufträge noch mal in bereits bekannte Gebiete zurück müssen, passiert in den Umgebungen kaum etwas. Ganz selten kommt ein Landungsschiff und spuckt Regierungssoldaten aus, mal brechen Zwischengegner durch Wände. In der toten Stadt wartet der einzige nennenswerte Bossgegner: ein haushoher Mutant, den wir bereits aus fast allen Trailern zu Rage kennen. Das eigentliche Finale ist sterbenslangweilig. Unterschiedliche Tageszeiten, ein Abschnitt in einem Sandsturm oder sonstige Wetteränderungen, alternative Lösungswege oder Entscheidungen – alles Fehlanzeige.
Ein Call of Duty: Black Ops mag spielerisch nicht viel mehr bieten, täuscht über solche Schwächen aber hinweg, wenn um uns herum die halbe Welt explodiert – intellektuell simpel, aber effektiv. Bioshock wiederum treibt uns durch seine Handlung und seine atmosphärische Dichte. Es mag komisch klingen, aber das Problem von Rage ist, dass es uns zu viel Zeit zum Nachdenken lässt.
Die Story: Eine Zukunft ohne Antworten
Und zum Nachdenken gibt’s einiges: Wer bin ich, was mache ich hier – und warum? Diese Fragen beschäftigen uns am Anfang von Rage und viel zu lange darüber hinaus. Wir erwachen in einer Gefrierkammer, 100 Jahre nachdem ein Asteroid die Menschheit in die Post-Apokalypse gesprengt hat, und treten in eine fremde Endzeitwelt. So heruntergekommen diese Zukunft auch aussehen mag, beeindruckend ist unser erster Ausblick allemal, denn die Umgebungen in Rage sind künstlerisch hervorragend umgesetzt.
Immer wieder präsentiert das Spiel atemberaubende Panoramen von einer untergegangen Zivilisation. Da schweift der Blick über eine tote Stadt, die vom Wüstensand erobert wird oder über einen riesigen Schiffskadaver, der weit über eine Klippe ragt und verrät: der ausgedörrte Canyon, durch den wir streifen, war einst ein Meeresgraben. Die Welt von Rage sieht so aus, als würde sie voller Geheimnisse stecken und macht Lust aufs Erkunden.
Doch so spannend das Setting von Rage optisch wirken mag, so wenig erzählerische Rückendeckung bekommt die hübsche Kulisse. Von unserer Spielfigur erfahren wir bis zum Abspann nicht mal den Namen. Dass wir früher wohl Soldat waren, verrät uns eine völlig unscheinbare Nebenfigur fast im Vorbeigehen. Nach rund 14 bis 18 Spielstunden (je nach dem wie viele Nebenmissionen wir erfüllen) setzt das dünne Finale einen enttäuschenden Schlusspunkt hinter die Story.
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